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Literatur

100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte (Teil 1: 1923 bis 1965)

Berlin in der Literatur: Große Geschichte, abstruse Schicksale und irrwitzige Figuren. Genug Stoff für zahllose Bücher – wir haben 100 Berlin-Romane ausgewählt, die man gelesen haben sollte. Von den politisch aufgeladenen Tagen der Weimarer Republik, als Erich Kästner, Alfred Döblin und Gabriele Tergit die Metropole in den Goldenen Zwanzigern verewigten, über die Kriegs- und Nachkriegszeit, die Ära der Teilung und schließlich über Mauerfall und Wende bis zur Gegenwart.

Manche sind weltbekannt, etwa „Emil und die Detektive“ oder „Berlin Alexanderplatz“, andere sind Entdeckungen wie „Blutsbrüder“ oder (noch) Geheimtipps wie der während der Nazizeit geschriebene Roman „Unsere Straße“. Die Liste ist streng chronologisch geordnet.

Im ersten Teil finden Sie 25 der 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss, aus den Jahren 1923 bis 1965. Wir wünschen viel Vergnügen auf der literarischen Reise tief in die Seele Berlins.

„Das Spinnennetz“ von Joseph Roth, 1923     

100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss: Das Spinnennetz von Joseph Roth.

Joseph Roths Debütroman handelt von einem Reichswehr-Veteranen, der sich nach dem Ersten Weltkrieg nicht ins zivile Leben integrieren kann und will. National gesinnt, strikt antisemitisch und immer opportunistisch, findet er neue Betätigungsfelder, die ihm besser liegen als sein Jurastudium: Folter, Spionage, Denunziation und Terrorismus. Fast 100 Jahre nach der Veröffentlichung wagt man vielleicht nicht unbedingt den platten Vergleich zwischen Weimarer und Berliner Republik – aber an Uniter, Hannibal und Nazi-Skandale im Kommando Spezialkräfte denkt man unweigerlich doch. CW


„Berlin ohne Juden“ von Artur Landsberger, 1925     

Berlin ohne Juden von Artur Landsberger - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Ein Antikapitalismus, der auf Klassenanalyse verzichtet und stattdessen ganz auf das Zerrbild des reichen jüdischen Geschäftsmannes setzt: So klappt’s mit der absoluten Mehrheit im Reichstag. Landsberger zeichnet ein düsteres Bild von einem Deutschland, das seine jüdischen Bürger ausplündern und des Landes verweisen lässt. 1925 waren das dystopische Gedankenspiele – und ein internationales Handelsembargo führt das Land im Roman zurück auf den Pfad der Tugend. Die wirklichen Zeitläufte waren weitaus entsetzlicher. CW


„Berlin“ von Paul Gurk, 1927   

Berlin von Paul Gurk ist ein 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Eckenpenn steht Tag für Tag an der Straße und arbeitet als „ambulanter Buchhändler“. Längst ist er ein Relikt der Vergangenheit. Und er muss, weil das Print-Business den Bach runtergeht, zahlreiche Hilfstätigkeiten annehmen. Ein Eckenpenn würde heute die Motz verkaufen oder Würstchen am Alexanderplatz. Gurks Hauptfigur in diesem expressionistischen „Buch vom Sterben der Seele“ (so der Untertitel) ist allerdings die Stadt selbst: laut, schrill, unverständlich, rätselhaft, atmosphärisch und dämonisch. Geradezu zahm und aufgeräumt wirkt das Berlin der Gegenwart im Vergleich.  CW


„Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin, 1929        

Berlin Alexanderplaz von Alfred Döblin gehört zu den 100 Berlin-Romanen, die man gelesen haben muss.

So sinnlich und so dicht schrieb vorher niemand über Berlin. Alfred Döblin hat angeblich seine Urfassung des Romans komplett überarbeitet, nachdem er Joyce Ulysses gelesen hatte – zum Glück. Denn „Berlin Alexanderplatz“ ist eine mythenreiche Montage verschiedenster Stile. Im am irischen Vorbild geschulten Stream of Consciousness schwimmt der stets aufs Neue scheiternde Arbeiter Franz Biberkopf seinem Unglück entgegen. CW


„Emil und die Detektive“ von Erich Kästner, 1929      

100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss: Emil und die Detektive von Erich Kästner

Die aufregende Verfolgungsjagd des zwölfjährigen Jungen Emil Tischbein mit einer Gruppe Kinder quer durch die Berlin nach einem Dieb ist ein Kinderbuchklassiker, der die Realität und auch die Sprache der Großstadtkinder erzählt. Ein „Kinderroman der Neuen Sachlichkeit“, lobte Marcel Reich-Ranicki.


