Erbaut als westlicher Endpunkt der Eisenbahn nach Frankfurt (Oder), gewann der Ostbahnhof im Laufe der Jahre immer mehr an Bedeutung. Tor zum Westen, hart umkämpfter Standpunkt im Ersten und Zweiten Weltkrieg und Epizentrum des Reisens im Berlin der 80er und 90er Jahre – der Ostbahnhof erlebte rasante Zeiten Berliner Stadtgeschichte.
Nach fast 180 Jahren ist er heute nur noch der drittgrößte Bahnhof der Stadt, Neubauten und Modernisierungen in anderen Teilen der Stadt kosteten Bedeutung. Diese 12 Bilder erzählen eine fotografische Geschichte von einem einst geschäftigen Bahnhof, der in seiner Zeit viele Namen hatte.
Der Ostbahnhof als Zeitzeuge von 180 Jahren Stadtgeschichte
Mit seiner Eröffnung als Frankfurter Bahnhof am 23. Oktober 1842 hat der Ostbahnhof mittlerweile fast 180 Jahre Stadt- und Landesgeschichte miterlebt. Damit bezeugt er neben dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auch die Gründung des Kaiserreiches unter Fürst Otto von Bismarck und dem Deutschen Kaiser, sowie König von Preußen, Wilhelm I.
Erbaut als Kopfbahnhof, wurde er mit der Entstehung der Berliner Stadtbahn im Jahr 1875 zum Durchgangsbahnhof umgebaut und ist seither Startpunkt einer Eisenbahnstrecke, die in Ost-West-Richtung durch die historische Mitte der Stadt bis ins Westliche Zentrum nach Charlottenburg führt. 1881 erfolgte eine erste Umbenennung in Schlesischer Bahnhof.
Der Schlesische Bahnhof als Tor nach Osten
Mit der Eröffnung des Schlesischen Bahnhofs wurde der 400 Meter entfernte alte Ostbahnhof, der als Endpunkt der Königlichen Ostbahn diente, stillgelegt und seine Verbindungen integriert. Als Startpunkt aller Reisen nach Ost- und Südeuropa, gewann der Schlesische Bahnhof jetzt weiter an Bedeutung und machte sich in der Bevölkerung einen Namen als das Tor nach Osten. So hielt hier beispielsweise der Nord-Express, DER europäische Luxuszug schlechthin, welcher die Reisenden von Sankt Petersburg über Berlin nach Paris und wieder zurück brachte.
Hart umkämpft und vorübergehend stillgelegt
Im August 1914 erfolgte eine vorübergehende Stilllegung der Zugverbindungen für die zivile Bevölkerung, denn die Züge fuhren aufgrund des Ersten Weltkrieges vor allem in das besetzte Gebiet Ober Ost. Während des Spartakusaufstandes 1919, der in Zusammenhang mit der Novemberrevolution erfolgte, war der Schlesische Bahnhof hart umkämpft.
Rüstungstransporte und die Schlacht um Berlin
Ab 1926 nahmen Züge wie der Nord-Express die Fahrt vorübergehend wieder auf. Täglich bis zu 165 ankommenden und 176 abfahrenden Züge wurden hier abgefertigt.
Im Zweiten Weltkrieg diente der Schlesische Bahnhof vor allem dem Rüstungstransport der deutschen Wehrmacht für den Überfall auf Polen und den folgenden Krieg gegen die Sowjetunion. In der Schlacht um Berlin eroberte die Rote Armee am 25. April 1945 den Schlesischen Bahnhof und eröffnete von hier aus das Feuer auf die Berliner Innenstadt.
Endhaltestelle Ostbahnhof
1950 erfolgte eine erneute Umbenennung des Bahnhofs, dieser hieß von nun an erstmals Ostbahnhof. Grund dafür war die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die DDR, die mit der Umbenennung von Bahnhöfen einen weiteren Schritt tätigte, den Bezug zu den ehemaligen deutschen Ostgebieten aufzugeben. Durch den andauernden Kalten Krieg wurde der Ostbahnhof jedoch für viele Züge aus Osteuropa zur Endhaltestelle.
Eine Empfangshalle für den Ostbahnhof
Im Mai 1987 wurde der elektrische Fernbahnzugbetrieb von Osten her aufgenommen. Zudem erfolgte in diesem Jahr eine grundlegende Umgestaltung des Ostbahnhofs, bei dem dieser eine dreigeschossige Empfangshalle erhielt.
