Das Nikolaiviertel ist eine spannende Gegend in Berlin, nicht nur für Touris. Hier gibt’s jede Menge Museen, eine uralte Kirche, Restaurants und Kneipen in historischem Ambiente – und ein Architekturkonzept, das nicht alltäglich ist. Denn Berlins ältestes Viertel ist zugleich ziemlich jung. Erst in den 1980er-Jahren wurde das historische Stadtzentrum zur 750-Jahr-Feier Berlins teils originalgetreu rekonstruiert und teils fantasievoll in Plattenbauweise neu erfunden. Wir stellen euch das Nikolaiviertel vor, erzählen die Geschichte des Quartiers und haben Infos für den Besuch der zahlreichen Sehenswürdigkeiten.
Das Nikolaiviertel erzählt Stadtgeschichte
Geschichte Zwischen Spreeufer (einst Burgstraße), Mühlendamm und der heutigen Spandauer Straße befindet sich der Kern der Stadt: das malerische Nikolaiviertel, dessen Geschichte im Mittelalter beginnt. Hier wurden die Grundsteine für die spätere Metropole gelegt, der Mühlendamm verband Cölln und Berlin, also die beiden Siedlungen, die später zur Großstadt zusammenwachsen sollten.
1230 war auch die Kirche St. Nikolai an diesem so bedeutenden Handelsweg fertig, 1237 gilt gemeinhin als Gründungsjahr von Berlin. Wann immer die Stadt Jubiläen feiert, ist dies der Bezug, auch wenn über den genauen Zeitpunkt Unklarheit herrscht. Die entsprechenden Urkunden sind möglicherweise einem Brand zum Opfer gefallen, aber bei Jahrhunderten kommt es auf den Monat vielleicht nicht an. Und auch die Sache mit dem Namen ist etwas anachronistisch: Erst im 18. Jahrhundert wurde „Nikolaiviertel“ verwendet, seit 1987 hat sich der Begriff dann wieder eingebürgert.
Während rundherum die Stadt wuchs, bewahrte sich dieses Stück des alten Berlins seinen ursprünglichen Charakter mit engen Gässchen und schmalen Wohnhäusern. Der Stolz des aufstrebenden Bürgertums war die Kirche, die schon in den 1260er-Jahren umfassend umgebaut worden war und den Kern des Quartiers bildete. Sie steht noch immer und zählt zu den ältesten Gebäuden in Mitte, auch wenn sie längst entwidmet ist und heute als Museum besucht werden kann.
Jahrhunderte der Veränderungen im Nikolaiviertel
Die Nikolaikirche steht, doch rundherum ist Berlins ältestes Viertel eigentlich ein ziemlich junges Quartier. Im 19. Jahrhundert, als Berlin über sich selbst hinauswuchs, war auch das Zentrum Schauplatz von Umwälzungen: So entstand dort etwa das riesige Kaufhaus Nathan Israel. Auf die Geschichte von Berliner Warenhäusern und Einkaufstempeln blicken wir hier zurück.
Aber während große Teile Berlins sich ganz dem wilhelminischen Prunk hingegeben hatten, war die Bausubstanz im Nikolaiviertel wesentlich älter – und längst nicht mehr in gutem Zustand. Schon den Nazis schwebte daher der vollständige Abriss des Quartiers vor, um die Fläche als Freilichtmuseum für Berliner Baukultur zu nutzen: Bürgerhäuser aus anderen Stadtteilen sollten abgetragen und in Mitte wieder aufgebaut werden. Für das „Germania“-Hauptstadtprojekt waren ohnehin gewaltige Veränderungen angedacht, verwirklicht wurden zum Glück nur wenige.
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Das Ende des Nikolaiviertels führten dann aber nicht die Abrissbirnen herbei, sondern Bomben und Geschosse. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Quartier stark zerstört, nach Kriegsende dann nach und nach fast völlig abgetragen – erst die Ruinen, dann zum Teil auch noch intakte Gemäuer. In der DDR-Stadtplanung fristete das historische Zentrum ein Schattendasein. Andere Projekte hatten Vorrang: der modern hergerichtete Alexanderplatz etwa, die prachtvolle Karl-Marx-Allee und ganz allgemein der Bau günstiger Wohnungen für die Menschen im Osten der Stadt.
Die DDR plante sogar einen Wolkenkratzer nach sowjetischem Vorbild als zentrales Regierungsgebäude. Das Projekt wurde nie verwirklicht, hätte für das brachliegende Nikolaiviertel aber wirklich das Ende bedeutet: stattdessen wäre dort womöglich ein erweitertes Hafenbecken für Ausflugsboote entstanden.
