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Wölfe in Brandenburg – Wolfsfreunde und Gegner haben sich in Stellung gebracht

Die Wölfe aus Brandenburg kommen Berlin näher, Anfang Oktober erst wurde ein Rudel innerhalb des Berliner Rings gesehen, in der Döberitzer Heide. Die ist keine 30 Kilometer vom Alexanderplatz entfernt. Das Zusammenleben mit den streng geschützten Raubtieren fordert Bürger und Ämter heraus. Es wäre höchste Zeit für eine aktive Berliner Wolfspolitik.

Ein Wolf im Wildtierpark Schorfheide in Brandenburg. Foto: Imago/Bernd Friedel
Ein Wolf im Wildtierpark Schorfheide in Brandenburg. Foto: Imago/Bernd Friedel

Rückkehr der Wölfe ins Berliner Umland schon lange Politikum

Von Potsdam-Mittelmark bis in den Oder-Spree-Kreis ziehen sich die Reviere der Raubtiere, die noch vor zwei Jahrzehnten hierzulande als nahezu ausgerottet galten. Zuletzt sind in Brandenburg 59 Rudel und zehn Paare nachgewiesen worden, dazu kommen mehrere Einzelgänger. Ganz genau weiß das jedoch niemand. Die scheuen Tiere sind nur selten zu sehen und meist nachts unterwegs, und das Wolfsmonitoring des Landes erfasst nicht jedes Tier.

Die Rückkehr der Wölfe ist ein Politikum. Seit der deutschen Einheit stehen die Tiere in ganz Deutschland unter strengem Schutz, und seit dem Abbau der Grenzen im Osten können sie von Polen über die Oder nach Deutschland schwimmen und westwärts wandern. Bis zu 70 Kilometer schafft ein ausgewachsenes Tier in einer Nacht. Einige Wölfe sind bis nach Dänemark gelangt. Diese Geschwindigkeit hat sogar Experten überrascht. Und sie gefällt nicht jedem. Wölfe können Schafe und junge Pferde reißen oder sich auf frei laufende Hunde stürzen.

An Wölfen scheiden sich Geister und Milieus: Ost von West, Praktiker von Akademikern, Wildtierbiologinnen von konventionellen Jägern. Bis in die Bundespolitik haben es die Wölfe geschafft. Seit 2016 existiert ein vom Umweltministerium und Bundesnaturschutzamt initiiertes Wolfs-Beratungszentrum, das alle einschlägigen Daten sammelt. Landesbehörden können darauf zugreifen, um koordiniert auf Wölfe zu reagieren.

Einzelsichtungen in den Müggelbergen und bei Kladow

In Brandenburg geschieht das regelmäßig, doch wie sieht die Situation in Berlin aus? Auf dem Gebiet der Hauptstadt kommt es gelegentlich zu Einzelsichtungen, etwa in den Müggelbergen oder bei Kladow und vor Spandau, wo sich die Döberitzer Heide erstreckt. In der Heide ist Anfang Oktober ein Rudel gesichtet worden: zwei Alttiere mit vier Jungen. Sie leben im Naturschutzgebiet, auf den Flächen der Heinz-Sielmann-Stiftung. An seine Grenzen stoßen die Ortschaften von Staacken, Glienicke und Falkensee mit Dallgow-Döberitz, einem Schwerpunkt für Pferdezucht und Reitsport.

Wölfe in Brandenburg. Foto: Imago/Bernd Friedel
Wölfe in Brandenburg. Foto: Imago/Bernd Friedel

Ob die Wölfe weiter Richtung Berlin andern werden, ist offen. Im Frühjahr 2020 wurde eine junge Wölfin im Berliner Stadtgebiet dokumentiert, doch Beweise wie Fotos von Spuren im Sand oder Proben von den wolfstypischen Kothaufen mit Wildschweinborsten oder Rehknochen darin sind rar. Berlin sei „Wolfs-Erwartungsland“, sagt beispielsweise ein Experte vom Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung. Bei der Berliner Umweltverwaltung heißt es dagegen „Wolfs-Durchzugsland“. Wölfe bräuchten für Reviere weite, menschenleere Flächen, die Berlin nicht hat.

Vor der Stadt aber häufen sich Belege und Hinweise dafür, dass die Tiere näher rücken. Jedes Jahr werden in Brandenburg etwa zehn Wölfe überfahren, die meisten in der Umgebung von Werder und Beelitz. Dort wurde im Winter 2017 auch erstmals ein Wolf innerhalb des Berliner Rings gesichtet, 2018 folgten Meldungen über eine Sichtung in der Nähe von Werneuchen, 2020 sahen Anwohner einen Wolf durch Adlershof streifen.

