Kunst

Aktuelle Ausstellungen in Berlin: Neue Kunst-Tipps und letzte Chancen

Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Die Kunstwelt ist immer in Bewegung. Was es Neues gibt, was sich weiter lohnt und wo ihr noch unbedingt hin müsst, bevor es zu spät ist, lest ihr hier. Claudia Wahjudi und Ina Hildebrandt geben Tipps für neue Kunst, die besten aktuellen Ausstellungen – und für letzte Chancen, bevor es zu spät ist.


Neue Ausstellungen

Welche Ausstellungen sind gerade neu? Hier lest ihr, was in der Kunstwelt neu eröffnet wurde und was wir kürzlich besucht haben.


Casper David Friedrich in der Alten Nationalgalerie

Caspar David Friedrich, „Abtei im Eichwald“, 1809/10Öl auf Leinwand, 110,4 x 171 cmStaatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.Foto: Andres Kilger

Wenn man eine Ausstellung dieses Jahr in Berlin sehen muss, dann diese! Zum 250. Jubiläum von Casper David Friedrich (1774–1840) feiert die Alte Nationalgalerie den großen deutschen Maler und einen der herausragendsten, wenn nicht den besten Landschaftsmaler überhaupt in der Ausstellung: „Casper David Friedrich. Unendliche Landschaften“. Zuvor hatte schon Hamburg Friedrich geehrt, Dresden wird folgen. Berlin lässt sich nicht lumpen und fährt groß auf: Über 60 Gemälde und 50 Zeichnungen Friedrichs aus dem In- und Ausland, darunter weltberühmte Werke wie das „Eismeer“, „Kreidefelsen auf Rügen“ oder der „Mönch am Meer“ sind zu sehen.

Überhaupt, diese Zeichnungen! Darin wird Friedrichs überragendes Talent noch offenbarer: selbst nur mit Kohlestift und auf flachem Papier lässt er Bäume, Pflanzen, ganze Landschaften lebendiger als jede VR-Darstellung erscheinen. Auch wenn der gebürtige Greifswalder als bedeutendster Maler der deutschen Romantik gilt, sind seine Bilder der Tiefe, Stille und unbedingten Präsenz über jede Zeitepoche erhaben und stets im Heute verankert. Neben der Präsentationen seiner ikonischen Werke steht die Wiederentdeckung der Malerei Friedrichs mit der legendären „Deutschen Jahrhundertausstellung“ 1906, seine Bilderpaare sowie der Werkprozess und seine Maltechnik im Zentrum der Ausstellung. Wir empfehlen, Tickets vorab zu buchen.

  • Alte Nationalgalerie Bodestr. 1-3, Mitte, Di–So 10–18 Uhr, 16/ 8 €, 19.4.– 4.8., Tickets

Alfred Erhardt & Rolf Titgens: Hamburger Hafen und Norddeutsche Küste“ in der Alfred Ehrhardt Stiftung

Installationsansicht zu „Alfred Erhardt & Rolf Titgens: Hamburger Hafen und Norddeutsche Küste“ in der Alfred Ehrhardt Stiftung, 2024. Foto: artland

Als emotional und facettenreich lassen sich Rolf Titgens Fotos des Hamburger Hafens beschrieben, die ihn als Ort des Übergangs zwischen Land und Wasser darstellen. So fotografiert er beispielsweise nicht nur die Schiffe und technischen Gegebenheiten des Hafens sonder auch den Handeln und das nächtliche Vergnügen, das rund um den Hafen stattfindet. Zu sehen sind die Aufnahmen des deutsch-amerikanischen Fotografen in der Alfred Erhardt Stiftung. Der Ausstellung zugrunde liegt sein Fotobuch „Der Hafen“, welches trotz seines späten Erscheinungsjahres 1939 zu den besten Beispielen für die Stilrichtung des „Neuen Sehens“ in Deutschland gehört. Wegen fehlender Negative und Originalabzüge des Hafenbuchs wurde eines der Original-Fotobücher zerschnitten, neu gerahmt und gemäß der Bildabfolge aufgehängt. In diesem Sinne läuft man als Besucher durch das Buch. Neben den Hafen-Fotografien sind ebenfalls Orginalabzüge von Titgens Aufnahmen der norddeutschen Küste und dem Elbstrand ausgestellt. Titgens Heimathafen in Hamburg, den er im Buch porträtiert, musste der Fotograf Ende 1938 verlassen, als er aufgrund seiner Homosexualität vor dem nationalsozialistischen Regime nach New York flüchtete. Im Kontrast dazu stehen die Fotografien von Alfred Ehrhardt, die erstmals in dieser Doppelausstellung präsentiert werden. Sie erfassen den Hamburger Hafen viel sachlicher und stellen ihn als Schauplatz des Industriezeitalters dar. Die Fotografien Titgens und Erhardt verbindet der Ellermann Verlag, der zu Lebzeiten Fotobücher beider Künstler veröffentlichte. Ob sie sich damals auch persönlich kannten, bleibt jedoch ein ungelöstes Rätsel. (Marie Mosebach)

  • Alfred-Erhardt-Stiftung Auguststr. 75, 10117, Di-So 11-18 Uhr, bis 7.7.

Vergessen Sie uns nicht – Julie Wolfthorn zurück in Berlin

Julie Wolfthorn, Vier Mädchen auf Waldboden, um 1907. Foto: Privatsammlung

Eine nymphenhaft erscheinende Frau mit roten, wallenden Haaren und lüsternem Blick schaut fast direkt in die Augen einer Frau in biederem grünen Kleid mit Hochsteckfrisur. Es sind die Werke „rothaarige Frau“ (undatiert) und „Frau in grünem Kleid“ (1938) der jüdischen Künstlerin Julie Wolfthorn (1864-1944), die nun im „Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V.“ gezeigt werden. Bis 1933 war Wolfthorn eine der gefragtesten Porträtmalerinnen ihrer Zeit, sie malte etwa die Schriftsteller:innen Ida und Richard Dehmel, die Schauspielerin Carola Neher, oder eben Paula Lutze, Ehefrau des SA-Stabchefs Viktor Lutze und besagte „Frau in grünem Kleid“. Vor allem ihre Frauenporträts wurden hochgelobt und sie hing mit den lebendigen, natürlichen Werken sogar in der Nationalgalerie. Deportiert und gestorben im Ghetto Theresienstadt, gehört sie als Frau und Jüdin zur „Verlorenen Generation“ und wurde von der Kunstgeschichte – wie etwa Lotte Laserstein – lange vergessen. Nun ist sie mit der kleinen Ausstellung in Schöneberg zurück in Berlin. (Ferdinand Wulff)

  • Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 Eisenacher Str. 118, Schöneberg, Do-Sa 16:00-19:00 Uhr, bis 26.5. 

„Séance“ im House

Rich Underground: Überzeugte bereits die Auftaktausstellung im House mit Hipness und guter Präsentation, so setzt die zweite Schau „Séance“ noch einen drauf. Die Spielstätte in der Friedrichstraße, zu der die ehemalige King Size Bar gehört, ebenso wie der Hinterhof, mit einem ehemaligen Schießstand der Hauptausstellungsraum und die Empfangshalle für Veranstaltungen, versprüht den in Berlin so heißgeliebten Charme der vergangenen 1990er-Jahre, die wiederum Verfall und Vergangenheit als Spielplatz für Neues abfeierten. Dahinter stehen die Künstlerischen Leiterinnen sowie Kuratorinnen Georgie Pope und Juliet Kothe. Wie der Ausstellungstitel vermuten lässt, geht es um die ebenfalls angesagten Themen Spiritualität, Unterbewusstsein, etwas Mystik und viel Ästhetik. Wie ein roter Faden ziehen sich die in Leuchtkästen präsentierten Fotografien und Collagen des US-amerikanischen Künstlers Jeff Cohen. Dazu treten Werke in Dialog etwa von Joseph Beuys, Margarete Raspé und Germaine Dulac. Sehr Berlin, sehr cool und sehr empfehlenswert.

  • House Friedrichstr. 112 B, Mitte, Do–Sa 13–19 Uhr, bis 14.6.

Marcelina Wellmer in der Kunstbrücke am Wildenbruch

Videostil aus einer Arbeit von Marcelina Wellmer. Foto: Marcelina Wellmer

Passender könnte der Ort nicht sein: direkt am Kanal gelegen, ist in der Kunstbrücke am Wildenbruch die Ausstellung „You are among us, we are among you“ von Marcelina Wellmer zu sehen und es geht um Wasser. Genauer, um urbane Gewässer und was sich darin so tummelt und welche Verbindung wir damit haben. Die polnische Künstlerin bespielt das ehemalige Klohäusschen mit digitalen Videoarbeiten, Installationen, Tonaufnahmen, Fotografien und Dokumenten. Wellmer hat sich des Themas so ernsthaft wie verspielt angenommen und schafft auch medial einen reizvollen Mix. Beim Blick aus dem Fenster erweist sich die vorbeifließende Spree als kongeniale Partnerin.

  • Kunstbrücke am Wildenbruch Wildenbruchbrücke Ecke, Weigandufer, Neukölln, Mi–So 12–18 Uhr, bis 23.6.

„Gastarbeiter 2.0“ in der NGBK 

Mila Panić, „Südostpaket“. Courtesy of the artist and eastcontemporary, Milan. Foto: Tiziano Ercoli

Egal, von welcher Ecke aus gesehen: die Ausstellung „Gastarbeiter 2.0“ bietet überraschende Blicke, und überall ergeben sich neue Verbindungen. Die zwölf teilnehmenden Künstler:innennutzen höchst unterschiedliche Materialien: Geldscheine, Kabel, Busreifen (Foto) oder Butter- und Sesamkringel. So unterhaltsam lässt sich ein ernstes Thema verhandeln: Befinden und Lebenslagen von Menschen, die von Jugoslawien sowie seinen Folgestaaten in die Bundesrepublik kamen. Es ist die bisher beste Ausstellung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) am 2023 bezogenen Ort am Alexanderplatz. Über Sprach- und Landesgrenzen hinweg verbindet die Beiträge ihr Fokus auf Arbeit, sei es Jobmigration, seien es Folgen von Erwerbstätigkeit oder Biografien von Kindern ehemaliger Gastarbeiter:innen. Gemeinsam zeugen sie von dem Eindruck ihrer Urheber:innen, als europäische Bürger:innenzweiter Klasse zu gelten. In der Diaspora kann das vereinen, ähnlich wie die gemeinsameGeschichte. Das lässt paradoxerweise hoffen: Kriege müssen nicht auf Dauer entzweien. 