Der Ostbahnhof wird zum Berliner Epizentrum des Reisens
Aufgerüstet mit elektronischen Informationssystemen in der Empfangshalle, und den im Zuge der Umgestaltung modernisierten Hallendächern und Treppen sowie dem sanierten Fußgängertunnel, zusätzlich neu eingebauten Rolltreppen, konnte der Bahnhof am 15. Dezember 1987 eröffnen. In diesem Zuge wurde er erneut umbenannt und wurde als Berlin Hauptbahnhof zum Reisezentrum der Stadt.
Fahrplanwechsel und eine vorerst endgültige Namensgebung
Bereits elf Jahre später, mit dem Fahrplanwechsel, wurde der Bahnhof erneut und vorerst endgültig in Ostbahnhof umbenannt. Ebenfalls im Jahr 1998 erfolgte ein weiterer Umbau, bei dem unter anderem die Fernbahnsteige verlängert wurden.
Weniger Verkehr durch Neuordnung
Am 29. Juni 2000 wurde die gläserne Empfangshalle des Bahnhofs eingeweiht. Nur sechs Jahre danach erfolgte eine Neuordnung des Berliner Bahnknotens und durch die Verlegung des Nord-Süd-Verkehrs in den Tunnel Nord-Süd-Fernbahn ging der Betrieb am Ostbahnhof drastisch zurück. Die Zahl der täglichen Regionalzughalte verringerte sich von 236 auf 198, die Zahl der Fernverkehrshalte von 146 auf 98.
Zug der Erinnerung
In den Jahren 2007 bis 2013 wurde der Ostbahnhof zu einer von 63 Haltestellen für den „Zug der Erinnerung“, einer rollenden Ausstellung durch Deutschland und Polen, welche an die Deportation von mehreren hunderttausend Kindern aus Deutschland und Europa in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager erinnerte. Mit dem Projekt sollte vor allem der jungen Generation eine Identifizierung mit den Opfern der Shoa erleichtert werden.
Umfangreiche Sanierungsarbeiten
Seit 2011 wird der Bahnhof grundsaniert. Die Bogenträger der Gleishalle erhielten dabei bereits einen Korrosionsschutz sowie eine Brandschutzbeschichtung. Zudem fand eine Erneuerung der Oberlichter und des Entwässerungssystems statt und die Fassade an der Erich-Steinfurth-Straße wurde neu verglast. Obwohl ein Ende der Bauarbeiten für 2021 vorgesehen war, wird eine Fertigstellung, wie schon bei diversen anderen Berliner Bauprojekten, nicht zeitgemäß erricht. Die Bahn geht davon aus, dass sich das Vorhaben noch bis 2025 zieht, da das Hallendach umfangreicher saniert werden muss.
Weniger Verkehr durch Fahrplanänderungen
Trotz der andauernden Sanierungsmaßnahmen ist immer weniger los am Ostbahnhof. Zwar gehört er zu den 20 sogenannten Stammbahnhöfen der Berliner S-Bahn, der Regional- und Fernverkehr nimmt aber immer weiter ab. Durch die Fahrplanänderung im Dezember 2020 wurden weitere Verbindungen, wie der RE7, der RE14 und die IC-Verbindung nach Amsterdam eingestellt.
Weniger geschäftig, trotzdem lebendig
Mit seinen etwa 55 Geschäften ist der Ostbahnhof einer von zehn Einkaufsbahnhöfen in Berlin. Zwar ist er nicht mehr so geschäftig wie in seinen Hochzeiten und hat auch ein ganzes Stück seines einstigen Glanzes verloren, mit täglich ca. 100.000 Besuchern ist er trotzdem noch lebendig. Vor allem an den Wochenenden herrscht ein reges Treiben, dank sonntags geöffneter Supermärkte, partywütige Berghainbesuchern und Durchreisenden auf dem Weg zu East Side Gallery, der East Side Mall oder zum Antik- und Sammlermarkt am Ostbahnhof.
Noch mehr zum Thema
Mehr Infos zur Geschichte und Bedeutung des Ostbahnhofs bekommt ihr hier. Eine Zeitreise lohnt sich ebenfalls zum Bahnhof Zoo: Vom Kaiserreich zur Schmuddel-Zeit in 12 Bildern. Einen Besuch wert ist natürlich auch das Herz des Hauptstadt-Fernverkehrs: Der Berliner Hauptbahnhof. Passend dazu gibt es eine Fotostrecke in 12 Bildern: Vom ersten Spatenstich zur Europacity.
Wer noch nicht genug von den Berliner Bahnhöfen hat, findet hier all jene, die abgerissen, zerstört und stillgelegt wurden: 12 verschwundene Bahnhöfe in Berlin. Und außerdem sagen wir euch, was aufgebrachte Touristen schreiben in den Google-Bewertungen der Berliner Bahnhöfe: „1a gute Ort zun chillen“.