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Drama

Barry Jenkins verfilmt mit „Beale Street“ einen Roman von James Baldwin

Ein alltägliches Leben: Familiärer Zusammenhalt in finsteren Zeiten

2018 Annapurna Releasing

Als „Moonlight“ bei der Oscar-Verleihung 2017 die Trophäe für den besten Film erhielt, kannte man Barry Jenkins, den Regisseur des Coming-of-Age-Dramas um ein schwarzes Slumkid, selbst in Fachkreisen kaum. Denn das ebenso präzise wie empathische Porträt eines homosexuellen Jungen, der in einer schwierigen Umgebung nach seinem eigenen Weg sucht, war erst seine zweite Regiearbeit.

Sein Langfilmdebüt „Medicine for Melancholy“ hatte der Regisseur bereits 2008 mit dem minimalen Budget von nicht einmal 15.000 Dollar gedreht – anschließend lief der Film, der von 24 Stunden im Leben eines jungen schwarzen Paares in San Francisco erzählt, auf einigen Festivals und bekam ein paar gute Kritiken, ehe er in Vergessenheit geriet.

Insofern erschien die inszenatorische und stilistische Souveränität, die sich in „Moonlight“ abzeichnete, ziemlich überraschend: Während Jenkins die Struktur der drei Akte eines nie kommerziell aufgeführten Bühnenstücks namens „In Moonlight Black Boys Look Blue“ beibehielt, bewegte sich sein Film stilistisch im Spannungsfeld der Eleganz geschmeidiger Kamerafahrten und einer kühlen blauen Farbpalette sowie der Unmittelbarkeit von mit der Handkamera gefilmten Szenen, die einen direkten Zugang zur Gefühlswelt des Protagonisten ermöglichen.

Beeindruckend war dabei auch die Komplexität in den Beziehungen der Figuren zueinander, und wie der Film es schaffte, Klischees und Erwartungshaltungen ständig zu unterlaufen. Insofern lässt sich „Moonlight“ als ein Film ohne Label bezeichnen: weder Sozialdrama noch Schwulenfilm, sondern viel universeller gedacht als die Geschichte eines Jungen, der sich in allen Lebensbereichen beständig fremd fühlt.
Mit seinem neuen Film „Beale Street“ knüpft Jenkins nahtlos an sein Meisterwerk an und erzählt nach dem 1974 erschienenen Roman „If Beale Street Could Talk“ des amerikanischen Schriftstellers James Baldwin die Geschichte eines jungen schwarzen Paares, das sich im Harlem der 1970er-Jahre ein gemeinsames Leben aufbauen will.

Die ersten beiden Sequenzen des Films könnten kaum gegensätzlicher sein: Eben noch hat man ein schwarzes Liebespaar sich einander zärtlich umwerben gesehen, da sitzt der junge Mann auch schon unschuldig im Knast. Ihm wird vorgeworfen, eine Puertoricanerin vergewaltigt zu haben; als Zeuge tritt ein rassistischer weißer Polizist auf.

Damit ist der eigentlich sehr einfache Konflikt etabliert: Die Verkäuferin Tish (KiKi Layne) und der angehende Bildhauer Fonny (Stephan James), befreundet bereits seit ihrer Kindheit, haben sich ineinander verliebt, doch alltäglicher Rassismus und massive Diskriminierung begleiten die beiden in der amerikanischen Gesellschaft der frühen 1970er-Jahre auf Schritt und Tritt. Ein normales Leben scheint nicht möglich. Bereits die Wohnungssuche stellt für das Paar eine fast unüberwindbare Hürde dar, denn niemand will an Schwarze vermieten.

Dabei ist die in einem intelligent verwobenen Geflecht von Rückblenden und Gegenwartsszenen vorwiegend aus Tishs Sicht erzählte Geschichte aber nicht einfach ein Lamento über gesellschaftliche Missstände. Eher im Gegenteil: „Beale Street“ erweist sich vor allem als eine große Liebes- und Familienstory, die vom Versuch der verschiedenen Protagonisten erzählt, einander trotz der widrigen Umstände Halt zu geben und die Hoffnung auch angesichts vieler Rückschläge nicht zu verlieren.

Doch auch innerhalb der Familie steht nicht immer alles zum Besten: So erweist sich etwa Fonnys Mutter als eine ­arrogante und bigotte Zicke, die der mittlerweile schwangeren Tish alle Schuld am Schicksal ihres Sohnes zuweist.

Inszenatorisch lebt „Beale Street“ von einem sehr interessanten Kontrast. Während die Wertigkeit geschliffener Dialoge und der Szenenaufbau auf die literarische Herkunft des Materials verweisen, zeigt sich vor allem in der Verwendung von Farbe und den expressiven Großaufnahmen der Gesichter eine große Meisterschaft von Barry Jenkins: Er beweist erneut, dass er einer der bedeutenden visuellen Stylisten des amerikanischen Gegenwartskinos ist.

If Beale Street Could Talk USA 2018, 119 MIn., R. Barry Jenkins, D: KiKi Layne, Stephan James, Regina King, Colman Domingo, Start: 7.3.

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