NGBK Karl-Liebknecht-Str. 11/13, 1. Stock (via Rolltreppe), Mitte, Di-So 12-18, Fr 12-20 Uhr, Veranstaltungen: www.ngbk.de, bis 16.6. 


Naama Tsabar: Estuaries im Hamburger Bahnhof

Ausstellungsansicht „Naama Tsabar. Estuaries“, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 12.04-22.09.2024. Courtesy of the artist and Dvir Gallery, Paris; Kasmin Gallery, New York; Goodman Gallery, London; Nazarian / Curcio, Los Angeles; and Spinello Projects, Miami © Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin / Jacopo La Forgia

Und plötzlich fühlt man sich ganz stark. Naama Tsabar hat aus Filzbahnen, Saiten von E-Gitarren, Mikrofonen und Verstärkern in drei Sälen des Hamburgers Bahnhofs einen Parcours aufgebaut, der Besuchende auffordert, Musik und Klang zu erzeugen. Mit ihrer Ausstellung „Estuaries“  („Mündungen“) kommentiert die New Yorker Künstlerin das 20. Jahrhundert, in dem Musiker und Künstler (männliche Form) Solostars ware - wie Joseph Beuys, dessen Werke aus der Museumssammlung Kuratorin Catherin Nichols in den Nachbarsälen neu aufgebaut hat. Der Klang von Tsabars Instrumenten umspült sie. Im besseren Fall ergänzen sich die musikalischen Versuche der Besuchenden zu einem rhythmischen Klangteppich. Im Normalfall bleibt das Gefühl, mit dem Anschlagen einer Saite eine Halle zu füllen: machtvoll, sexy und irgendwie männlich. Schade nur, dass diese Möglichkeit zur Ermächtigung etwas spät kommt. Rockstars sind ja so was von 20. Jahrhundert. (cwa)

Hamburger Bahnhof Invalidenstr. 50/ 51, Tiergarten, Di, Mi, Fr 10-18, Do 10-20, Sa/So 11-18 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J. TFL + 1. So/ Monat frei, bis 22.9.


Tekla Aslanishvili in der Berlinischen Galerie

Tekla Aslanishvili, Scenes from Trial and Error, 2020, Film Still © Tekla Aslanishvili

Mit starken Bildern, krassen Interviewpassagen und sehr vielen Kenntnissen schildert Tekla Aslanishvili Zustände in ihrem Geburtsland Georgien. Die Berlinische Galerie zeigt zwei neuere Filme der Künstlerin, die in Berlin lebt und ihre Arbeiten in Museen und auf Filmfestivals zeigt. Der halbstündige Beitrag „Scenes from Trial and Error“ (2020) handelt von einem aberwitzigen Investorenprojekt, das eine Kleinstadt am Schwarzen Meer in einen Knotenpunkt der „Neuen Seidenstraße“ verwandeln soll.  Es treten aus: enttäuschte Ingenieure, ehrgeizige Businessfrauen, Straßenköter, korrupte Politiker:innen, Chines:innenund Palmen im Wind. Der rund 45-minütige Film „A State in a State“ (2022) veranschaulicht am Beispiel der georgischen Bahnlinien, die nach Aserbaidschan und in die Türkei führen (oder eigentlich: führen sollten), die geopolitischen Erschütterungen in der Region nach 1990. Im geräumigen Kinoraum des Museums lässt sich so viel Weltwissen bequem ansehen. 

Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124-128, Kreuzberg, Mi-Mo 10-18 Uhr, 10/ 6 €, bis 18 J., Geflüchtete und 1. So/ Monat frei, bis 17.6.


Stipendiaten im Künstlerhaus Bethanien

Peter Rosemann, Porträt Minha Park (Südkorea), 2023. Foto: Peter Rosemann

Viel Kunst und Vielfalt erwartet Besucher:innen erneut in einer Ausstellung von sechs ehemaligen Stipendiaten im Künstlerhaus Bethanien. So nimmt uns Sophia Bulgakova hinein in den Textnachrichtenstrom vom 24. Februar 2022 - Tag der vollen russischen Invasion in der Ukraine. Poppige Porträtfotografien zieren die Wände, Peter Rosemann fotografierte Künstlerkolleg:innen aus aller Welt. Minimalistisch und zum genauen Hinsehen auffordernd dagegen die Rauminstallartion von Una Björg Magnúsdóttir.

  • Künstlerhaus Bethanien Kottbusser Str. 10, Kreuzberg, M –Do 10 – 17/ Fr 10–16 Uhr, bis 5.5.

Franz Wanner: „Mind the Memory Gap“ und „Ré-imaginer le passé“ im Kindl-Zentrum

Foto: Jens Ziehe, 2024
Ausstellungsansicht „Ré-imaginer le passé“, KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Maschinenhaus M2, Foto: Jens Ziehe, 2024

Eine gelungene Kombination zeigt das Kindl-Zentrum für Zeitgenössische Kunst. Die Gruppenschau „Ré-imagine le passé“ (Abb.), entwickelt in Dakar, lässt zehn Künstler:innen und -gruppen von kolonialer Vergangenheit und heutigem Verhältnis zwischen Nord und Süd erzählen. Installationen, Textilarbeiten, Malerei und ein wunderbarer Duft entfalten eine sinnliche Fülle von Eindrücken, die Beziehungen zwischen Menschen, Orten und Kontinenten imaginieren lässt. Und sie ermuntert dazu, entweder Überlieferungen zu überprüfen oder Geschichten weiterzuspinnen. Franz Wanner dagegen hält sich in seiner höchst konzentrierten Einzelschau einen Stock tiefer strikt an Fakten. Wanner berichtet mit präziser Fotografie sowie Texten und Plastiken von Firmen, die im nationalsozialistischen Deutschland von Zwangsarbeit profitierten und bis heute produzieren. Dazu gehört offenbar auch die Berliner Brauerei Kindl, die im heutigen Kindl-Zentrum Bier herstellte. Die Baracken der Zwangsarbeiter standen gleich nebenan, dort, wo heute die Jobagentur Neukölln ihren Sitz hat.

  • Kindl-Zentrum Am Sudhaus 3, Neukölln, Mi 12–20, Do–So 12–18 Uhr, 7/ 4 €, bis 18 J. frei + 1. So/ Monat frei, kindl-berlin.de, Wanner bis 14.7., "Ré-imagine le passé" bis 28.7.

Noa Eshkol: No Time to Dance

© The Noa Eshkol Foundation for Movement Notation, Holon, Israel
Documentation of the model (orbit) of the system of reference the mobile exhibition on the Eshkol-Wachman movement notation. Noa holds the system model (1=45 degrees). 1957, photo: John G Harries © The Noa Eshkol Foundation for Movement Notation, Holon, Israel

Vom Tanz zur Textilkunst: Das Georg-Kolbe-Museum zeichnet den Bruch im Werk von Noa Eshkol in seinem historischen Umfeld nach. Anlass ist der 100. Geburtstag der israelischen Tänzerin, Choreografin und Künstlerin, die 2007 starb und mit Beginn des Jom-Kippur-Kriegs 1973 von der Bühne ins Atelier wechselte. Die umfassende Rückschau im Kolbe-Museum stellt Eshkol als Erbin des modernen Tanzes vor, wie er in der Dresdner Palucca-Schule einen seiner Anfänge nahm. Sie führt zu Eshkols Partnerarbeiten etwa mit dem Architekten Abraham Wachmann und dem Bewegungsforscher Moshé Feldenkrais, und sie erläutert Eshkols Sicht auf ein mögliches Miteinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Nahost. Was in der Berliner Galerie Neugerriemschneider mehrmals in Ausschnitten zu sehen gewesen war, ergibt im Kolbe-Museum einen großen stimmigen Bogen. Und wird sinnvoll ergänzt durch neuere Videos von Yael Bartana und Omer Krieger, die Eshkols choreografisches Werk hinterfragen und aktualisieren.

  • Georg-Kolbe-Museum Sensburger Allee 25, Charlottenburg, Mi–Mo 11–18 Uhr, 8/ 5 €, bis 18 J. + 1. So /Monat frei, georg-kolbe-museum.de, bis 25.8.

Jorinde Voigt: Constant Vision

© Jorinde Voigt und VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Foto: Amanda Holmes
Jorinde Voigt, „Betrachtung / Contemplation 5“, 2019-2020 © Jorinde Voigt und VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Foto: Amanda Holmes

Die Künstlerin Jorinde Voigt ist an ihrem Lebensmittelpunkt Berlin vor allem für ihre großen, dünnlinigen Zeichnungen bekannt, wie sie unter anderem 2023 in der Gruppenausstellung „World Framed“ des Kupferstichkabinetts zu sehen waren. Doch im Zentrum ihrer Ausstellung „Constant Vision“, die das Max-Liebermann-Haus zeigt, hängen Mobiles aus feinsten Messingketten und -drähten, mit denen Voigt die Linie in die dritte Dimension holt. Gerahmt werden die Installationen von Serien mit Zeichnungen der 1977 geborenen Künstlerin. Außerdem gibt sie Einblick in deren Werkzeugpalette sowie Beispiele für Arbeiten von Künstler:innen, die Voigt beeinflusst haben, unter ihnen Hanne Darboven und Vito Acconci. Eine runde Sache.

