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Grenzgänge

Mauerweg-Tour von Schönholz bis Rosenthal: Indiana Jones aus Pankow

Unser Spaziergang auf dem Berliner Mauerweg führt von Schönholz bis nach Rosenthal durchs nördliche Berlin. Unser Autor begutachtete unterwegs das letzte erhaltene Teilstück der Berliner Ur-Mauer – und traf dessen Entdecker, der als „Indiana Jones von Pankow“ berühmt wurde.

Das Grüne Band bei Wilhemsruh mit dem komplett unveränderten Grenztruppenbetriebshof im Hintergrund. Foto: F. Anthea Schaap

Der Weg führt von Schönholz vorbei an der Ur-Mauer

Diese Etappe beginnt am S-Bahnhof Schönholz. Hier treffen sich Pankow und Reinickendorf, der wuselige Wedding endet, die Provinz beginnt. Auf den Straßen ist trotzdem noch viel Verkehr, Menschen sieht man dafür kaum, die S-Bahn donnert im Hintergrund. Eigentlich führt der Mauerweg nach Nordwesten, Richtung Wilhelmsruh und Märkisches Viertel, doch erst einmal mache ich einen kurzen Abstecher nach Osten.

Nur wenige hundert Meter vom S-Bahnhof, entlang der Gleise auf nördlicher Seite, am Aldi vorbei, stößt man in einem verwilderten Wäldchen auf eine historische Sensation: das letzte noch existierende Stück der Berliner Ur-Mauer. Hier treffe ich den Entdecker dieses vergessenen Relikts, den Hobby-Archäologen Christian Bormann.

Der große, energiegeladene Mann, Jahrgang 1980, ist rauchend in seinem mit Aufklebern der „Pankower Chronik“ verzierten Smart unterwegs. Auf der Website dokumentiert er Dutzende historischer Anekdoten rund um die Geschichte Pankows. Offiziell ist er Heimatforscher, ein Amateur, dessen Leidenschaft und angesammeltes Wissen aber so manchen „echten“ Historiker und Archäologen in den Schatten stellen. Mittlerweile wird er auch von Wissenschaftlern konsultiert und zu Konferenzen eingeladen. Bormann kennt jedes Haus, Keller, Tunnel, Friedhof und Freifläche in Pankow.

Sogar die „Washington Post“ hatte berichtet

Schon als Kind hat der gebürtige Pankower seinen Bezirk erkundet und ist in jede Ruine gestiegen und in jedes Loch geklettert. Als er seine bekannteste Entdeckung publik machte, ging die Story von der Ur-Mauer um die Welt, Bormann bekam den Bei­namen „Indiana Jones von Pankow“ und sogar die „Washington Post“ hat von den Überresten der ersten, aus Ziegeln errichteten Berlin Wall berichtet – der Mauer aus der ersten Bauphase; die Mauer aus Beton-Fertigteilen, die man kennt, ist aus der zweiten und dritten Bauphase.

„1987 hat die DDR noch versucht, an Devisen ranzukommen und hat Grundstücke in Mauernähe an West-Berlin verkauft, unter anderem auch das Dreieck am S-Bahnhof Schönholz, auf dem der Rest der Ur-Mauer steht“, erklärt Bormann. Als man nach der Wende die Mauer abgetragen hat, wurden die neueren Karten von 1990 genommen und dabei hat man übersehen, dass dieses Dreieck mal Staatsgebiet der DDR war und darauf Teile der Mauer standen.Heute ist das neuerdings abgesperrte Gelände verwildert, die Mauerstücke mit Graffiti übersät. Man gelangt nur über einen kleinen Trampelpfad dorthin. „Es soll mal eine Begegnungsstätte für Schüler und Touristen werden und wir versuchen, dafür das europäische Kulturerbe-Siegel zu bekommen“, sagt Bormann.

