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Auslandssemester in Nepal: Kathmandu in nicht so luftiger Höhe

Lena Vögele, 28, studiert Media and Visual Anthropology und hat ihr Auslandssemester in Nepals Hauptstadt Kathmandu verbracht. Die Landschaft sei wunderschön, sagt sie, aber die Luftverschmutzung krasser als in China.


Schöne Natur und schlechte Luft: Auslandssemester in Kathmandu.
Schöne Natur und schlechte Luft: Kathmandu. Foto: imago images/imagebroker

Wer eine Reise tut, kann viel erzählen. In meinem Studienfach Media and Visual Anthropology geht es darum, fremde Kulturen kennenzulernen und zu deuten. Der Medienschwerpunkt fokussiert darauf, diese Kulturen hinterher medial zu vermitteln, als Dokumentarfilme oder in Form von Online-Portalen.

Da trifft es sich gut, dass nahezu der gesamte Studiengang in Distanz zueinander stattfindet. Wir treffen uns regelmäßig in Videokonferenzen, um über Theorien zu diskutieren oder Vorträgen zu lauschen, und von wo aus das alle machen, ist jedem selbst überlassen. Sinn dieses Konzeptes ist, bereits während des Studiums in andere Kulturkreise einzutauchen und eigene Medienprojekte daraus entwickeln zu können.

Ein Auslandssemester in Nepal, um die Workshop-Blase zu verlassen

Mein erstes Reiseziel war Kathmandu. Ich hatte bereits kurz vor meinem Studium in der Hauptstadt Nepals ein Projekt namens Impactweek realisiert, also Projektwochen, in denen soziale Projekte entwickelt werden. Dabei habe ich gemeinsam mit jungen Menschen innovative Gesellschaftsprojekte konzipiert, die gesellschaftliche und ökologische Probleme beispielsweise durch die Gründung nachhaltiger Start-ups, niedrigschwelliger Apps oder Nachbarschaftsinitiativen gelöst werden.

Ich bin dann einfach dort geblieben, um auch Leute außerhalb meiner Workshop-Blase kennenzulernen. Also habe ich weitere drei Monate dort verbracht, von Oktober bis Dezember 2019.

Nicht einmal die Maske hilft gegen Smog

Landschaftlich ist Kathmandu wirklich sehr schön. Es liegt direkt am Himalaya-Gebirge, wo ich wunderschöne Wanderungen und Ausflüge ins Umland unternehmen kann. Wann immer ich die Gelegenheit hatte, habe ich das in meiner Freizeit dann aber auch wirklich getan! Denn in Kathmandu selbst ist die Luftverschmutzung einfach nicht auszuhalten. Ständig dieser Smog! Das habe ich nicht einmal in China als so schlimm empfunden.

Ich hatte eine Maske mit einem Filter aus einer Apotheke in Deutschland dabei, wie man sie jetzt wegen Corona ja häufiger auch bei uns sieht. Und nicht einmal die geholfen.

Ständig hört man auf den Straßen, wie die Leute würgen, weil der Smog die Lungen so blockiert – als würde man unter einer Motorhaube liegen. Sport in der Stadt machen, etwa Radfahren, ist da undenkbar. Entsprechend chaotisch ist der Straßenverkehr: Weil jeder mit dem eigenen Auto zur Arbeit kommen will, steht man ständig im Stau. Uber vermittelt nicht nur Autofahrten sondern auch Roller. Mit denen kann man sich halbwegs zügig zwischen den Autos durchschlängeln.

Chefs in Kathmandu sind männlich und autoritär

Um in Kontakt mit den Einheimischen zu kommen, habe ich gejobbt. Ich wollte meine Fähigkeiten in der Medienproduktion einbringen, und habe angeboten, Projekte einer Hilfsorganisation als Kurzfilme zu dokumentieren. Über die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus Nepal habe ich Einblicke bekommen, die mir als emanzipierte Westeuropäerin große Probleme gemacht haben. So mussten jedesmal, wenn der Chef ein Zimmer betreten hat, alle aufstehen und so lange warten, bis der Chef „Setzen“ sagt.

Aber was mich am meisten schockiert hat: Die anderen Kolleginnen – die meisten waren Frauen – waren darüber nicht etwa erbost, sondern die sahen in unserem Chef sowas wie eine autoritäre Vaterfigur. Die männliche Autorität wurde nicht sehr kritisch hinterfragt, und es war auch nicht gewünscht.

Wenn der Chef mal einen Tag lang nicht da war, wusste niemand, wie man die eigenen Aufgaben erledigen soll. Manche hatten sogar Tränen in den Augen und waren froh, wenn der Chef wieder den Raum betreten hat.

Für ein soziales Projekt wie die Impactweek würde ich wieder nach Kathmandu zurückkehren. Für ein paar Wochen mit den Einheimischen unternehmerische Lösungen zu finden, um die sozialen und ökologischen Probleme des Landes anzugehen, war eine sehr bereichernde Erfahrung. Für längere Zeit nochmal tiefer in den Alltag Kathmandus einzutauchen muss allerdings nicht sein. Als westeuropäische Studentin bin ich da wohl zu emanzipiert.

Spannend im Hinblick auf mein Studium ist allerdings, wie man eine solche sehr andere Gesellschaftsstruktur im Film portraitieren kann, ohne sich darüber zu stellen oder zu urteilen. Denn im Dokumentationsfilm sollte es ja darum gehen, dem Zuschauer oder der Zuschauerin die andere Kultur nahezubringen – und das ist nicht immer einfach.


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