„Mich hungert“ von Georg Fink, 1929 

Mich hungert von Georg Fink - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss.

Eine späte Neuentdeckung des sozialkritischen Romans aus dem Jahr 1929. Georg Fink, der unter seinem bürgerlichen namen Kurt Münzer literarische Anerkennung erhielt, schildert die gesellschaftlichen Trennlinien am Ende der Weimarer Republik. Die bittere Armut der Arbeiterklasse schneidet er virtuos mit den Einblicken in die mondäne Lebensweise der Oberschicht zusammen. Im Zentrum steht der arme aber talentierte Halbjude Theodor König, der einen wohlhabenden Mäzen findet und den sozialen Aufstiegt wagt.


„Menschen im Hotel“ von Vicky Baum, 1929 

Menschen im Hotel von Vicky Baum - die 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss, ausgewählt von tip berlin

Ein rasanter, amüsanter, dramatischer Episodenroman, der in einem Berliner Luxushotel spielt – und unbedingt zu den 100 Berliner Romanen gehört, die lesenswert sind: Hauptfiguren sind eine alternde russische Tänzerin, ein morphiumabhängiger Arzt, einen zwielichtiger Baron und ein Industrieller, der bankrott zu gehen droht. Für Vicky Baum bedeutete der Roman den internationalen Durchbruch – und ermöglichte ihr die Emigration. 1959 wurde er verfilmt.


„Weltpuff Berlin“ von Rudolf Borchardt, 1930

Weltpuff Berlin Rudolf Borchardt, 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Borchardt war ein bürgerlicher, elitärer Feingeist, in seinem Nachlass fanden die Erben diesen 1000-seitigen Porno – und warfen ihn erstmal in den Giftschrank. Erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors wurden seine Erinnerungen an eine freizügige Jugend im Berlin (und Brandenburg) der Wende zwischen 19. und 20. Jahrhundert veröffentlicht.


„Fabian“ von Erich Kästner, 1931        

Fabian von Erich Kästner

Melancholischer Roman über einen Werbetexter, der sich zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in Berlin durchzuschlagen versucht: Er lernt Arbeitslosigkeit, Subkulturen und die Skrupellosigkeit von Unternehmern kennen. „Fabian“ wurde 1979 von Regisseur Wolf Gremm verfilmt – und wird mittlerweile unter dem treffenden Originaltitel „Der Gang vor die Hunde“ ungekürzt verlegt. CW


„Die Mietskaserne“ von Ernst Erich Noth, 1931         

100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss? Dazu gehört auch Die Mietskaserne von Ernst Erich Noth

Sozial isoliert und in elenden Verhältnissen leben die zwei Freunde und Gymnasiasten Albert und Walter in einer Berliner Mietskaserne. Ernst Erich Noths Roman „Die Mietskaserne“ liest sich als Milieustudie, die von den Jahren des Ersten Weltkriegs und dessen Nachbeben erzählt. Nina Sabo


„Glückliche Menschen“ von Hermann Kesten, 1931  

Hermann Kesten - Glückliche Menschen

Hermann Kestens dritter Roman ist eine sarkastische Parodie auf Liebesromane seiner Zeit: Max, mittelloser Studienabbrecher, liebt Else, deren Vater dem Glück jedoch im Weg steht. Die Tochter soll lieber mit einem reichen Makler anbandeln. Max stiehlt Geld und wird sogleich erpresst, nämlich von ebenjenem Makler, bei dem er am Ende sogar Karriere macht. Bloß die Ansprüche auf die Geliebte gibt er auf – und sie bringt sich um. Eine bittere Geschichte also, die der Protagonist mit ausgeprägtem Hang zum Individualismus lostritt. CW


„Blutsbrüder“ von Ernst Haffner, 1932

Blutsbrüder von Ernst Haffner

Eine Jugendclique in Berlin am Vorabend des Dritten Reichs, geschrieben im damals schonungslosen Realismus. Von den Nazis 1933 verboten und erst 2013 wiederentdeckt. Großartig!