Wir laufen weiter. „Dort hinten am Friedhof neben dem Bürgerpark gab es mal einen spektakulären Fluchtversuch. Da hat ein Mann 1962 einen Tunnel gegraben, nur um seine Frau rauszuholen.“ Auch diese romantische Fluchtgeschichte vom „Pankower Friedhoftunnel“ hat Bormann auf seiner Seite beschrieben. Es gibt kaum etwas, was er nicht weiß.

Eine leere Villa direkt am Mauerweg an der Provinzstraße

Folgt man den kleinen „Berliner Mauerweg“-Schildern, sieht man am Ende der Provinzstraße eine große leere Villa. Auch hier weiß Bormann Bescheid: „Der Pankower Friedhof wurde teilweise abgetragen und darauf der Todesstreifen errichtet“, sagt er. „Alle Leichen, die weniger als sieben Jahre in der Erde waren, hat man exhumiert und erst einmal für zwei Wochen in dieser Villa im Keller deponiert. Zeitzeugen erinnern sich an einen bestialischen Gestank, seitdem heißt der Prachtbau im Volksmund ,Leichenvilla‘. Heute gehört sie Mosambik, doch das Geld für den Ausbau zur Botschaft fehlt dem afrikanischen Land.“

Natur am Wegesrand auf unserer Tour entlang des Mauerwegs von Schönholz bis Rosenthal. Foto: F. Anthea Schaap

Es geht an Einfamilienhäusern vorbei, die Gegend wirkt fast dörflich, zugleich aber auch etwas unfertig. Ich verabschiede mich von Christian Bormann und laufe allein weiter.

Der Mauerweg macht einen Knick und man folgt einem Pfad entlang der S-Bahn. Der hohe Bahndamm wird vom Weg durch einen flachen Zaun getrennt, an der Brücke erinnern eine Tafel und ein Kreuz an das Maueropfer Horst Frank. Der 19-Jährige wurde 1962 an dieser Stelle erschossen.

Birkenhaine, Bauflächen, Gartenlauben. Schilder warnen vor bissigen Hunden. Es geht immer geradeaus bis zur Kopenhagener Straße und dem S-Bahnhof Wilhelmsruh. Dort steht ein altes Umspannwerk, ein beeindruckendes Industrie-Architekturdenkmal, das weder Club noch Kunstzentrum ist, sondern immer noch der Energieversorgung dient. Gegenüber befindet sich ein zerfallender Werk- und Lagerhof der DDR-Grenztruppen.

Bergmann-Borsig-Werke: Hier lagert Rammstein-Equipment

Weiter geht es an der S-Bahn entlang, immer noch viele Birken, dahinter einige Neubauten, rechts ein Zaun und eine kleine Tür. Geht man hindurch, steht man auf dem ehemaligen Areal der Bergmann-Borsig-Werke. Heute sind die riesigen Hallen aus rotem Backstein saniert. Hinter großen Fensterscheiben sitzen bärtige Hipster mit großen Kopfhörern und schauen auf Monitore. In einer Halle residiert der Konzerttechnik-Ausstatter Black Box Music und auch Rammstein haben hier ihre Privat-Hallen, in denen sie ihr Equipment und die Pyro-Technik lagern. Am Ende liegen die Werkhallen des Schienenfahrzeug-Herstellers Stadler, dann biegt man rechts in die Heinz-Brandt-Straße und folgt dem beschaulichen Nordgraben, der für die Wasserregulierung der Panke von großer Bedeutung ist.

Mauer-Tour von Schönholz bis Rosenthal: M1 in freier Wildbahn. Foto: F. Anthea Schaap
Mauer-Tour von Schönholz bis Rosenthal: M1 in freier Wildbahn. Foto: F. Anthea Schaap

Wieder mehr Verkehr, der Pankower Industriepark auf der einen, das beginnende Märkische Viertel auf der anderen Seite. Der Nordgraben führt im Winter nur wenig Wasser, ein eher trister Anblick. Nach einer Weile geht es über eine kleine Brücke an den Schienen der alten Nordbahn vorbei. Plötzlich wähnt man sich weit weg. Anwohner spazieren mit ihren Hunden, die hohen Wohntürme des Westens überragen die Einfamilienhäuser auf der östlichen Seite. So richtig ist hier noch nichts zusammengewachsen.

