Brandenburg

Speicher Gramzow: Das Kunst-Berghain in der Uckermark

Industriedenkmal und Kulturort: Der geschichtsträchtige Speicher Gramzow im Norden Brandenburgs vereint spektakuläre Architektur mit zeitgenössischer Kunst – und mehrere Badeseen sind auch in der Nähe.

Industriedenkmal in der Uckermark, der 1953/54 erbaute Getreide-und Rapsspeicher Gramzow. Foto: Imago/Christian Thiel
Industriedenkmal in der Uckermark, der 1953/54 erbaute Getreide-und Rapsspeicher Gramzow. Foto: Imago/Christian Thiel

Der Speicher Gramzow ist eine Landmarke, minimalistisch und modern

Die Gemeinde Gramzow vor allem für ihr Eisenbahnmuseum bekannt. Ein großes Gelände, auf dem die Geschichte des Schienenverkehrs und hier vor allem die Bedeutung der Klein- und Privatbahnen gewürdigt wird. Doch unweit der historischen Züge ragt ein imposantes Gebäude in die Höhe. Der Speicher Gramzow ist eine Landmarke, minimalistisch und modern überschattet er mit seinen gut 33 Metern den kleinen Ort im Norden Brandenburgs, der schon im Einzugsgebiet von Stettin liegt. Wer von hier nach Polen will, braucht nicht mehr als 20 Minuten.

In den frühen 1950er-Jahren gehörte der Getreidespeicher zu den landwirtschaftlich-industriellen Vorzeigeprojekten der DDR. Insgesamt zehn Ebenen unterteilen das aus zwei Betonkuben bestehende Gebäude, Getreide und Raps wurden eingelagert. Experten bezeichnen die 5000 Tonnen fassende Konstruktion als typisches Zellensilo. Im SED-Staat hatten solche Vorhaben eine ideologische Funktion: Sie symbolisierten den Aufschwung und die Industrialisierung der Provinz.

Nun hat der Sozialismus doch nicht gesiegt und der denkmalgeschützte Speicher stand nach der Wende erst einmal leer. In Berlin hätten sich Partyorganisatoren gefunden und den Industrieort zum Technoclub umgewandelt. Aber Gramzow liegt etwa 100 Kilometer entfernt, soweit fährt man höchstens zur Fusion.  Eine Weile gab es für das Objekt kein Konzept,  Müll wurde hier entsorgt und Vandalismus kam hinzu. Frank Wiemeyer, den gelernten Papiermacher aus Schwedt, hat der schleichende Verfall des Speichers gesorgt, aber nicht entmutigt. Er verliebte sich in das Gebäude und kaufte es 2016 zusammen mit seiner Partnerin Manuela Busch. 

Speicher Gramzow: Das Gebäude selbst ist ein Museum

Das Paar setzte alle Hebel in Bewegung und sorgte für ein Wunder, besser, die Wiederauferstehung des Industriedenkmals. Freunde, Nachbarn, das Eisenbahnmuseum und die Gemeinde, alle halfen bei den Sanierungsarbeiten mit. Dann gab es eine Finanzspritze vom Europäischen Landwirtschaftsfonds. 

Es lohnte sich! Die Lichtinstallation aus dem Jahr 1957 funktioniert wieder, die Räume sind aufwendig wiederhergerichtet, der Charme der alten Zeiten ist aber noch spürbar. Das Gebäude selbst ist ein Museum, doch das reichte Wiemeyer und Busch nicht, sie wollten den Speicher zu einem lebendigen Ort machen und es ist ein Kulturort der Superlative entstanden, mit 2.800 Quadratmetern Ausstellungsfläche und einer großen Freifläche. Idyllisch in der Uckermark gelegen, hat man es zu Badeseen nicht weit, der Unterucker- und der Oberuckersee sind gleich nebenan. Die Kleinen können sich bei den alten Eisenbahnen vergnügen und sonntags kann man am Sternhagener See in der Seenfischerei Trellert vorbeischauen.

Der Getreidespeicher stand einst für den Aufschwung der DDR und ist heute Kulturgut. Foto: Frank Wiemeyer
Der Getreidespeicher Gramzow stand einst für den Aufschwung der DDR und ist heute Kulturgut. Foto: Frank Wiemeyer

Das Herzstück des Ausflugs nach Gramzow sollte aber der Speicher selbst sein. Aktuell ist dort noch bis zum 10. September, die Gruppenausstellung „#instagramzow“ zu sehen. Mit zwei Dutzend Positionen zur zeitgenössischen Fotografie, Zeichnung und Malerei. Darunter die sozialkritische Reportage der Rostocker Fotografin Isabel Kittler, die das traumatische Schicksal einer Frau dokumentierte, die ihre Kindheit im Heim verbrachte und als Teenagerin Mutter wurde, oder die von der Bauhaus-Architektur inspirierten Bilder des Zosseners Swen Bernitz. 

Die Kunst und die Ausstellungsräume ergänzen sich kongenial, in Berlin muss man nach solchen spektakulären Orten suchen. Während der Pandemie wurden Clubs wie das Berghain erfolgreich mit Kunst bespielt, in Gramzow gewinnt man einen ähnlichen Eindruck, nur ist hier sonst kein Clubbetrieb. Was auch irgendwie okay ist.



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