Die Station Papestraße wachte erst nach der Wende langsam auf. Heute zeigen sich hier ganz andere Bilder als damals: Aus der verschlafenen Station wurde der Bahnhof Südkreuz, eine der modernsten Anlagen in Berlin. Wir blicken mit 12 Fotos zurück auf Jahre des Stillstands und zeigen euch das Südkreuz bis heute.
Papestraße, 1993: Nicht viel los
Mit dem Reichsbahnstreik 1980 kam der Zugverkehr an der alten Station Papestraße zum Erliegen. Früher fuhren hier Züge der Ringbahn und Verbindungen auf der alten Anhalter Linie. Erst 1993 wurde der Ringbahnverkehr in Berlin wieder auf der gesamten Strecke aufgenommen, aber der Bahnhof Papestraße war noch immer recht verschlafen.
Der lange Weg zum neuen Bahnhof Südkreuz
Aus dem alten Bahnhof Papestraße sollte das Südkreuz werden: ein moderner Turmbahnhof, die Nummer zwei nach dem Berliner Hauptbahnhof. Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg. Erst 1999 stand der Siegerentwurf des Architekturwettbewerbs fest. Die Bauarbeiten fanden während des laufenden Betriebs statt, sodass um die alte Eingangshalle des Bahnhofs aus dem späten 19. Jahrhundert mehr und mehr Baukräne auftauchten.
Ein neuer Name für den Bahnhof
Auf älteren Bildern sieht man nicht den Namen Südkreuz, sondern nach wie vor Papestraße. So hieß die Station seit ihrer Eröffnung, eine Erinnerung an den Berliner General Alexander von Pape (1813–1895). In früheren Konzepten war von einem Fernbahnhof Papestraße die Rede, und als 2005 der S-Bahn-Verkehr hier anlief, war der neue Name für den nüchternen Bahnhof aus Stahl, Glas und Beton noch nicht spruchreif.
Eröffnung mit Bahn- und Regierungschef
Die Eröffnung des neuen Bahnhofs Südkreuz erfolgte Schritt für Schritt. Die Ringbahnhalle wurde 2005 in Betrieb genommen, am 13. Juni wurde das gebührend gefeiert. Anwesend bei der Gala am Gleis: Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Bahnchef Hartmut Mehdorn, der allem Anschein nach letzte Unklarheiten zur Funktionsweise von Kreuzungen beseitigt.
Imposant aus der Luft: Südkreuz von oben
115 Millionen Euro kostete der Neubau des Bahnhofs Südkreuz. Die Gegend rundherum ist nicht gerade lebhaft, aber aus der Luft offenbart sich, weshalb gerade hier ein Fernbahnhof so viel Sinn ergibt. Nach Norden führen die Gleise ins Berliner Zentrum, der Bahnhof liegt direkt am Ring und verkehrsgünstig in der Nähe des Autobahnkreuzes Schöneberg. Mehr Ansichten von oben? Hier sind 12 tolle Luftaufnahmen von Berlin.
Für mich soll’s rote Rosen regnen
Hildegard Knef, die Größe des Berliner Chansons, liegt am Waldfriedhof Zehlendorf begraben. Zu Ehren der 2002 Verstorbenen wurde 2007 der Platz vor dem neuen Bahnhof Südkreuz nach ihr benannt. Die Eröffnung feierte man bei kalten Wintertemperaturen mit roten Rosen.
Südkreuz im Sonnenschein
So traurig Bahnhöfe im Winter wirken können, so nett ist es dafür, wenn die Sonne scheint. Das Südkreuz verlässt sich wie so viele funktionale Neubauten darauf, dass das Material die schlichte Gestaltung schon ausgleichen wird. Und im Sommer haben kolossale Bauten aus Stahl und Glas da durchaus ihren Reiz, dann kommt die Fassade voll zur Geltung.
Eine Erinnerung an den Vorgängerbau
Karl Cornelius und Waldemar Suadicani waren gründliche preußische Beamte: In mühsamer Detailarbeit stellten sie Kriterien zur Vereinheitlichung des preußischen Eisenbahnnetzes zusammen – und ließen es sich nicht nehmen, auch selbst Bahnhöfe zur gestalten. Der Vorgängerbau vom Bahnhof Südkreuz überdauert aber fast nur noch in Bildern – bis auf den Uhrturm des 1901 eröffneten Gebäudes, der von der Abrissbirne verschont wurde und das Parkdeck des Neubaus stützt.
Das Südkreuz ist ein sogenannter „Zukunftsbahnhof“. Der wolkige Begriff heißt für die Deutsche Bahn ganz konkret, dass auf nachhaltige Energie gesetzt wird. Die merkwürdigen Antennenkonstruktionen, die man bei der Einfahrt sieht, sind kleine Windkraftanlagen, und auch Photovoltaik-Module finden sich auf dem Bahnhofsgelände.
Daumen hoch: Zugtaufe am Südkreuz
Für eine traditionelle Schiffstaufe wird eine Flasche Champagner am Bug zerschlagen. Zugtaufen sind deutlich weniger glamourös, es fehlt der Hauch von weiter Welt, wozu der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Bahnchef Rüdiger Grube und Jochen Eickholt (Siemens) am 4. Dezember 2015 mit arg gestelzten Bildern ihren Beitrag leiste: Daumen hoch für den ICE der Baureihe 4 mit Fahrradstellplätzen und Klimaanlage. Am 4. Dezember 2015 wurde der Schnellzug vorgestellt und ist seit 2017 im Einsatz.
Aktionen gegen Videoüberwachung
Der Bahnhof ist fürs Innenministerium eine High-Tech-Spielwiese. 2017/18 sammelte die Bundespolizei am Südkreuz Bilder und Videos, um Technologien zur automatischen Gesichtserkennung zu testen. Dagegen regte sich Protest. Aktivist*innen fanden heraus, welche spezielle Gesichtsbemalung die Erkennungssoftware austricksen kann und verteilten, als Kamera verkleidet, Flyer. Nach wie vor haben Datenschützer*innen, vorsichtig formuliert, Bedenken bei der Videoüberwachung – die jedoch ausgebaut werden soll, auch in Zukunft möchte das Innenministerium Sicherheitstechnik am Südkreuz testen.
Ewige Baustelle
Bilder vom Südkreuz und der Umgebung sind bisweilen trostlos. Der Bahnhof liegt schließlich an einer Autobahn, auf der anderen Seite liegen Gewerbeparks, wirklich wohnlich ist das nicht. Ob sich das jemals ändern wird, ist fraglich, aber es wird fleißig gebaut. Die Schöneberger Linse, so heißt die Gegend zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Schöneberg, soll zu einem ganz neuen Stadtquartier werden.
Mehr Berliner Bahnhöfe
Ausführliche Infos über das Südkreuz findet ihr hier. Bunkertouren und Wurstbuden: Die Geschichte von Gesundbrunnen in Fotos erzählen wir hier. Die Hauptstadt hat ziemlich schöne Stationen. Mehr zu Berlins sehenswerten Bahnhöfen hier. Dabei lohnt sich auch der Blick in die Vergangenheit: 12 Bahnhöfe und Bahnstrecken, die es nicht mehr gibt. Aber es ist nicht alles schön, findet jedenfalls das Internet: die lustigsten Google-Bewertungen von Berliner Bahnhöfen.