  • Stiftung Brandenburger Tor Max-Liebermann-Haus, Pariser Platz 7, Mitte, Do–So 11–18 Uhr, 4/ 3 €, bis 18 J. + 1. So/ Monat frei, stiftungbrandenburgertor.de, bis 9.6.

Kunst als Beute. 10 Geschichten

Foto: Stiftung Humboldt Forum
Blick in die Ausstellung „Kunst als Beute. 10 Geschichten“, Foto: Stiftung Humboldt Forum

Die neue Sonderausstellung im Humboldt Forum, die aus dem Den Haager Museum Mauritiushaus kommt, handelt von Raubkunst – geraubten Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, Kriegsbeute und von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Gemälden. Doch ehrlich gesagt: Besonders viel ist nicht zu sehen. Zehn geraubte Objekte sind im Original oder als Replik ausgestellt, und über VR-Brillen sollen sich deren Provenienzgeschichten vermitteln. Freundliche Mitarbeitende setzten den Besuchenden die Geräte auf. Ob die Quadriga vom Brandenburger Tor, die unter Napoleon zeitweise in französischem Besitz war, oder der magische Dolch, den niederländische Kolonialisten nach einem Gemetzel von Bali nach Europa brachten: Die 3D-Panoramen wirken wie aus einem stimmungsvollen Computerspiel, Informationen aber enthalten sie kaum.

  • Humboldt Forum Schloßplatz, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30 Uhr, Eintritt frei, humboldtforum.org, bis 26.1.2025

„Soft Power“ im Potsdamer Kunsthaus Das Minsk

Courtesy Der Künstler und Goodman Gallery
William Kentridge: „Germanie et des pays adjacents du sud et de l'est“ [Germanien und die angrenzenden Länder im Süden und Osten], erstmals gewebt 2001. Courtesy Der Künstler und Goodman Gallery

Was sich alles mit Fäden machen lässt! Die Gruppenausstellung "Soft Power" im Das Minsk, Potsdam, veranschaulicht die Vielfalt von Textilkunst mit Beispielen aus mehreren Jahrzehnten, aus Ost wie West, Nord und Süd. So schuf die polnische Künstlerin Magdalene Abakanowicz bereits in den 1960er-Jahren riesige Fabelwesen aus Sisal, Hanf und Pferdehaar und stellte sie später in einer Wüste auf. Maria Lai gewann 1981 Bewohner:innen eines Städtchens auf Sardinien dafür, ihre Häuser quer über die Straßen mit blauen Stoffstreifen zu verbinden. Von William Kentridge (Abb.) über Rosemarie Trockel bis Otobong Nkanga: Die versammelten Arbeiten erzählen von der Herkunft der Materialien, von Handelsbeziehungen und Stoff im Dienst der Politik. Und sie verwischen die Grenzen zwischen Bildender und Angewandter Kunst. Nicht zuletzt passt diese Ausstellung perfekt zur Brandenburger Landeshauptstadt: Potsdam war ein Textilzentrum. Davon zeugt noch der Stadtteil mit dem Namen Weberviertel.

  • Das Minsk Max-Planck-Str. 17, Potsdam, am Hauptbahnhof, Mi–Mo 10–19 Uhr, 10/ 8 €, bis 18 J., TLG + letzter So/ Monat frei, dasminsk.de, bis 11.8.

Der Spreepark Art Space ist eröffnet

Annett Zinsmeister: „MERO_VISION Exp., 2023“, Foto: Frank Sperling © Spreepark Art Space

Forschungsgebiet Spreepark: Die erste Ausstellung im frisch sanierten Eierhäuschen stellt die Untersuchungen des Ortes vor, die vier Künstler:innen dort über die letzten Jahre betrieben haben. Der Komponist Marcus Maeder hat die nächtlichen Geräusche auf dem Gelände des ehemaligen Vergnügungsparks dokumentiert und zu einer Soundcollage verarbeitet. Annett Zinsmeister verdichtet die Wege durch den Park auf kleinstem Raum (Abb.). Die Geruchsforscherin Sissel Tolaas hat in den Sedimenten der Seen und Teiche sowie der Spree gegraben – und macht in zwei Wassertanks die dort umherschwebenden Kleinstlebewesen mit Mikrokameras sichtbar. Und Sabine Scho hat ein „Parkalphabet“ entworfen, ähnlich einem Flaggenalphabet, in dem beispielsweise R für Ringelnatter steht. Die Ausstellung gibt einen guten Einblick, wie Künstler:innen in die Neugestaltung des Spreeparks involviert sind. Der aktuelle Star ist aber das (gar nicht kleine) Eierhäuschen, das gerade für 16 Millionen Euro restauriert wurde und in dem sich jetzt auch wieder ein Ausflugslokal befindet. (Stefanie Dörre)

  • Spreepark Art Space im Eierhäuschen, Kiehnwerder Allee 2, Treptow, Mi–So 11–19 Uhr, Eintritt frei, spreepark-artspace.de, bis 20.5.

Nancy Holt und Pallavi Paul im Gropius Bau

© Holt/Smithson Foundation, VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Courtesy: Sprüth Magers
Nancy Holt: “Sunlight in Sun Tunnels” (1976), Inkjet print on archival rag paper; composite made by the artist from original 35mm transparencies, 127.3 x 156.2 cm © Holt/Smithson Foundation, VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Courtesy: Sprüth Magers

Während der Eröffnung am 20. März gab es eine kleine Panne. Nancy Holts große Installation aus leuchtenden Bögen, prominent platziert im prächtigen Lichthof des Hauses, erlosch. Ein schönes Sinnbild dafür, wie anfällig Technik ist - und wie beständig das Tageslicht, das die US-amerikanische Künstlerin in ihrer Land Art erforschte. Nancy Holt (1938-2014) war eine der wenigen Frauen in dieser Disziplin, in der Künstler:innen die Weiten von Wüsten und Prärien bestückten. Holts wackelige Pionierfilme, mit denen sie Landschaft subjektiv vermaß, wirken zunächst wie das Gegenteil heutiger Drohnenfilme von atemberaubenden Landschaften und können doch als eine Art Vorläufer von ihnen gelten. Apropos Film: Pallavi Paul war Stipendiatin am Gropius Bau. Die Filmkünstlerin und -wissenschaftlerin zeigt im oberen Stockwerk einen großartigen Film mit drei Totengräbern in Indien. Sie erinnern sich an ihre Arbeit während der Covid-Pandemie.

  • Gropius Bau Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mo, Mi–Fr 11–19, Sa/ So 10–19 Uhr, 15/ 10 €, bis 18 J. + TL frei, berlinerfestspiele.de, bis 21.7.

“A Piece of Something Else” von Alexander Wagner und “Wall Work #38” von Haleh Redjaian

VG-Bildkunst Bonn, Foto: Ludger Paffrath
Blick in die Ausstellung von Alexander Wagner: „ohne Titel“, 2022, Acryl auf Leinwand, 180 x 130 cm (links) und „ohne Titel“, 2016-2021, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm (rechts), VG-Bildkunst Bonn, Foto: Ludger Paffrath

In seinen abstrakten Bildern hält Alexander Wagner angeregt Zwiesprache: mit der jüngeren Malereigeschichte, mal mit einem vermeintlich gestischen Pinselstrich, der an Neoexpressionismus denken lässt, mal mit gedeckten, wie verschmutzt wirkenden Farben, die sich beißen wollen, mal scheint er mit Polke oder Penck zu diskutieren. Ist das noch Postmoderne oder bereits Post-Postmoderne? Die Ausstellung des Berliner Künstlers würde „männlich markant“ wirken, würden da nicht in Vitrinen Skizzen- und Zeichenbücher intimere Einblicke in Wagners Methoden erlauben. Und würde nicht eine Diaschau mit Zeichnungen, untergebracht in einem dunklen Kabinett, den Schwung seiner Linien preisgeben wie etwas sehr Persönliches. Der Clou im Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz aber ist gleich am Eingang zu sehen: eine große Wandzeichnung der Berliner Künstlerin Haleh Redjaian, die aktuell auch Arbeiten in einer Gruppenschau des Kunsthaus Dahlem zu Textilkunst zeigt. Redjaians „Wall Work #38“ ist jederzeit durch die Glasfront zu sehen – sofern das Licht an ist. Die feinen Linien erinnern an straff gespannte Fäden.

  • Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz Linienstr. 40, Mitte, Do–Sa 14–18 Uhr, rosa-luxemburg-platz.net, Wagner bis 28.4., Redjaian bis 20.7.

„Der Gertraudenhain“ von Christof Zwiener am Spittelmarkt

Foto: Christof Zwiener
Gertraudenhain / Christof Zwiener, 2024, Foto: Christof Zwiener

Die Arbeiten in der Grünanlage am Spittelmarkt für Christof Zwieners „Gertraudenhain“ haben begonnen. Zum Auftakt hielt die Stadtökologin Sina Franke im benachbarten Kieztreff einen Vortrag über „Tiny Forests“, winzigste Wälder, die unter bestimmten Bedingungen in der Stadt rasch wachsen und das Mikroklima verbessern können. Einen solchen Tiny Forest will der Berliner Künstler Christof Zwiener mit Hilfe von Nachbar:innen am Spittelmarkt pflanzen. Zwiener gehört zu den Gewinnenden eines Wettbewerbs für temporäre Kunst an der Leipziger Straße. Zwei Pointen hat sein „Getraudenhain“: Zwiener muss ihn so pflanzen, dass der Wald nicht nur Wald, sondern auch Kunst ist. Und zweitens sind Bäume nicht temporär im Sinne der Regeln für Kunst im öffentlichen Raum. Sie schlagen Wurzeln.