„Herrn Brechers Fiasko“ von Martin Kessel, 1932      

Herrn Brechers Fiasko von Martin Kessel - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Ziemlich unterschätzter Roman über die höllische Welt der Angestellten in den 20er Jahren. Kann aber durchaus neben dem gigantischen „Berlin Alexanderplatz“ bestehen.


„Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ von Gabriele Tergit, 1932 

Käsebier erobert den Kurfürstendamm von Gabriele Tergit ist einer der 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

In Berlin bekannt wurde Gabriele Tergit mit ihren Gerichtsreportagen – sie war die erste Frau in so einer Position. „Käsebier“ ist ein auch heute noch aktueller Roman über die Macht der Werbung auf die Massen. Ein Neuköllner Bänkelsänger wird von finsteren Mächten an die Spitze der Gesellschaft getragen und wieder vernichtet, als er nicht mehr funktionieren will.


„Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun, 1933         

Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun sieht tip Berlin als einen der 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

„Liebe an sich strengt an“, findet Doris. 1932 ist sie 18 Jahre alt und flieht aus der Provinz an den einzigen deutschen Ort, an dem es sich ungezwungen leben lässt: Berlin. Frech, unbeirrbar und hellsichtig analysiert Doris ihre Bettgeschichten und die ärmlichen Verhältnisse, aus denen sie stammt – und in die sie wieder zurückrutscht. Denn Berlin hält weder finanziell noch romantisch, was es versprochen hat. „Das kunstseidene Mädchen“ ist bis auf ein paar altmodische Ausdrücke so frisch wie am ersten Tag. Würde man an manchen Stellen „Berghain“ und „Sugar Daddy“ hineinlektorieren, könnte es problemlos als zeitgenössisch durchgehen – nicht nur deshalb einer der 100 Berlin-Romane, die wichtig sind. CW


„Unsere Straße“ von J. Petersen, 1936

Unsere Straße von J. Petersen

Aus dem Exil, einziger bekannter in NS-Deutschland geschriebener Roman über den antifaschistischen Kampf.


„Mephisto“ von Klaus Mann, 1936      

100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss: Mephisto von Klaus Mann

Epochaler Schlüsselroman über Karrieren, Anpassung, und Widerstand im Nationalsozialismus, geschrieben aus dem Exil und in der Bundesrepublik lange verboten. Klaus Mann schildert darin leicht zu erkennen die Karriere des Schauspielers Gustav Gründgens, der für ein paar Jahre sein Schwager war und an dem Hermann Göring einen Narren gefressen hatte. Gründgens Erbe  erwirkte in der Bundesrepublik ein Verbot des Buches, in der DDR durfte es erscheinen. „Mephisto“ wurde 1981 von István Szabó mit Klaus Maria Brandauer in der Rolle des Hendrik Höfgen großartig verfilmt.


„Die Gabe“ von Vladimir Nabokov, 1938        

Die Gabe von Vladimir Nabokov - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

1920er Jahre in Berlin: Der junge Romanheld Fjodor Godunow-Tscherdynzew, der aus einer reichen Petersburger Familie stammt, wird nach der Oktoberrevolution zum Untermieter einer Berliner Wohnung. In insgesamt fünf Kapiteln thematisiert Nabokov in „Die Gabe“ die Probleme des Schriftsteller-Daseins seines Protagonisten. Nina Sabo


„Leb wohl, Berlin“ von Christopher Isherwood, 1939

Leb wohl, Berlin Christopher Isherwood - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Sally Bowles singt im Cabaret und sortiert ihre Verehrer, Natalia Landauer erbt ein Familienunternehmen, und der Erzähler ist ein englischer Schriftsteller, der in Berlin einen Roman zu Ende bringen will. Man kennt diese Figuren gut, den Roman allerdings weniger. Christopher Isherwoods autobiografisch geprägte Geschichte „Leb wohl, Berlin“ hat es erst in den 60ern und 70ern zu wirklichem Ruhm geschafft – nämlich als Grundlage des Musicals „Cabaret“.  CW


„Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada, 1947   

Jeder stirbt für sich allein von Hans Fallada - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Im Jahr 1943 wurde das widerständige Ehepaar Quangel von den Nazis hingerichtet. Durch den Dichter und späteren Kulturminister Johannes R. Becher gelangte der Autor Hans Fallada an die Gestapo-Akte des Falles Quangel, der als Vorlage für „Jeder stirbt für sich allein“ diente. Darin erzählt Fallada vom Widerstand während der Nazizeit in Berlin und zeichnet ein Panorama des Lebens der „normalen“ Leute in Berlin. Nina Sabo


„Effingers“ von Gabriele Tergit, 1951  

Effingers von Gabriele Tergit

„Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ ist Gabriele Tergits bekanntester Roman. „Effingers“ steht zu Unrecht in dessen Schatten. 1931 begann die Autorin mit der Arbeit am Roman. 20 Jahre später, viele davon verbrachte sie im Exil, stellte sie ihn fertig. „Effingers“ ist an Theodor Fontane und Thomas Mann geschult, dabei ungleich schneller, dialoglastiger und witziger. Tergit erzählt von zwei jüdischen Familien in Berlin, vier Generationen von 1878 bis 1948. Ihr Opus Magnum ist eine Liebeserklärung an die untergegangene Welt des jüdisch-großbürgerlichen Berlins. CW


„Die Westmark fällt weiter“ von Erich Loest, 1952     

Die Westmarkt fällt weiter von Erich Loest - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Bevor er zum Staatsfeind der DDR wurde, schrieb Loest diesen fesselnden Vor-Mauerbau-Berlin-Roman. Der FDJler Bernd begehrt Margot. Der junge Egon Kamm steigt zu Berlins Gangster Nr.1 auf. Der dicke West-Berliner Kommissar Ewald Pennkoven brüllt den grauen Kollegen Löffler an. Und der Sozialismus wird siegen. Rik


„Eine Frau in Berlin“ von Martha Hiller (Anonyma), 1953      

Eine Frau in Berlin von Martha Hiller - 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

Im Jahr 2003 tauchten diese Aufzeichnungen aus dem Berlin der Nachkriegszeit auf, zunächst anonym veröffentlicht. Das Buch schildert die Gewalt und Vergewaltigungen, die Frauen in der zerstörten Reichshauptstadt durch sowjetische Soldaten erleiden mussten. Böser Stoff, der auch ganz leicht für die falschen Zwecke instrumentalisiert werden kann, und deshalb erstmal hinterfragt wurde. Doch alleine die Intensität der Schilderung von Gewalterfahrung macht diesen authentisch – und zu einem der besten 100 Berlin-Romane.


„Der Spion, der aus der Kälte kam“ von John Le Carré, 1963 

Der Spion, der aus der Kälte kam von John le Carré ist einer der 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben muss

John le Carrés dritter Roman, ein zynisches Vexierbild des Kalten Krieges, das bis heute Bestand hat.


„Zoo oder Briefe nicht über die Liebe“ von Viktor Schklowskij, 1965

Zoo oder Briefe nicht über die Liebe von Viktor Schklowski -

Kein Roman im eigentlichen Sinne, sondern Zeugnis der russischen Exil-Community im Berlin der Zwanziger: Viktor Schklowski lebte 1922 bis 1923 in Wilmersdorf. Die Zeit der Revolution und die Flucht aus der Sowjetunion verarbeitete er bereits vorher in der „Sentimentalen Reise“, die mit der Ankunft in Berlin endet. Seine Frau ließ Schklowski in St. Petersburg zurück – und verliebte sich in Berlin neu. „Zoo oder Briefe nicht über die Liebe“ sammelt die Nachrichten an Elsa Triolet, die die Gefühle nicht erwiderte. Nur der letzte Brief hat einen anderen Adressaten: Schklowski bittet darin die Sowjetführung, bei der er wegen „konterrevolutionären Umtriebe“ in Ungnade gefallen war, um das Recht zur Rückkehr. CW


Die 100 besten Berlin-Romane – Teil 2

Im zweiten Teil der Sammlung unserer 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte, geht es von den 60ern bis zum Mauerfall.

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