Kurz hinter der Quickborner Straße stößt man auf das Bodendenkmal des „Rosenthaler Wohnturms“, eines hohen Hauses aus dem 13. Jahrhundert. Übereinanderwohnen hat hier Tradition. Mit der M1 geht es zurück ins Zentrum.

Dieser Text stammt aus unserem Buch „Grenzgänge – 25 Wanderungen auf dem Berliner Mauerweg“, das ihr im Shop von tipBerlin kaufen könnt.


Schönholz bis Rosenthal: Empfehlungen an der Tour

Die Ur-Mauer Das Stück der Mauer aus der ersten Bauphase im Jahr 1961 ist etwa 80 Meter lang.  Die Ziegelwand befindet sich südwestlich der Schönholzer Heide. Glaubt man dem Entdecker Christian Bormann, ist es das letzte erhaltene Stück der Ur-Mauer, das aus Resten von Mietshäusern  gebaut wurde.

  • Provinzstraße, 13158 Berlin, hinter den S-Bahn-Gleisen durch und rechts rein

Restaurant Heideröschen Direkt an der Schönholzer Heide, nahe dem Ehrenmal Schönholz gelegen, speist man hier umgeben von Wald.

  • Waldsteg 65, 13158 Berlin, www.heideroeschen-restaurant.de

Das Grüne Band Alles neu, alles schön. Aus einem wilden Areal mit Pionier­birkenwald, steppenartig bewachsenen Freiflächen, unterhöhlt von Kaninchen­bauten und nur auf Trampelpfaden passierbar, wurde jetzt eine gepflegte Parkanlage mit gutem Asphaltband für Fußgänger, Inline-Skater und Fahrradfahrer.

  • Zwischen Klemke- und Kopenhagener Straße, 13409 Berlin

Altes Industriegelände Das Areal der Bergmann-Borsig-Werke  entlang der Hertzstraße auf Höhe der Nummer 71 befindet sich am Mauerweg zwischen den S-Bahnhöfen Wilhelmsruh und Wittenau. In den teilweise schick restaurierten Hallen residieren neben hippen Startups auch der Plattengroßhändler recordsale.de und der Teedistributor 5 Cups and some sugar. Außerdem ist auf dem Gelände auch die Halle, in der die Brachial-Rocker Rammstein ihre Sound- und Pyro-Ausrüstung aufbewahren und wo sich der Fanshop der Band befindet. Dieser hat aber leider sehr unregelmäßige Öffnungszeiten.

  • Hertzstraße 71, 13158 Berlin

Rosenthaler Wohnturm Der Rosenthaler Wohnturm befindet sich in der Nähe des Angers im Ortsteil Rosenthal; er stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. 1998  wurden östlich der Rosenthaler Dorfkirche die Reste des Feldsteinfundamentes entdeckt und gelten seit 2012 als Bodendenkmal.


Mehr Spaziergänge

Weitere Mauerweg-Touren aus unserem Buch „Grenzgänge“ findet ihr hier. Unbedingt besuchen: die Gedenkstätte Berliner Mauer. Am Wasser entlang, durch Wälder und wunderbare Weiten: 12 schöne Spaziergänge im Osten Berlins. Für Fans der Natur: Unsere Tipps für schöne Waldspaziergänge in Berlin findet ihr hier. Wenn die richtige Strecke nicht dabei ist, haben wir noch mehr schöne Spaziergänge in der Natur und in der Stadt für euch. Am schönsten, wenn die Sonne scheint: 12 tolle Spaziergänge durch Berlin im Sommer. Immer neue Ideen findet ihr in unserer Rubrik „Ausflüge“.

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