  • Grünanlage Spittelmarkt, Mitte, rund um die Uhr, online

„A day off“ im f³ - Freiraum für Fotografie

Spanien. Benidorm. 1997. Ausstellung „A Day Off“ der F.C. Gundlach Stiftung, 15.3.–2.6.2024, f³ – freiraum für fotografie Waldemarstr. 17. Bild: Martin Parr, aus der Serie Common Sense [Sammlung F.C. Gundlach, Stiftung F.C. Gundlach + Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg]

Nach getaner Arbeit einfach mal nichts tun? Unmöglich! Wir alle sind permanent mit unserer Freizeitgestaltung beschäftigt. Ganz egal ob maximale Entspannung am Strand oder Selbstoptimierung im Fitnessstudio – unsere Erholungszeit soll uns möglichst viel Abstand vom Alltag bringen. Die Ausstellung „A day off“ im f³ - Freiraum für Fotografie visualisiert aus rund 100 Jahren die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Freizeitgestaltung. Die ausgestellten Fotografien stammen alle aus der Sammlung von Franz Christian Gundlach, der selbst einer der bedeutendsten Modefotografen Deutschlands war. Bis Anfang Juni werden hier knapp 70 Fotografien, unter anderem auch von Diane Arbus, Barbara Klemm und Henri Cartier-Bresson, ausgestellt, die Freizeit als durchgetaktetes Massenphänomen zeigen. (Leonie Kratz) Mehr über „A day off“ lest ihr hier.

  • A day off im f³ - Freiraum für Fotografie Waldemarstraße 17, Kreuzberg, 15.3.-2.6., Mi-So 13-19 Uhr, Tickets 6 €, Ermäßigt 4 €, mehr Infos hier

Gruppenausstellung„Brüche“ bei Haus Kunst Mitte

Ausstellungsansicht von „Brüche“ im Haus Kunst Mitte, 2024. Foto: Haus Kunst Mitte/ Michael Lüder

Das Leben im Exil ist ein Leben an der Grenzlinie von Zwang und Freiheit. Die Heimat musste verlassen werden, gezwungenermaßen aus verschiedenen Gründen, um an einem anderen Ort weiterleben zu können, weil man in Schutz und Freiheit weiterleben will. Für jeden Menschen eine existenzielle Erfahrung, kommt für Künstler noch eine spezifische Frage hinzu: Kann ich an diesem neuen Ort Kunst machen? Welche Kunst kann ich dort machen? Wird sie auf Resonanz stoßen? Fragen, mit denen sich die 15 Künstler:innen in der Gruppenausstellung „Brüche“ beschäftigen. Sie leben im Berliner Exil, kommen aus Afghanistan, China, dem Iran, Syrien und der Ukraine. Nikolay Karabinovych lässt seine Mutter, eine Organistin aus Odessa, in einer Wüste eine Luft-Orgel spielen. Auch sie sie ist ihrem Umfeld und ihrer Kunst entrissen, beide sind den Ereignissen in der Ukraine fern und können sich nur in der Wortlosigkeit über das Trauma verständigen. Ahmed Ramadanlegt eine Baumwurzel mitten in den Raum. Entwurzelt, kommt in einem fremden Umfeld die Schönheit dieser Wurzeln jedoch ganz anders zum Vorschein. Eine Chance, eine Hoffnung für den entwurzelten Menschen?

  • Haus Kunst Mitte Heidestr.54, Mitte, Mi–So 12–18 Uhr, bis 2.6.

„In nobody’s service“ in der Galerie Wedding

Krisanta Caguioa-Mönnich »Things That Smell Like Home« (2019), Ausstellungsansicht „In nobody’s service“ in der Galerie Wedding, 2024. Foto: Benjamaporn Rattanaraungdetch. Courtesy of Galerie Wedding.

Masseurin, Köchin, Ehefrau und Sexarbeiterin - gängige Stereotype von thailändischen Frauen in Deutschland und wohl in allen westlichen Ländern. Das Bedienen, auf das Bedienen-Reduziert-Werden und mögliche Selbstermächtigung sind die Themen der Gruppenausstellung "In nobody’s service" in der Galerie Wedding. So spielen etwa eine Reihe von Frauenporträts von Kristina Caguioa-Mönnich, die allerdings Frauen von hinten gemalt hat, auf die sogenannten Katalogfrauen und Heiratsmigration an, eine Videoinstallation von Rasalia Namasai Engchuan geht dem Mythos der Thai-Massage und ihren kolonialen Auswüchsen nach. Weitere Hörstationen, Videoarbeiten, Installationen und Textarbeiten agieren an der Schnittstelle von Dokumentation, Aktivismus und Kunst. Es sind mehr die Geschichten und Themen, die fesseln, als die ästhetischen Ausdrucksformen. Alles zusammen ergibt ein organisches Ganzes, das man nicht schnell durchschreiten, sondern durcharbeiten, durchhören, ansehen und verstehen möchte. Empfehlenswert ist auch das Veranstaltungsprogramm.


“A Home for Something Unknown“ in Haus am Lützowplatz und Neuem Berliner Kunstverein

. Foto: © n.b.k. / Jens Ziehe
Rosanna Graf, "Ordinary Women – Carrier Bags of Friction", 2023; Paola Yacoub, "Les Fleurs de Damas", 2002, Ausstellungsansicht A Home for Something Unknown, Haus am Lützowplatz (HaL), 2024. Foto: © n.b.k. / Jens Ziehe

Selbe Prozedur wie jedes Jahr? Keinesfalls. Neu bei der Ausstellung der letztjährigen Senatsstipendiat:innen ist die Aufteilung der Arbeiten von 27 Stipendiat:innen auf zwei Orte, den Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) und das Haus am Lützowplatz. Die Kuratorinnen-Teams beider Häuser haben die höchst unterschiedlichen Arbeitsansätze der Stipendiat:innen ästhetisch sehr verträglich zusammengebracht. So zeigt Paola Yacoubs über 20 Jahre alte Fotografien aus einem inzwischen untergegangenen Damaskus: von Rosenverkäufern, die als schlechte getarnte Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes gelten (Abb.), Mazen Kerbaj hat gezeichnete und getuschte Leporellos aufgefaltet, wie das Berliner Publikum sie bereits von seiner Ausstellung in der ifa-Galerie kennt, und Christophe Ndabananiye hat Türen ausgebreitet, auf denen handgeschriebene Koordinaten Orte in Ruanda benennen. Die Namen der Beteiligten stehen für eine zweite Besonderheit dieser Doppelschau: So international war eine Senatsstipendiat:innen-Schau selten, und das heißt in einer Zeit, in der Künstler:innen wegen kontroverser Meinungen zum Gaza-Krieg Ausstellungsbeteiligungen absagen, sehr viel.

  • n.b.k. Chausseestr. 128/129, Mitte, Di–So 12–18, Do bis 20 Uhr, nbk.org
  • Haus am Lützowplatz  Lützowplatz 9, Tiergarten, Di–So 11–18 Uhr, hal-berlin.de, beide bis 28.4.

Letzte Chance: Diese Ausstellungen enden bald

Diese aktuellen Ausstellungen in Berlin sind nicht mehr lange zu sehen. Nutzt die Chance, sie an den letzten Tagen zu besuchen.

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„Ready Mix“ von Lucy Raven in der Neuen Nationalgalerie

© Courtesy die Künstlerin und Lisson Gallery / Dia Art Foundation / Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin / Andrea Rossetti
Lucy Raven, "Ready Mix", Ausstellungsansicht Neue Nationalgalerie, © Courtesy die Künstlerin und Lisson Gallery / Dia Art Foundation / Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin / Andrea Rossetti

Perfekt passt Lucy Ravens Filminstallation in das Obergeschoss der Neuen Nationalgalerie: Die schwarzgrauweißen Filmbilder nehmen es wie spielend mit Mies van der Rohes Stahl- und Glasarchitektur auf – und mit der benachbarten Baustelle des Museums der Moderne vor den Fenstern gleich mit. Raven filmte in einem Kies- und Betonwerk irgendwo im Westen der USA: zermahlenen Boden, gemischte Erde, gegossenen Beton, Getöse und Gebrumm. Lang hält die 45-minütige Arbeit die Spannung zwischen Faszination und Grauen, bis sie sich an sich selbst zu berauschen scheint. Das sind die Momente, in denen im Publikum Kinder zu quengeln beginnen, Erwachsene auf ihre Telefone blicken. Und dann leeren sich die Bänke.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–Mi 10–18, Do 10–20 Uhr, Fr–So 10–18 Uhr, diese Ausstellung: Eintritt 16/ 8 €, bis 18 J. frei, smb.museum, bis 21.4.

Karim Ben Khelifa: „In 36,000 Ways“ in der Galerie Anahita Sadighi

Ausstellungsansicht von „In 36,000 Ways“ in der Galerie Anahita Sadighi. Foto: Anahita Sadighi

In bis zu 36.000 Einzelteile zersprengt eine Rakete bei der Detonation, ein Fakt, auf den der belgisch-tunesische Künstler Karim Ben Khelifa im Titel seiner Ausstellung anspielt. Er ist seit mehr als 20 Jahren in Kriegsgebieten unterwegs, zuletzt an der Front in der Südukraine, wo er Schrapnellsplitter von Boden aufgesammelt hat. Diese Metallfragmente haben bizarre Formen und erinnern ebenso an steinzeitliche Artefakte wie an skulpturale Kunstwerke, sie sind rasiermesserscharf und verweisen auch noch in ihrer jetzigen Form auf Gefahr, Gewalt und Krieg. Karim Ben Khelifa hat aus vielen dieser Splitter ein riesiges Mobile gemacht. Die meisten Arbeiten jedoch sind Fotografien von stark vergrößerten Schrapnellteilen und umrandet von handgeschriebenen Texten. Entmenschlichung und Poesie, Gewalt und Kunst sind in dieser Ausstellung, die neue Wege der Konflikt- und Kriegsdarstellung sucht, in erschütternder Weise verdichtet.