Das neue Nikolaiviertel: Rekonstruktion zur 750-Jahr-Feier
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Die Gegend blieb jedoch eine Brache, der Umgang damit änderte sich erst allmählich, als ein bedeutendes Jubiläum näherrückte: 1987 standen die 750-Jahr-Feierlichkeiten in der geteilten Stadt an. In der DDR kam zur Partystimmung auch eine neu entfachte Liebe zum Ursprünglichen und zu historischen Formen: Die Stadtverwaltung wollte auf Basis mittelalterlicher Grundrisse Vorhandenes restaurieren und die Lücken mit Neubauten füllen. Das Ziel: ein harmonisches und vermeintlich historisches Erscheinungsbild.
Das führte zu äußerst unterschiedlichen Herangehensweisen zwischen akkurater Rekonstruktion und fantasievollem Neubau. So wurde die bis auf die Grundmauern verwüstete Nikolaikirche originalgetreu wieder aufgebaut. Auch die historischen Bürgerhäuser im Schatten der Kirche kehrten zurück. Die Bundesrepublik überließ der DDR eingelagerte Trümmer, um das Ephraim-Palais im Rokoko-Stil wieder auferstehen zu lassen. Und mit der Gaststätte Zum Nußbaum, einst ein typisches Zille-Stammlokal, ging man beim Wiederaufbau recht gründlich vor und pflanzte sogar ein neues Stämmchen ein, das alles aber ein bisschen entfernt von der historischen Adresse, auch wenn man die mittelalterlichen Grundrisse zu beachten versuchte. Das Nikolaiviertel steckt voller solcher Geschichten, die nicht frei von Widersprüchen sind. Nachlesen könnt ihr das in unserem Artikel zu rekonstruierten Gebäuden in Berlin.
Wesentlich umstrittener sind dabei jedoch die Neubauten – und weltweit haben sie Seltenheitswert. Günter Stahn, Mastermind des Projektes und einer der wichtigsten DDR-Architekten in Berlin, schwebte ein lebendiger Kiez vor, der sich an der historischen Vorlage orientiert. Aber „die Platte ist nun mal der Stein unserer Zeit“, das war das Credo des Baumeisters. Was das neue Nikolaiviertel nämlich auszeichnet, sind extravagante Plattenbauten, die historische Formen aufnehmen. Einerseits sind sie standardisiert, andererseits mit Giebeln und Ornamenten versehen, die man in Berliner Großwohnsiedlungen vergeblich sucht. Berlins alter Stadtkern gibt in seiner heutigen Form also gar nicht vor, authentisch und historisch zu sein – aber wenn man die Augen zusammenkneift, glaubt man es nur allzu gerne trotzdem.
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Museen und Kultur im Nikolaiviertel
Rund 50.000 Quadratmeter groß ist dieser beschauliche Teil Berlins, entsprechend umfangreich sind auch die kulturellen Angebote. Nicht entgehen lassen sollte man sich natürlich die Nikolaikirche, Herz des Quartiers. Für Gottesdienste genutzt wird sie aber längst nicht mehr, sie dient als Museum und Veranstaltungsort.
Historisch bedeutend ist auch das Knoblauchhaus, ein Barockbau von 1760. Das Museum darin ist auf die Berliner Wohnkultur im Biedermeier spezialisiert. Das Ephraim-Palais, mit seiner sanft geschwungenen Fassade ein architektonischer Höhepunkt. Die drei Bauten gehören zur Stiftung Stadtmuseum Berlin, mehr über Heimatmuseen lest ihr hier.
- Museum Nikolaikirche Nikolaikirchplatz, Mitte
- Ephraim-Palais Poststraße 16, Mitte
- Museum Knoblauchhaus Poststraße 23, Mitte
Viele weitere Kulturhäuser sind in dem Quartier ansässig. Natürlich gibt es ein Zille-Museum (Propststraße 11, online), ein Hanfmuseum (Mühlendamm 5, online) und eines der außergewöhnlichsten Museen in Berlin: Das Designpanoptikum sammelt skurrile Objekte (Poststraße 7, online).
Skulpturen im Nikolaiviertel
Das Nikolaiviertel ist für eine Touri-Tour durch Mitte ein ganz hervorragender Anlaufpunkt. Beim Spaziergang durch die schmalen Gassen fallen zahlreiche Statuen auf, die die Geschichte der Stadt erzählen. Zu den bemerkenswertesten gehört der Heilige Georg, eine Bronzeplastik von August Kiß. Das zwischen 1853 und 1855 entstandene Kunstwerk zeigt den christlichen Heiligen als Drachentöter, die Plastik gilt als Meisterwerk der Berliner Bildhauerei. Bis zur Sprengung stand Kiß’ Werk im Hof des Stadtschlosses, dann im Volkspark Friedrichshain, seit 1987 im Nikolaiviertel.
