Als Tesla-Mogul Elon Musk verkündete, im brandenburgischen Grünheide seine Gigafactory bauen zu wollen, formierte sich eine seltsame Allianz: Der Nabu tat sich mit der AfD zusammen, die Aktivisten von Hambi bleibt und Ende Gelände mischten auch mit. Unser Autor hat den Protest gegen die „besorgten Bürger“ organisiert – und seine erste Demonstration angemeldet
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat für Tesla entschieden. Die Rodung des Waldes in Grünheide kann weitergehen. Innerhalb der Grünen Liga fordert die Landesgruppe Lausitz mittlerweile einen Rücktritt des Vorsitzenden Heinz-Herwig Mascher, der die Klage in die Wege geleitet hat. Scheinbar ohne Absprache Ich weiß noch nicht, ob ich jetzt aufatmen kann. Denn weiterhin hat Tesla viele Gegner. Aber der Reihe nach.
Die Nachricht hatte mich auf dem Weg zur Arbeit in der Regionalbahn 1 zwischen Erkner und Ostkreuz erreicht: Der Autobauer Tesla will seine nächste Gigafactory in Grünheide bauen. Ein Freund schickte mir die Info. Tesla, war das nicht diese Firma in den USA, die teure Elektroautos baut? Ungläubig durchforstete ich die Nachrichten. Elon Musk in Grünheide? „Was will ein Amerikaner in dieser Frustregion?“, schrieb ich bei Facebook. Mir dämmerte, dass sich ab jetzt einiges ändern würde.
All das nahm im November 2019 seinen Anfang, also vor nicht mal drei Monaten. Ich war überrascht, wie positiv die meisten im Ort die Nachricht aufgenommen hatten. Euphorie wäre das falsche Wort, aber als optimistisch-interessiert würde ich die Anfangsstimmung beschreiben. Bis die ersten Falschmeldungen bei Facebook eintrafen.
Insbesondere die AfD fing an, Stimmung zu machen. Die Argumente wurden immer absurder, der Optimismus entwickelte sich zu Skepsis. Die Natur würde zerstört, das Wasser abgegraben. Und überhaupt sei die Fabrik ja nur für die Polen. Uff.
Im sonst so harmonischen Grünheide-Forum bei Facebook ging der Streit los. Die AfD hatte es mal wieder geschafft, Ängste zu schüren und eine Gemeinde zu spalten. Nur zu Info: Bei dem Wald handelt es sich um einen vertrockneten Kiefernforst an einer dreispurigen Autobahn. Daneben ein Logistikzentrum von Edeka und Lidl. Nachts finden Autorennen statt. Keine direkten Anwohner leben hier. Leider folgte wenig Aufklärung seitens der Landesregierung – und so fielen die Gerüchte der rechten Scharfmacher auf fruchtbaren Boden.
Die Weihnachtszeit begann und es schien, dass es trotzdem keine nennenswerten Proteste geben würde. Bis etwas geschah, was ich bis heute nur schwer begreifen kann. Der Nabu in Fürstenwalde tat sich mit den „besorgten Bürgern“ zusammen und organisierte „Waldspaziergänge“ – obwohl der Dachverband in die Planungen mit Tesla eingebunden war und sich auch nicht grundsätzlich gegen das Werk äußerte. Angeblich wusste die Vorsitzende Nadine Rothmaier nicht, wer da bei ihr mitlief. In Grünheide wusste man es. „Focus Online“ fragte, ob nun Proteste „wie im Hambacher Forst“ drohten.
Demo-Organisation über Nacht
Als dann wenige Tage später ein Flyer im Briefkasten auftauchte, der mit populistischen Parolen zu einer Demo gegen Tesla aufrief, spürte ich den Impuls, die Sache nicht mehr irgendwelchen Wutbürgen zu überlassen. Zum ersten Mal in meinem Leben beschloss ich, mit der Familie eine Demo anzumelden. Nicht gegen, sondern für Tesla.
„Gestalten statt verhindern“ nannten wir die Veranstaltung spontan. Eine Kollegin aus der Grafik gestaltete über Nacht den Flyer. Nur bis 11 Uhr morgens blieb noch Zeit, die Kundgebung anzuzeigen, da die Behörde über eine Demo 48 Stunden vorher in Kenntnis gesetzt werden sollte. Nach fünf Minuten war die Onlinemaske ausgefüllt und eine Stunde später rief eine Frau der Versammlungsbehörde an.