  • Galerie Anahita Sadighi Schlüterstr. 16, Charlottenburg, Mi–Fr 12–19 Uhr, Sa 11–16 Uhr, anahitasadighi.com, bis 20.4.

Ari-Arirang

Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Ethnologisches Museum/Claudius Kamps CC BY-NC-SA 4.0

Im späten 19. Jahrhundert interessierten sich Deutsche sehr für Korea, das zwischenzeitlich Kaiserreich war, bevor Japan es sich einverleibte. An dieses Interesse erinnert eine neue Ausstellung von Ethnologischem Museum und Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum, die eine Auswahl aus ihren Beständen zu Korea zeigen – darunter viele Hüte aus dem 19. Jahrhundert, für die sich Deutsche offenbar begeisterten. Ergänzt werden die Objekte von zeitgenössischer Kunst und Aufzeichnungen von Gesängen russisch-koreanischer Männer in deutschen Kriegsgefangenenlagern, Lieder, die der Ausstellungstitel zitiert. 

  • Humboldt Forum Schloßplatz, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30 Uhr, 12/ 6 €, bis 18 J. + 1. So im Monat frei, bis 21.4.2024

„Melancholia“ in The Map Gallery

Charlie Stein. Berlincholia (Teen Spirit), 2023. Oil on Canvas. 150 x 150 cm. © Charlie Stein

Feste Kategorien sind so 20. Jahrhundert! Gegen die strikte Trennung von Kunst und Design und für die Schönheit der Dinge setzen sich Mon Muellerschoen, Andrea von Goetz und Schwanenfließ und Peter Buchberger – alle drei aktiv und bestens vernetzt in der Kunst- und Designszene – mit ihrer neugegründeten Map Gallery ein. Eine Art Salon, an dem Kunstwerke und Desginobjekte auf Augenhöhe ausgestellt werden und auch Veranstaltungen stattfinden sollen. Passend zum Januar heißt die Eröffnungsausstellung „Melancholia“, doch bei den großformatigen Gemälden und schönen Möbeln kommt heitere Stimmung auf.

  • The Map Gallery Linienstr. 107, Mitte, Mi–Sa 14–18 Uhr, bis 20.4.2024

Omar Victor Diop im Fotografiska

Omar Victor Diop, The Sonacotra Tenant Strike 1974 - 80. From Liberty (2016). Courtesy © Omar Victor Diop / MAGNIN - A, Paris

Für das Auge und Gehirn: Omar Victor Diop schlüpft für die eigene Kamera in Rollen von historischen Persönlichkeiten und stellt Ereignisse der Schwarzen Geschichte nach, die einflussreich waren aber in Vergessenheit gerieten. Zum Beispiel der Aufstand von Arbeitern aus Nord- und Sub-Sahara Ende der 1970er-Jahre gegen die steigenden Mietforderungen eines französischen Immobilienunternehmens (s.Abb.) - der erste Streik Schwarzer Migranten im postkolonialen Frankreich. Texttafeln erzählen die Geschichten und Diops teils opulente Inszenierungen lassen vergessene Helden neu erstrahlen. Auch wenn er sehr in der Ästhetik der makellosen Modefotografie verhaftet und man sich tatsächlich an seinem omnipräsenten Gesicht sattsehen kann.

  • Fotografiska Oranienburger Str. 54, Mitte, Mo-Mi 14, Do/ Fr 15, Sa/So 16 €, bis 25 J. und über 65 J.: 8 €, bis 12 J. frei, Tickets hier, Mo-So 10-23 Uhr, bis 21.4.

Shirin Neshat: „The Fury" im Fotografiska

Seema, from The Fury series, 2023. Foto: Copyright Shirin Neshat/ Courtesy of the artist and Gladstone Gallery, New York and Brussels 

Nackte weibliche Körper, gezeichnet von Gewalt und Erschöpfung. Eine schöne junge Frau, die durch die Straßen New Yorks streift, in einem Gefängnis vor Generälen und Wärtern tanzt und anschließend als wandelnder Schmerzkörper in denselben Straßen einen Aufstand auslöst. Die Fotografien und Filmszenen in Shirin Neshats aktueller Einzelausstellung im Fotografiska haben es in sich. „The Fury“ heißt die neueste Videoarbeit der iranischen Künstlerin und verhandelt die sexuelle Ausbeutung weiblicher politischer Gefangener, gerade im Kontext der Islamischen Republik Iran. Dazu eine Serie
von Schwarz-Weiß-Fotografien mit von Hand aufgetragenen Kalligrafien von Gedichten der
iranischen Dichterin Forough Farrokhzad. Es kann einen zur Verzweiflung treiben, warum der weibliche Körper ein ewiges Schlachtfeld zu sein scheint. Kunst wird das nicht verhindern können, aber den betroffenen Frauen kann sie Würde, Worte und Bilder wiedergeben.

  • Fotografiska Oranienburger Str. 54, Mitte, Mo-Mi 14, Do/ Fr 15, Sa/So 16 €, bis 25 J. und über 65 J.: 8 €, bis 12 J. frei, Tickets hier, Mo-So 10-23 Uhr, bis 21.4., ab April: 1000 kostenlose Tickets im Monat, um Zugang zu Kultur für alle zu erleichtern, Infos zur Initiative hier

„Von Odessa nach Berlin“ in der Gemäldegalerie

© Odessa Museum für westliche und östliche Kunst / Foto: Christoph Schmidt
Cornelis de Heem: „Prunkstillleben“, 2. Hälfte 17. Jh., © Odessa Museum für westliche und östliche Kunst / Foto: Christoph Schmidt

Mit Prominenz hat diese kleine Ausstellung am 11. Februar eröffnet: in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Igor Poronyk, dem Direktor des Odessa Museums für westliche und östliche Kunst in der Ukraine. Kriegsbedingt musste sein Team die Kulturschätze des Museums evakuieren. 74 Gemälde hat es nach Berlin geschickt, wo sie restauriert, neu gerahmt und gezeigt werden. Eine Vorauswahl von zwölf Gemälden gibt jetzt eine Idee davon, was das Berliner Publikum Anfang 2025 in einer großen Sonderschau erwarten wird: Landschaften, Madonnen, biblischen Szenen, Porträts und Stillleben, kurz, europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts. Die Stücke korrespondieren mit den Beständen von Gemäldegalerie und Alter Nationalgalerie und bieten sich somit für Forschung und Vergleich an.

  • Gemäldegalerie Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di–So 10–18 Uhr, 12/ 6 €, bis 18 J. + TL frei, smb.museum, bis 28.4.

Bode-Museum: Spanische Dialoge ­– Picasso

Die Picasso-Rezeption ist ja gern für Überraschungen gut. Zuletzt wurde der Ausnahmekünstler rund um seinen 50. Todestag eher unter MeToo-Verdacht betrachtet -  was dem von ihm einst „gecancelten“ Werk der Künstlerin Francoise Gilot endlich zu neuer Beachtung verhalf. Nun schlägt das (derzeit geschlossene) Berggruen-Museum als Gast des Bode-Museums ein ganz anderes Kapitel auf: Auf der Museumsinsel kommen Arbeiten Picassos zum Vergleich mit spanischer Kunst der frühen Neuzeit, um zu zeigen, wovon sich Pablo Picasso anregen ließ. Mal sehen, was da noch zu Tage kommt.

  • Bode-Museum  Am Kupfergraben, Mitte, Di–So 10–18 Uhr, 10/ 5 €, bis 18 J. + 1. So/ Monat frei, bis 28.4.2024

Lee Ufan

Lee Ufan
Ausstellungsansicht „Lee Ufan“, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 27.10.2023 – 28.4.2024 © Lee Ufan. Courtesy of Studio Lee Ufan / VG Bild-Kunst, Bonn 2023 / Jacopo La Forgia

Es herrscht eine große Ruhe in den Sälen und im Garten: Mit 50 Arbeiten lädt Lee Ufan im Hamburger Bahnhof gleichsam zur Mediation ein. Der 1936 in Korea geborene Künstler, der lang in Japan lebte, gilt als bedeutender Vertreter ostasiatischen Minimalismus. Das Material, das er verwendet, spricht für sich: Stein und Baumwolle, Stahl, Metall, Glühbirnen und Farbe. Da überrascht, dass Lee Ufan ausgerechnet Rembrandt bewundert: zu sehen in einem Saal (Foto), den Lee Ufan wie einen Zen-Garten mit Kies ausgelegt hat.

  • Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart  Invalidenstr. 50/51, Tiergarten, Di/ Mi + Fr 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr, 12/  6 €, bis 18 J. +1. So/ Monat für alle frei (Ticket hier), So Familienermäßigung, bis 28.4.2024

Aktuelle Ausstellungen: Diese Schauen laufen gerade

Hier kommt der große Überblick über alles, was wir derzeit in der Berliner Kunstwelt empfehlen: die Ausstellungen, die noch eine Weile laufen und sich lohnen.


„12 Variationen zur Auferstehung: Kunstwerke aus dem Museum Nikolaikirche“ in der Parochialkirche

Foto: Albrecht Henkys
„Kunstraum Parochial“ in der Berliner Parochialkirche © Stadtmuseum Berlin | Foto: Albrecht Henkys

Am Eingang von der wiederaufgebauten Nikolaikirche des Stadtmuseums versteckt sich eine teilrestaurierte Grabkapelle aus dem Barock. Sie dient heute als „Kunstraum Kraut“, benannt nach dem Bankier und Minister Johann Andreas von Kraut, für den sie erbaut wurde. Das kriegszerstörte Wandbild von Christi Auferstehung fehlt jedoch. Zuletzt haben es Künstler:innen mit zeitgenössischen Interpretationen der Auferstehungsgeschichte ersetzt. Alle zwölf Bilder dieser Reihe hängen jetzt in der Parochialkirche wenige Straßen weiter. In dem großen Bau, in dem nach wie vor Gottesdienste stattfinden, zeigen sie einerseits, dass Kunst, die für einen bestimmten Ort geschaffen wurde, nicht ohne ästhetischen Verlust an einen anderen verfrachtet werden kann. Andererseits lassen sie sich jetzt vergleichen. Und siehe: Die nichtfigürlichen Darstellungen von Rebecca Raue, Christa Jeitner sowie Klaus Killisch & Marcus Rheinfurth (3. von links) wirken am stringentesten. Die figürlichen dagegen lassen zwangsläufig an all die lange Kunstgeschichte von Auferstehungsbildern denken. Und da können sie nur verlieren.