Weitere Skulpturen im Nikolaiviertel sind die Allegorie der Wissenschaft und Klio, die Muse der Geschichtsschreibung. Die vom Bidhauer Albert Wolff gefertigten Figuren zierten ursprünglich den Sockel eines Reiterstandbildes von Kaiser Friedrich III.
Und natürlich begegnet man auch einem Alt-Berliner Original: Thorsten Stegmann schuf 1969 eine Statue vom berühmten Pinselheinrich. Die Skulptur steht an der Poststraße, auf Zilles Spuren in Berlin begeben wir uns hier.
Fun Fact Das Nikolaiviertel ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Aber im Winter ganz besonders: Dann findet rund um die Nikolaikirche ein kleines Filmfest statt, in dessen Zentrum Heinz Rühmanns „Feuerzangenbowle“ steht. Die Aufführungen in kuscheliger Atmosphäre genießt man idealerweise mit dem titelgebenden Heißgetränk – und heißt man zufälligerweise Pfeiffer, dann gibt’s vielleicht sogar was aufs Haus. Mehr zu Weihnachtsmärkten in Berlin lest ihr im Winter hier.
Infos für den Besuch Das Nikolaiviertel ist eine Attraktion, aber eben auch ein ganz gewöhnliches Wohnviertel. Man spaziert hinein und hindurch, wann man will und wie man möchte. Abwechslungsreich ist das immer, schließlich ist das Angebot an Museen und spannenden Läden umfangreich. Wer nicht auf eigene Faust durch die historische Mitte spazieren möchte, kann sich auf einer Führung die Geschichte erklären lassen.
Und wer nach einem Rundgang eine Stärkung sucht, muss nicht lange suchen. Gaststätten und Restaurants gibt es im Nikolaiviertel an jeder Ecke, die Lokale tragen schöne Namen wie Zum Nußbaum, Zum Paddenwirt oder Zille-Stube. Wer zünftige Klassiker der Berliner Küche sucht, ist im historischen Zentrum der Stadt goldrichtig.
Anfahrt Das Nikolaiviertel ist autofrei, entsprechend sollte man den Wagen zuhause lassen. Am besten kommt man mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Nahverkehr hin. Der Bahnhof Alexanderplatz eignet sich für die Anfahrt mit der S-Bahn, Tram oder U-Bahn, von dort sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Wer U2 fährt, kann auch am Bahnhof Klosterstraße aussteigen, und mit der U5 fährt man am besten bis zum Bahnhof Rotes Rathaus. Die Buslinien 200 und 248 sowie diverse Nachtlinien halten direkt am Nikolaiviertel. Der Bus 147 hält am Schloss, von dort aus ist es ebenfalls nur ein kurzer Fußweg.
In der Nähe Das Nikolaiviertel liegt mitten in Berlin-Mitte – und entsprechend gibt es in jeder Himmelsrichtung etwas zu sehen. Wer ein bisschen herumspaziert, entdeckt den Alexanderplatz mit Fernsehturm, den Hackeschen Markt mit den Hackeschen Höfen, den imposanten Berliner Dom und das Humboldt Forum im Berliner Schloss sowie die zahlreichen tollen Ziele auf der Museumsinsel.
- Nikolaiviertel rund um Mühlendamm, Propststraße, Poststraße, Am Nußbaum, Nikolaikirchplatz, Rathausstraße, Spandauer Straße, Spreeuferstraße, Mitte
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Ihr wollt die Stadt entdecken? Alle unsere Texte über Museen in Berlin lest ihr hier. Mit dem Nikolaiviertel habt ihr so einiges abgedeckt, aber in unserer Sehenswürdigkeiten-Rubrik sind noch mehr Sightseeing-Ideen. Alles abgehakt? Berlins wichtigste Sehenswürdigkeiten – die Touri-Checkliste. Euch reizt die Baukunst? Wie viel Berlin für Architektur-Fans bietet, erfahrt ihr in dieser Rubrik. Und wer Lust hat, noch viel mehr zu sehen – Ausflugstipps für Berlin gibt es bei uns jede Menge. Wo schmeckt es am besten? Mit unserer Food-Rubrik bleibt ihr immer auf dem Laufenden. Und am besten abonniert ihr gleich noch unseren tipBerlin-Newsletter.