7.000 Hektar – Revier einer einzigen Wolfsfamilie

Wer wissen will, wie Wölfe vor Berlin leben, kann beispielsweise Andreas Hauffe folgen, einem der ehrenamtlichen Brandenburger Wolfsbeauftragten. Hauptberuflich ist er bei der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg zuständig für deren Liegenschaften. Hauffe führt in ein Arreal zwischen Treuenbritzen und Luckenwalde, wo Wald, Heide und Flur bis zum Horizont reichen, ein Gelände, das die Stiftung der Wildnis überlässt, über 7.000 Hektar. Hier dirigierten russische Offiziere Artillerie durchs Gelände. Wo die Panzer wühlten, ist bis heute kaum Gras über den Sand gewachsen. Es ist das Revier einer Wolfsfamilie, doch nicht jede Wanderung führt zu Spuren. Am besten lassen sie sich auf den Sandpisten finden, die auch Wölfe nutzen, um schnell voranzukommen.

Wölfe in Brandenburg: Zwei junge Wölfe im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in der Schorfheide. Foto: Imago/Hohlfeld
Zwei junge Wölfe im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in der Schorfheide. Foto: Imago/Hohlfeld

Zugewanderten Wölfe müssen sich in relativ dicht besiedelte Umgebungen einpassen. Landwirtschaft, Städte, Industrieareale, Autobahnen und Landstraßen prägen das Berliner Umland. Trotz der vielen Wälder herrschen keine idealen Bedingungen für die scheuen Tiere, aber noch gehen sich Mensch und Wölfe weitgehend aus dem Weg. In Niedersachsen ist das Problem größer. Das agrarisch geprägte Bundesland ließ sein Wolfsmanagement lang schleifen. Es gibt Berichte über Menschen, die im Wald hautnahe Begegnungen mit Wölfen hatten, Anfragen im Parlament, viele Pressemitteilungen des Umweltministers und sogar Meldungen von Abschüssen. Wenn ein Bundesland sich nicht angemessen auf die Rückkehr der Wölfe vorbereitet hat, droht Aufruhr. Auch in Berlin haben sich Wolfsgegner in Stellung gebracht. So gibt es die Internetseite „Wolf – Nein Danke!“ von Marco Hilwert: Der Berliner Autor hat bereits 2015 in der Zeitschrift „Unsere Jagd“ für die kontinuierliche Bejagung plädiert, da die Tiere nur so ihre Scheu vor Menschen behielten.

In der Praxis kommt es zu einer legalen „Entnahme“ oder sogar einem Abschuss wie in Niedersachsen, wenn ein Wolf verhaltensauffällig geworden und Menschen zu nahe gekommen ist. Es kann sich dabei um Tiere handeln, die für Amateuraufnahmen angefüttert wurden und so ihre Scheu vor Menschen verloren oder die gelernt haben, Herdenschutzmaßnahmen zu überwinden und Schäden im fünfstelligen Bereich verursacht haben. Doch immer wieder kommt es auch zu illegalen Abschüssen oder anderen Tötungen der geschütztenTiere, eine Straftat, auf die bis zu fünf Jahren Haft oder 50.000 Euro Geldstrafe stehen können. Zuletzt wurden Ende September zwei tote Wölfe am Ufer der Elbe bei Ludwigslust gefunden. Die Polizei im Landkreis Ludwigslust-Parchim ermittelt laut dpa wegen des Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Die toten Raubtiere sollen unweit von Boizenburg angespült worden sein, Naturschützer hätten die Polizei informiert.

Keine Essensreste, nicht auf Waldwegen, nicht in Mülleimern

„Der Wolf ist weder böse wie im Märchen von Rotkäppchen noch ein Kuscheltier“, heißt es vom Deutschen Jagdverband. Er sei ein anpassungsfähiger Allesfresser, im schlimmsten Falle ein Kulturfolger. Die Gewöhnung von Wölfen an Menschen stelle die größte Gefahr für beide Seiten dar. Füchse und Wildschweine sind in Berlin eingewandert, weil sie überall etwas zu fressen finden. Soll ihnen nicht der eine oder andere Wolf in die Vororte folgen, hieße das: keine Essensreste nirgendwo, nicht auf Waldwegen, nicht in Mülleimern. Und vor allem: niemals anfüttern.

Die Mitarbeitenden der Berliner Behörden wissen, wie sich auf die Ankunft der Wölfe reagieren lässt: Berlin hat am Brandenburger Wolfsmanagementplan mitgewirkt. Darin enthalten sind Beratung für Haltende von Weidetieren, Fördermaßnahmen für Schutz vor Wölfen (wie spezielle Zäune), Schadensausgleich (etwa für den Verlust von Weidetieren) und andere Punkte, die das Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf erleichtern sollen. Auch Öffentlichkeitsarbeit ist darin als eine Säule des Wolfsmanagements verankert. Doch bis jetzt hat die Senatsverwaltung für Umwelt das Thema Wolf weitgehend beiseite gelassen. Will Berlin den Artenschutz ernst nehmen, muss die Aufklärung endlich beginnen.


Wölfe in Brandenburg – Weitere Informationen

Landesamt für Umwelt www.lfu.brandenburg.de
Naturschutzbund Brandenburg www.brandenburg.nabu.de
Landesjagdverband Brandenburg www.lhj.brandenburg.de


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