  • Kunstraum Parochial | Parochialkirche Klosterstr. 67, Mitte, Mo–Fr 10–16 Uhr, Sa–So 13–16 Uhr, stadtmuseum.de, bis 20.5.

„Rückschau 2024“ bei world in a room

© Pascal Reif
Pascal Reif: aus „Schwarzfall” (2018-2022) © Pascal Reif

Alle zwei Jahre fasst Horst Schönig die Ausstellungen seines Schöneberger Projektraume zusammen: in einer Rückschau mit je zwei Aufnahmen von jeder Fotografin, jedem Fotografen, die zuletzt bei world in a room zu Gast waren. Eine gute Gelegenheit für einen Überblick über Schönigs Arbeit. Viele Künstler:innen, die bei ihm ausstellen,  folgen der Überzeugung, dass eine Aufnahme ihren Bezug zur Realität offenlegen sollte. Daher handelt es sich bei den farbigen Bildern, die aussehen wie Game-Landschaften,  nicht um computergenerierte Fantasien, sondern um Klaus W. Eisenlohrs Aufnahmen aus dem Berliner ICC-Gebäude. Pascal Reif, Absolvent der Ostkreuzschule, thematisiert Energie. Seine Beispiele aus der Serie „Schwarzfall“ (Abb.) handeln von der Arbeit in einem Kraftwerk bei Stromausfall. In Schwarz-Weiß verdichten sie den konkreten Zustand zu einer dystopischen Metapher.

  • world in a room Brunhildstr. 7, Schöneberg, Fr/ Sa 14–18 Uhr, www.worldinaroom.de, bis 24.5.

Hanna Bekker vom Rath im Brücke-Museum

Foto: Museum Wiesbaden/ Bernd Fickert ©VG Bild-Kunst, Bonn
Benno Walldorf: „Hanna Bekker vom Rath“, 1968, Öl auf Leinwand, Museum Wiesbaden, Foto: Museum Wiesbaden/ Bernd Fickert ©VG Bild-Kunst, Bonn

Der deutsche Kunstkritikerverbandes AICA hat das Berliner Brücke-Museum Mitte Februar zum „Museum des Jahres 2023“ gewählt. Das Haus, so heißt es in der Begründung,  habe wegweisende Modelle einer kritischen Befragung der eigenen Geschichte und seiner Expressionismus-Sammlung entwickelt. Die neue Schau handelt von der Ausstellungsmacherin und Sammlerin Hanna Bekker vom Rath (1893–1983), eine Kunstsammlerin, die der Sozialdemokratie nahestand und sich beispielsweise für das Werk von Karl Schmidt-Rotluff und Käthe Kollwitz begeisterte. Während der NS-Diktatur organisierte sie in ihrer Berliner Wohnung heimliche Ausstellung verfemter Kunst. Die Ausstellung in der Dahlemer Museumsvilla zeichnet ihren Lebensweg nach: mit Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Textilarbeiten aus der eigenen Sammlung und mit Hilfe von Leihgaben. Und mit wunderbar gestalten Raumecken, in denen Arrangements aus Fotos und Texten privates Leben genauso wie historische Zusammenhänge erläutern.

  • Brücke-Museum Bussardsteig 9, Dahlem, Mi–Mo 11–17 Uhr, 3. Do/ Monat bis 20 Uhr, 6/ 4 €, bis 18 J. + 1. So/ Monat frei, online, bis 16.6.

Die Kyiv-Perenniale im Exil bei NGBK, Station Urbaner Kulturen und bei Between Bridges

Die fünfte Ausgabe der Kyiv-Biennale findet kriegsbedingt in Berlin statt und heißt nun „Kyiv-Perrenniale“. Partner des Visual Culture Research Center aus Kyiv, das diese Biennale seit 2017 organisiert, sind die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (der NGBK-Teil der Ausstellung ist allerdings mittlerweile vorbei) und der Projektraum Between Bridges um das Team des Fotografen Wolfgang Tillmans. Die drei Ausstellungsteilse haben zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion eröffnet. In ihnen mischen sich Agitprop (wie in einer Plakatserie, an der auch Pavel Brăila mitgewirkt hat), Dokumentationen (auch anonymer Urheberschaft), die unter anderem dazu beitragen sollen, Kriegsverbrechen zu ahnden, und ästhetische Reflexionen etwa über die Sozialistische Moderne. Höhepunkt ist bei „Between Bridges“ ein brillant gefilmtes Video: von einer im Stil einer Hiphop-Battle inszenierten Auseinandersetzung über die Perspektiven von Lord Byron und Puschkin auf den ukrainischen Nationalhelden Ivan Mazepa - von dem Künstler Mykola Ridnyi, der als Gastprofessor an der UdK Berlin im Exil lehrt.

  • Between Bridges Adalbertstr. 43, Mitte, Mi–Fr 11–16 Uhr, online, bis 4.5.
  • Station Urbaner Kulturen/ NGBK Auerbacher Ring 41, Hellersdorf, Do + Sa 15–19 Uhr, online, bis 9.6.

„Vom Faden zur Form“ im Kunsthaus Dahlem

© Kunsthaus Dahlem
Blick in die Ausstellung „Vom Faden zur Form – Sofie Dawos Textilkunst zwischen Zero und Konkretion“, Kunsthaus Dahlem, Berlin 2023, © Kunsthaus Dahlem

Hier dürfen Restaurator:innen nicht an Mottenmittel sparen. Das Kunsthaus Dahlem, ansässig im ehemaligen Atelier des NS-Staatskünstlers Arno Breker, kontrastiert die monumentale Architektur mit weichen Fäden. Im Mittelpunkt der neuen Ausstellung über Textilkunst steht der Umgang von Sofie Dawo (1926–2010) mit Wolle: Abstrahierungen von Landschaften in Weiß, Schwarz und Rot, auch wenn Dawo einmal gesagt haben soll, dass Rot nicht ihre Farbe sei. Zur Seite gestellt und gehängt sind Arbeiten aus der Zeit von ZERO und Konkretion etwa von Heinz Mack und Günther Uecker sowie neue Arbeiten beispielsweise von Haleh Redjaian. Sie lässt Einflüsse aus dem alten Iran mit der Industrieästhetik des Westens verschmelzen. Für Kinder und alle anderen, die gern selbst Hand anlegen, steht ein Tisch mit Wolle und Webrahmen bereit.

  • Kunsthaus Dahlem Am Käuzchensteig 8, Dahlem, Mi–Mo 11–17 Uhr, 6/ 4 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, kunsthaus-dahlem.de, bis 20.5. 

„Traum(a)land“ und „Einen Ausdruck finden für dieses Leben“ in Schloss Biesdorf

©: GODsDOG
GODsDOG: „Raphael 2“. Foto: GODsDOG

Höchst unterschiedlich sind die beiden neuen Ausstellung im Schloss Biesdorf. Die Gruppenschau „Traum(a)land“ soll ins Unterbewusste führen und tut das in Teilen auch: etwa bei den großen collagierten Wandarbeiten von Cornelia Renz oder den altmeisterlichen Radierungen von Gerenot Richter (1926–1991), die zwischen Romantik, Renaissance und Surrealismus changieren. Die der Street Art entlehnten Beiträge des Kollektivs GODsDOG begeistern vor allem als fantastische Papphäuser. Jenseits dessen kippt die Ausstellung jedoch oft ins Schrille. Ganz anders die sparsame Schau von Sonya Schönberger. Die Berliner Künstlerin hat Kolleg:innen, deren Laufbahn bereits in der DDR begann, zu ihren Lebenswegen befragt. Neben diesen Videointerviews hängen Arbeiten der Aussagenden und Schönberger Fotografien aus Sammlungen, in denen die Arbeiten lagern. Eine Recherche, deren Präsentation in ihrem Minimalismus absolut überzeugt.

  • Schloss Biesdorf Alt-Biesdorf 55, Hellersdorf, Mo–So 10–18 Uhr, Fr 12–21 Uhr, online, bis 12.5.

 „Forms of Love“ von Peles Duo in der St. Matthäuskirche

© Peles Duo, VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Matthias Kolb
Peles Duo: „The One and the Many“, Detail, © Peles Duo, VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Matthias Kolb

Vielleicht denkt man zuerst an Asche. Weil die Ausstellung von Peles Duo, ehemals Peles Empire, an einem Aschermittwoch in der St. Matthäuskirche neben der Gemäldegalerie begann. Oder weil jüngst viele Bilder von Vulkanausbrüchen in Island um die Welt gingen. Und aschgrau sind ja die Plastiken des bekannten Berliner Duos (Barbara Wolff und Katharina Stöver). Tatsächlich handelt es sich bei dem Material jedoch um Terra Negra, besonders fruchtbare Bioerde, die in Säcken neben den Kirchenbänken bereitliegt. Und die Formen, die Peles Duo daraus gefertigt haben, sollen nicht erkaltete Lava darstellen, sondern an Granatäpfel denken lassen, wie sie bereits im Hohelied Salomons besungen werden. Nun denn. Mehr Aufschluss geben womöglich die Performance von Peles Duo, wenn Wolff und Stöver vor Ort weiter mit der Terra Negra arbeiten.

  • St. Matthäuskirche Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di–So 11–18 Uhr (Di–Sa 12.30 Mittagsandachten, So 18 Uhr Hora-Gottesdienst), online, bis 12.5.