Wir einigten uns auf den Versammlungsort und waren zuversichtlich, dass es nicht zu Auseinandersetzungen kommen würde. Mit humorvollen Schildern („Elon, ich will ein Auto von dir“) wollten wir einen positiven Dreh finden. Es hat nicht geklappt. Die Teilnehmer der Anti-Tesla-Demo waren erschreckend aggressiv. „Hängt ihn!“, hieß es in Richtung Bürgermeister, „Mörderfabrik“ war auf Schildern zu lesen. Uns 50 Teilnehmern der Pro-Tesla-Demo zeigte man den Stinkefinger. Am Ende ermittelte der Staatsschutz. Was ist hier los? Mit wem hatten wir es zu tun?, fragten wir uns.
Es dauerte einige Tage, bis wir Gewissheit hatten: ARD Panorama hatte die Gegner begleitet und neben besorgten Rentnern Christoph Berndt entdeckt – den Gründer der nationalistischen Vereinigung „Zukunft Heimat“ mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Der AfD-Politiker organisierte in Cottbus Demos gegen Flüchtlinge mit tausenden Teilnehmern. Es ist wohl nicht übertrieben, zu sagen: Wir waren geschockt.
Doch auch andere hatten den Beitrag gesehen und in Grünheide, wo es anfangs noch Zurückhaltung gegeben hatte, setzte eine Welle der Solidarität ein. Demagogen sollten nicht länger das Bild Grünheides in der Öffentlichkeit prägen, sagten mir viele in privaten Gesprächen. Tausende Flyer wurden von Anwohnern gedruckt und verteilt. Die Freiwillige Feuerwehr stellte ihre Musikanlage zur Verfügung, ein Gastronom brachte eine Feldküche mit Suppe und Kaffee vorbei. Unsere Demo eine Woche später hatte statt 50 fast 300 Teilnehmer. Für einen Ort mit 2.000 Einwohnern ist das eine Menge.
Ende Februar/Anfang März beginnt die Brutperiode. Dann darf nicht weiter abgeholzt werden.
Parallel wuchs der Druck auf die Gegendemo mit etwa 150 Teilnehmern. Mitglieder des Nabu in Fürstenwalde distanzierten sich vom Vorstand, Fernsehteams und Michael Sauerbier von der Bild-Zeitung konfrontierten die Organisatoren mit den Verwicklungen in die rechte Szene. Bevor es überhaupt richtig losging, hatte Steffen Schorcht als Mitorganisator den Mut, die Demos abzusagen. Mit der AfD wolle man nicht länger auf die Straße gehen. Allerdings hielt man sich nicht an seine Ankündigung. Bereits eine Woche später demonstrierte man wieder mit lokalen AFD-Politikern im Wald. Jedoch ohne großen Erfolg. Zwischen 50 und 100 Personen kamen nur noch.
Mitte Februar begann Tesla, den Wald zu roden. Und wurde durch eine Beschwerde der Grünen Liga Brandenburg vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg vorläufig gestoppt. Für Tesla wird es nun knapp. Ende Februar/Anfang März beginnt die Brutperiode. Dann darf nicht weiter abgeholzt werden.
Und dann die letzte Absurdität in dem Schauspiel: Kurz nach dem OVG-Stopp saßen dann tatsächlich zwei Aktivisten, die sich Baumpirat*innen nannten, hoch oben in den Kiefern. Die Gruppen „Hambi bleibt“ und „Ende Gelände“ sandten solidarische Grüße. „Ende Gelände“ hat sich offenbar von der erfolglosen Bürgerinitiative einspannen lassen, denn es wurde auf deren nächste Demo hingewiesen, obwohl zu dem Zeitpunkt der Termin noch gar nicht öffentlich bekannt war.
Das Positive an der Geschichte: Die Follower und Fans widersprechen vehement. Ein regelrechter Shitstorm gegen Ende Gelände ist losgetreten worden. Von Klima- und Naturschützern gegen Ende Gelände. Die lassen sich zum Glück nicht so schnell überzeugen wie Aktivisten selbst, denen es vor allem um Krawall geht.
Auch wenn es anders verkündet oder geschrieben wurde: Grünheide hat sich wegen Tesla nicht spalten lassen. Im Gegenteil. Die Bürgerinitiative hat ihren Protest nach Erkner verlagert, hofft nun dort auf mehr Zuspruch. Allerdings dürfte bis zum Samstag der Wald längst gerodet sein. Man darf gespannt sein, wie viele dann noch auf die Straße gehen.