Einmal Richtung Osten, bitte! Ende 2025 verkehren alle zwei Stunden Züge zwischen Berlin und Warschau. Die Fahrt im bequemen IC dauert gute fünf Stunden – viel schneller ist man nach München oder Köln auch nicht. Dafür bietet die polnische Hauptstadt einige Überraschungen, unbedingt auch kulinarischer Natur.

Wer Warschau aus den 1990er-Jahren kennt, erinnert sich an graue Straßen, den schmuddeligen Hauptbahnhof und menschenverlassene Einöden im Zentrum der Stadt. Tatsächlich war die im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstörte und nach 40 Jahren real existierendem Sozialismus heruntergewirtschaftete Metropole eine traurige Angelegenheit. In den Nullerjahren begann langsam der Aufschwung. Die Kunst- und Kulturszene brodelte, die Wirtschaft zog an, Haus um Haus wurde saniert, spektakuläre Architektur entstand, man entdeckte den Fluss neu, und auch die heruntergekommenen Bezirke am südlichen Ufer der Weichsel erlebten den klassischen Wandel vom Party- und Subkultur-Hotspot zum angesagten und angenehmen Wohnquartier.
Die kulinarische Szene gedieh parallel dazu. Polen – vor allem in Deutschland eher nicht für exquisites Essen und trendige Restaurants bekannt – holte im Eiltempo den Rest der EU ein. Die Vorurteile, mit denen man hierzulande polnisches Essen bedachte, greifen nicht mehr – in Warschau schon gar nicht. Von wegen Kartoffeln, Fleisch und braune Soße! Selbstbewusst erfindet sich die polnische Gastronomie neu und mischt nun auch im Sternenhimmel mit. Ganz oben in der Fine-Dining-Liste steht schon längere Zeit das Atelier Amaro, ein Michelin-Sterne-Restaurant, das die polnische Küche auf moderne Weise interpretiert. Ebenso überzeugt das elegante Senses mit raffinierten Kreationen. Im Amber Room treffen polnische und internationale Einflüsse aufeinander und verschmelzen zu einer einzigartigen Erfahrung. Das Atelier Red & Wine, ebenfalls mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, besticht durch das virtuose Pairing von Wein und Essen. Im gehobenen Segment ist auch La Rotisserie zu erwähnen – ein charmantes Restaurant, in dem wiederum traditionelle und moderne Elemente aufeinandertreffen.
Während im ganzen Land die Weinproduktion anläuft und in jeder Saison neue, junge und ambitionierte Winzer an den Start gehen und Polen auf die europäische Weinkarte bringen, experimentieren die Köche mit dem kulinarischen Erbe des Landes.

Da wäre etwa das sehr feine Restaurant Opasły Tom, ein schwer zu übersetzender Name, der auf die Warschauer Literaturgeschichte verweist. Einst residierte in dem Gebäude eine berühmte Buchhandlung, heute hat das umtriebige Gastronomen-Ehepaar Agnieszka Kręglicka und Piotr Petryka dort ein sehr schickes Restaurant zwischen Fine Dining und entspannter Artmosphäre etabliert. Der Innenraum ist in Beige- und Dunkelbrauntönen gehalten. Es gibt zwei Räume – einen zur Straße hin und einen im hinteren Teil des Restaurants mit Blick auf die halboffene Küche. Serviert werden polnische Klassiker wie Beefsteak Tatar oder Pierogi, immer exquisit, aber auch Papardelle mit Wildschweinragout oder Ravioli mit Ricotta und Spinat. Überwältigend ist auch die Weinkarte mit einer hervorragenden Auswahl junger polnischer Weile. Kein Wunder, steht das Paar schließlich auch hinter dem renommierten polnischen Weinfestival „Białe Czerwone“.
Noch klassischer und polnischer geht es im sehr polnischen und sehr klassischen Edelrestaurant U Wieniawy zu. Namenspate ist diesmal ein polnischer General und Satiriker aus der Zwischenkriegszeit. Das Interieur kombiniert einen eleganten Raum dekoriert mit Karikaturen, alten Fotos und Gemälden aus den 1920er-Jahren. Die Speisekarte bietet einmal mehr die polnischen Hits: rote Beete, zart gebratenes Fleisch, Fischspezialitäten, Pilze und Kalbgehacktes. Hier treffen sich polnische Stars, hier speisen Politiker und bekannte Schauspieler, wer etwas vom Warschauer Who-is-Who-Ambiente erleben will, ist im U Wieniawy goldrichtig.

In Ufernähe an der Weichsel ist das Restaurant The Eatery gelegen. Der englisch klingende Name sollte nicht verwirren, das Restaurant versprüht den retro-modernen Charme der sozialistischen Sixties und bietet mit Hering, Gürkchen, Schmalz und Gemüsesalat auf den ersten Blick solide Hausmannskost. Doch das junge Team verleiht diesen altbekannten Produkten einen frischen Twist. Ein Geheimtipp!
Auch jenseits der Restaurants lässt sich Warschau genießen, etwa im Trinkschokoladenparadies E. Wedel, wo man sich wie in Wien des 19. Jahrhunderts fühlt oder in den Browary Warszawskie, den Warschauer Brauereien, wo eine junge Brauergeneration mit zum Teil sehr alten Sorten experimentieren, etwa dem urpolnischen Rauchbier, hier gibt es Craft Beer auf höchsten Niveau. Überall brodelt es und man spürt die Energie der Stadt an jeder Ecke. Zeit wird’s, dass das auch Berlin erfährt!
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