„Echos der Bruderländer“ im Haus der Kulturen der Welt

Courtesy Andreas Mroß
Umschlag eines Briefes von Vũ Kim Khoa aus Vietnam an Andreas Mroß mit dem sie 1988 ihren Kontakt zueinander wieder aufnahmen. Courtesy Andreas Mroß

Am ersten Märzwochenende eröffnet die neue Ausstellung am Haus der Kulturen der Welt. „Echos der Bruderländer“ führt die Auseinandersetzung des Teams mit postsozialistischer Kulturgeschichte fort. Gleichberechtigt mischt sie Kunst, Fotos, Objekte, Archivmaterial und Zeitzeug:innenberichte, um die Migration zwischen der DDR und ihren „Bruderländern“, verbündeten sozialistischen respektive kommunistischen Ländern des Südens zu erhellen. In vier Sälen erinnert sie an zu- und teils wieder abgewanderte Studierende, Arbeitende, Kulturschaffende oder Geflüchtete in der DDR. Zu den beitragenden Künstler:innen zählen etwa Abed Abdi, Santos Chávez, Hiwa K sowie Elske Rosenfeld, Farkhondeh Shahroudi und Sung Tieu aus Berlin. Das Team recherchierte in Zusammenarbeit mit Häusern in Algerien, Angola, Kuba, Ghana und Vietnam. So spiegelt „Echos der Bruderländer“ auch Folgen für die Herkunftsländer und setzt noch einmal einen anderen Schwerpunkt als das Museum für Bildende Kunst Leipzig mit „Re-Connect“, die soeben von der deutschen Sektion der AICA zur Ausstellung des Jahres 2023 gewählt worden ist, und „Revolutionary Romances“ am Albertinum Dresden (bis 2. Juni). Ab Freitag, 18 Uhr, bis zum Sonntag findet zur Ausstellung ein großes Programm mit Gesprächen, Filmen und Musik zum Thema statt.

  • HKW John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Mi–Mo 12–19 Uhr, bis 18 J., Mo + 1. So/ Monat frei, online, 2.3.–20.5.

Neuköllner Kunstpreis in der Galerie im Saalbau

Macht es euch gemütlich und hört zu, was Menschen der Künstlerin Johanna Bummack über Carearbeit erzählt haben (2.Platz). Foto: Benjamin Renter

Neukölln mag nicht der schönste Bezirk Berlins sein, aber sicherlich der kreativste. Davon zeugen nicht nur die drei kommunalen Galerien, mehr als in jedem anderen Bezirk, es ploppen auch ständig neue Bars, Restaurants und Läden aus dem Boden - und hier wimmelt es vor lauter Künstler:innen aus der ganzen Welt. Wieviele es sind, weiß niemand so genau, aber was sie so machen, davon vermittelt die aktuelle Ausstellung zum Neuköllner Kunstpreis einen Eindruck. Jährlich wird der mit insgesamt 6000 Euro dotierte Preis and Kunstschaffende aus dem Bezirk verliehen. Den ersten Preis hat diesmal die Fotografin Ceren Saner abgeräumt, mit ihrer an Nan Goldin erinnernden Fotoserie über queere Communities aus ihrem persönlichen Umkreis. Die Werke sind weder inhaltlich noch formal überraschend, die Vielfalt und Zugänglichkeit der Arbeiten macht die Schau dennoch sehenswert.

  • Galerie im Saalbau Karl-Marx-Str.141, Neukölln, tägl. 10–20 Uhr, bis 12.05.

„Poetics of Encryption“ im KW Center for Contemporary Art

Trevor Paglen: „Because Physcial Wounds Heal…“, 2023. Courtesy des Künstlers, Altman Siegel, San Francisco und Pace Gallery © der Künstler

Nicht einmal auf einem Feld irgendwo in der Pampa sind wir technikfrei – irgendwo kreist immer ein Satellit über unseren Köpfen, sagt Kurator Nadim Samman – und Recht hat er. Was der da so macht, der Satellit, was es so alles sammelt, das hilfreiche KI-Gadget zuhause, wer weiß das schon so genau? Sicher ist, dass wir Normalverbraucher:innen wohl am allerwenigsten Kontrolle darüber haben, aber was bedeutet das für unser Leben, bedeutet es überhaupt etwas? Über solche Fragen und noch viele mehr zum Verhältnis von Mensch und der omnipräsenten, manchmal gerade zu omnipotent scheinenden Technik können Besucher:innen in der Ausstellung „Poetics of Encryptions“ nachdenken.

Bitte viel Zeit mitbringen, denn die Schau erstreckt sich über das gesamt Haus und verlangt Lust auf Auseinandersetzung. Auch wenn große Bildschirme bei Ausstellungen zu diesem Thema mittlerweile oftmals eher zum Vorbeigehen als Stehenbleiben einladen, halten hier immer wieder gute Video-Installationen die Aufmerksamkeit. Etwa Jon Rafman, der an der Schnittstelle von realen Erzählungen und KI-Bildwelt arbeitet, und der sich schnell alternden technologischen Ästhetik mit inhaltlicher Tiefe etwas Dauerhaftes verleiht. Eine inhaltlich und medial vielfältige Schau, die überwältigend sein kann, was wiederum dazu einlädt einen rebellischen Akt im Technozän zu vollziehen: Zeit nehmen, langsam machen. Mit dem scheidenden KW-Direktor Krist Gruijthuijsen haben wir außerdem ein Interview geführt – hier entlang.

  • KW Center for Contemporary Art Auguststr. 69, Mitte, Mi–Mo 11–19, Do bis 21 Uhr, 10/ 6 €, bis 26.5.

School of Casablanca“ in der Ifa Galerie

Gruppenfoto vor der Dienstwohnung des Anti-Psychotherapeuten Dr. Ziou Ziou Abdellah in Berrechid, Juni 1981. Foto: : Archives Dr Ziou Ziou

Die Ausstellung „School of Casablanca“ macht anschaulich, welchen Schub die Moderne in Marokko mit der Unabhängigkeit des Landes erfahren hat. Dabei ging es durchaus auch darum, Einflüsse des Bauhaus und seiner aus Deutschland emigrierten Mitglieder mit regionalen Fertigkeiten mitunter buchstäblich zu verknüpfen, wie die ausgestellten Textilarbeiten belegen. Architektur, Malerei, Zeichnung, Druckkunst – interdisziplinär war die School of Casablanca sowieso, und ebenso wie das Bauhaus wenig frauenförderlich. Wer sich von der Fülle der Eindrücke, die das transnationale Rechercheteam zusammengetragen hat, überwältig wähnt, greife zu dem Beitrag von Nassim Azarzar, einem gefalteten Plakat mit der Chronologie der Ereignisse in Casablanca. 

  • ifa-Galerie Berlin Linienstr. 139/140, Mitte, Di–So 14–18, Do 14–20 Uhr, bis 12.5.

„Hans Uhlmann“, „Closer to Nature“ und „Kotti-Shop/ SuperFuture“ in der Berlinischen Galerie

Foto: Wolfgang Günzel
Aus Pilzen gebaut und duftet nach Wald: "MY-CO-X, MY-CO Space", 2021 © tinyBE, 2021,
Foto: Wolfgang Günzel

Dieser Zusammenklang ist gelungen: Im Museum Berlinische Galerie laufen drei Ausstellungen, die auf den ersten Blick von sehr verschiedenen Themen handeln. Die Retrospektive „Hans Uhlmann“ ruft einen West-Berliner Nachkriegskünstler ins Gedächtnis, der in Fachkreisen in Vergessenheit geriet, obwohl er in Berlin mit seinen filigranen, von Freiheit kündenden Plastiken sehr präsent ist, etwa vor der Deutschen Oper und auf dem Hansaplatz. Die Schau stellt das ehemalige KPD-Mitglied, das unter den Nationalsozialisten inhaftiert wurde, als Bildhauer, Zeichner und Ausstellungsmacher vor. „Closer to Nature“ führt in Bauprojekte aus ökologischen Materialen wie Pilzen ein (Abb.) ein, die zum Teil bereits Wirklichkeit sind – wie die Versöhnungskapelle an der Bernauer Straße, die aus gestapftem Lehm gefertigt wurde. Und der Kreuzberger Projektraum Kotti-Shop präsentiert in einem beeindruckend gestalteten Raum, wie sein Team mit Anwohner:innen des Kottbusser Tors Ideen für eine bessere Nachbarschaft entwickelt. Zusammen ergeben die drei Ausstellungen einen großen Parcours mit Antworten auf die Frage: Wie wollen wir eigentlich leben?

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, 10/ 6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, berlinischegalerie.de, 16.2.–14.10.

„manchmal halte ich mich an der luft fest“ in der Galerie im Körnerpark

© Nihad Nino Pušija
Blick in die Ausstellung „manchmal halte ich mich an der luft fest“, Galerie im Körnerpark, Berlin 2024
© Nihad Nino Pušija

„Exil ist harte Arbeit“, schrieb einmal die aus Istanbul nach Paris emigrierte Künstlerin Nil Yalter. Eine Ausstellung neun belarusischer Künstler:innen im Berliner Exil bestätigt in der Galerie im Körnerpark Yalters Verdikt. Erzwungener Abschied und der Zwang, sich an einem neuen Ort zurechtzufinden, erfordern nicht nur Zeit, Geschick und Können., sondern fordern die Gefühle. Das belegen die Installationen, Zeichnungen, Masken, Gedichte, Stickereien und Filme eindrücklich - bei allem Spott und Humor, den sie auch enthalten.  An “часам я трымаюся за паветра“ nehmen teil: Alexander Adamov, Rozalina Busel, Anastazja Palczukiewicz, Vasilisa Palianina, Lesia Pcholka, Nadya Sayapina, Antanina Slabodchykava, Varvara Sudnik und Aliaxey Talstou.

  • Galerie im Körnerpark Schierker Str. 8, Neukölln, Mo–So 10–20 Uhr, online, bis 29.5.

Valie Export und Laia Abril bei C/O Berlin

© VALIE EXPORT, VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Foto: Hermann Hendrich
VALIE EXPORT: „Verletzungen I“, 1972, Albertina, Wien – The ESSL Collection © VALIE EXPORT, VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Foto: Hermann Hendrich

Am Abend der Eröffnung, kurz vor 22 Uhr am 26. Januar, wartete vor dem Charlottenburger Fotohaus C/O Berlin noch immer eine Schlange auf Einlass. Fotografien und Filme einer Klassikerin waren angekündigt: von Valie Export, der feministischen Performance-Pionierin aus Wien, eine Übernahme aus der großen Albertina dort. Aus fotografischer, historischer und kunsthistorischer Perspektive ist die Untersuchung ihres Werkes tatsächlich höchst aufschlussreich, doch wirkt die Berliner Auswahl sehr gedrängt. Luftiger präsentiert sind die Fotografien von Laia Abril im Obergeschoss. Die spanische Fotografin kombiniert unter dem Titel „On Rape“ Aufnahmen von Frauenkleidung mit Aussagen von Vergewaltigungsopfern und betreuendem Personal. Bei dem Anblick dieser Arbeiten wurde das aufgeregte Eröffnungspublikum ganz leise.

  • C/O Berlin Hardenbergstr. 22–24, Charlottenburg, Mo–So 11–20 Uhr, 12/6 €, bis 18 J. frei, online, bis 23.5.

Ort der Wärme: „mensch-sein“

© Johanniter / Katharina Delmenhorst
Ort der Wärme im Humboldt Forum © Johanniter / Katharina Delmenhorst

Der Hilfsdienst der Johanniter bietet im zweiten Winter ein offenes Café im Humboldt-Forum an: eine geräumige, höchst gepflegte Wärmesstube für Menschen in und ohne Not. An den Wänden hängt eine Text-Foto-Serie von Andreas Duerst und Anja Gronwald, die Hilfesuchende und Mitarbeitende eines Kreuzberger Wärmeorts  vorstellt. Bewegend.

  • Johanniter im Humboldt Forum Portal 3, Schloßplatz, Mitte, Mi–Mo 14–18 Uhr, bis auf Weiteres

Fokus Schinkel. Ein Blick auf Leben und Werk

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Friedrichswerdersche Kirche Dauerausstellung "Ideal und From. Skulpturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie"© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Friederike und Luise sind ja zurück in der Friedrichswerderschen Kirche am Auswärtigen Amt: Hold, lieblich, stolz und frisch restauriert lächeln die preußischen Prinzessinnen in Johann Gottfrieds Schadows Gipsmodell Besuchenden entgegen (Foto, Mitte). Seit 24. November informieren die Staatlichen Museen nun genauer über den Erbauer der Kirche: Auf der Empore führen 14 Tafeln in Leben und Werk von Karl Friedrich Schinkel ein – seine wichtigsten Bauten in Berlin zeigen wir euch hier.

  • Friedrichswerdersche Kirche Werderscher Markt, Mitte, Di–So 10–18 Uhr, Eintritt frei, bis auf Weiteres

Neue Nationalgalerie: „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“

Wolfgang Mattheuer: Brasker Landschaft, 1967, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie. Foto: Roman März

In der Neuen Nationalgalerie zeigt sich der nächste Teil der Sammlung neu sortiert: Die Ausstellung
„Zerreißprobe“ präsentiert Kunst nach 1945. Ost und West finden hier zusammen – genauso wie Kunst
und Politik. Unter den 170 Arbeiten der Ausstellung gibt es jede Menge bekannte Werke. Neben Werken der üblichen Verdächtigen von Marina Abramović bis Andy Warhol aus der ehemaligen Nationalgalerie-West an der Potsdamer Straße hängen jetzt Arbeiten bekannter Ostgrößen wie Wolfgang Mattheuer Harald Metzkes oder Werner Tübke, die die  auf der Museumsinsel gelegene Nationalgalerie-Ost sammelte.

Verantwortlich für die Schau sind der für die Sammlung zuständige stellvertretende Direktor Joachim Jäger, die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Steinkamp sowie die Kunsthistorikerin Marta Smolińska von der Universität der Künste in Poznań. „Zerreißprobe“ ist laut Joachim Jäger der Versuch einer Darstellung, die den Entwicklungen von Meinungen und Werten in der Gesellschaft folge. Die Gesellschaft entscheidet über die Kriterien der Kunst. Das war schon immer so, nur obsiegen nun offenbar Gesinnung, Moral und Geschlecht über Ästhetik.

Die Geschichte schreiben immer die Sieger. „Die Einfühlung in den Sieger kommt demnach den jeweils Herrschenden allemal zugut“, formulierte 1940 Walter Benjamin. Denn die im Dunkeln, die Ausgeschlossenen und Vergessenen, sieht man ja nicht – und sie sind auch in der Neuen Nationalgalerie nicht zu sehen, beispielsweise Werke der Art brut, Werke der oft autodidaktischen Kunst gesellschaftlicher Außenseiter, die, wie Jäger sagt, nicht in der Sammlung vertreten  sind.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di/ Mi, Fr–So 10–18, Do 10–20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J. + 1.  So/ Monat frei, bis 28.9.2025

Unbound: Performance as Rupture

Akeem Smith, Social Cohesiveness, 2020, Drei-Kanal-Videoinstallation, 32′53″, Farbe, Ton. Installationsansicht, UNBOUND, JSF Berlin. Foto: Alwin Lay.

Performance ist die Kunstform der Stunde, das hat nicht zuletzt das Performance-lastige Programm der Berlin Art Week gezeigt. Die neue Sammlungspräsentation „Unbound: Performance as Rupture“ der Julia Stoschek Foundation untersucht, wie Künstler:innen historische Narrative und Ideologien der Unterdrückung mithilfe von Performance und Videokunst seit den 1960er-Jahren bis heute in Frage stellen. Darunter Ikonen wie Valie Export und Shootingstars wie Akeem Smith. 

  • Julia Stoschek Foundation Leipziger Str. 60, Mitte, Sa+So 12–18 Uhr, 5 €, bis 18 J. frei, bis 28.7.2024

Gerhard Richter – 100 Werke für Berlin

Blick in die Ausstellung „Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin“, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: David von Becker

100 Arbeiten leiht der berühmte Maler Gerhard Richter der Neuen Nationalgalerie auf lange Zeit, und sie alle passen in das Grafikkabinett im Untergeschoss des Museums. Denn unter den Abstraktionen befinden sich viele kleine übermalte Fotos – Spitzenstücke, eine Wucht. Im Zentrum jedoch hängt der „Birkenau“-Zyklus, mit dem Richter die Grenzen der Kunst im Angesicht von Verbrechen der Nationalsozialist:innen thematisiert. Als Vorlage dienten Fotografien, die Häftlinge unter Lebensgefahr in Auschwitz-Birkenau aufgenommen und aus dem Konzentrationslager geschmuggelt hatten.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–Mi, Fr–So 10–18, Do bis 20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J., Do ab 16 Uhr + 1. So/ Monat frei, Tickets hier, bis auf Weiteres

Ts’ uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen

Ansicht der temporären Ausstellung "Ts'uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen" im Humboldt Forum. Foto: © 2020 by Alexander Schippel

Was länger währt, wird womöglich besser: Die Ausstellung „Ts̓  uu – Zeder“ des Ethnologischen Museums konnte pandemiebedingt nicht  mit den Sälen eröffnen, die im Herbst das Humboldt Forum komplettiert haben. Doch nun ist die Schau über Regenwälder an der Westküste Kanadas fertig, eine Koproduktion mit dem hochmodernen Haida Gwaii Museum auf gleichnamigem Archipel vor der Küste British Columbias. Sie zeigt, wie erhellend und publikumsfreundlich transkontinentale und transdisziplinäre Zusammenarbeit sein kann. Nur einen Saal mit 130 Exponaten umfasst die Schau, die genauso Ruhe wie Abwechslung bietet, dank einer Sitzecke und des Einsatzes verschiedener Medien. Selbstverständlich gibt es klassische Objekte wie Wappenpfähle. Daneben aber hängen Reportagefotos und bedruckte T-Shirts. Sie bezeugen Proteste Indigener gegen die Abholzung der Regenwälder durch euro-kanadische Firmen.

  • Humboldt Forum Schlossplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30, Eintritt frei, bis 12.1.2025

All Hands On: Flechten

Endlich schlägt das Museum für Europäische Kulturen (MEK) wieder mit einer großen Ausstellung auf. „All Hands On: Flechten“ präsentiert Meisterwerke aus Kunst, Handwerk und Design, anonyme Stücke aus Stroh und Rinde genauso wie die neue Arbeit „Der geflochtene Garten“ von Olaf Holzapfel, Teilnehmer der Documenta vor fünf Jahren. Ein willkommener Anlass für eine U-Bahnfahrt nach Dahlem: das auch Biergärten, Buchhandlungen an der Uni, Parks und dem Landwirtschaftsmuseum Domäne Dahlem wenig entfernt vom MEK einen Ausflug wert ist. Perfekt für ein langes Wochenende.

  • Museum Europäischer Kulturen Arnimallee 25, Dahlem, Di–Fr 10–17, Sa/ So 11–18 Uhr, 8/ 4 €, bis 18 Jahre + Berlin Pass frei, Tickets hier, bis 26.5.2024

Mehr Kunst und Ausstellungen in Berlin

Blick nach vorn: Die wichtigsten Ausstellungen im Kunstjahr 2024. Überblick verloren? Sobald die Infos da sind, steht hier das Wichtigste zur Berlin Art Week. Geht immer: Wir zeigen euch wichtige Ausstellungshäuser, Galerien und Museen für Kunst in Berlin. Gut zu wissen: Am Museumssonntag ist der Eintritt kostenlos, jeden ersten Sonntag im Monat.

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