FAMILIE

Vier auf einen Streich

Es war einmal eine Märchenhütte. Das ist vorbei. In diesem Jahr gibt es gleich vier Orte, die Märchen für Kinder und Erwachsene in märchenhaften Bauten inszenieren.

Streit und Verwechselungsgefahr inklusive: Im Monbijoupark eröffnet jetzt die „Märchenscheune“ direkt neben der Märchenhütte. Das Original freilich muss um sein Bestehen fürchten. Der Bezirk verweigert die Genehmigung

Hüter des Originals: Das Hexenberg-Ensemble spielt im Glaspalast – aber nun auch wieder in der Märchenhütte, Foto: Andreas Krause

Text: Friedhelm Teicke

Aus Eins mach’ Zwei, aus Zwei mach’ Drei, und Drei mach’ gleich, so bist Du reich – so könnte, leicht abgewandelt aus Goethes ­Hexeneinmaleins, die Zauberformel für die „eierlegende Wollmilchsau“ Märchenhütte lauten.

Denn die Idee, im wohligen Ambiente alter Holzhütten Märchen aufzuführen, die die alten wohlbekannten Geschichten ironisch, spitz oder schaurig ins Heute überführen, ist ein solch profitables Erfolgsmodell, dass in diesem Jahr die berühmte Anfangsformel eigentlich „Es war viermal“ lauten müsste: Vier Anbieter, Erfinder wie Nach­ahmer, buhlen um die Gunst des Publikums mit einem Konzept, das im vergangenen Jahr rund 100.000 Zuschauer in die beiden Märchenhütten auf dem Bunkerdach im Monbijoupark und in den Glaspalast im Pfefferberg zog. Bei Ticketpreisen zwischen 5 (Kinder) und 18 Euro ergibt das: ein Millionengeschäft.

Seit 2007 werden in erst einer, bald zwei alten Holzhütten auf dem Bunkerdach im Monbijou-Park Märchen gespielt, zuerst nur für Kinder. Als zunehmend auch Erwachsene kamen und mitunter sogar mehr Große als Kleine in den Hütten saßen, wurde auch abends nur für Erwachsene weitergespielt. Wilhelm und Jakob heißen die Hütten, nach den Gebrüdern Grimm. Und lange gab es auch nur Erzählungen aus der Grimm-Sammlung zu sehen, von Regisseur Jan Zimmermann mit seinem Hexenkessel-Ensemble in muntere Spielvorlagen für jeweils zwei Spieler*innen übersetzt. Für ihn sind die „Grimmis“, wie er sie nennt, „eine Messe von sehr alten heiligen Geschichten, eine jahrtausendealte kulturelle Matrix, die wir in uns haben“.

Als Märchenhütten-Produzent Chris­tian Schulz das vor vier Jahren geändert hat und auch andere Märchen und Regisseure inszenieren ließ, ästhetisch oft eher zotig-krachledernes Bauerntheater, führte das zur Abspaltung des Urensembles um Jan Zimmermann und Produktionsleiter Roger Jahnke. Die Truppe mitsamt Publikumslieblingen wie Carsta Zimmermann und Vlad Chiriac zog als Hexenberg-Ensemble in den Pfefferberg um und eröffnete den Glaspalast.

Aber was ist das? In diesem Winter bespielt das Ensemble nicht nur den Glaspalast – und als Nebenspielstätte zusätzlich am Wochenende die Blaue Märchenhütte auf dem Weihnachtsmarkt der Späth’schen Baumschulen. Es ist auch zurück im Monbijoupark, spielt, gewissermaßen als Ensemble im Ensemble, „Grimmi“-Klassiker in den Märchenhütten. Und die gehören inzwischen einer neuen, gemeinnützigen GmbH, Folge eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung Mitte vom vergangenen Dezember, nur noch gemeinnützigen GmbHs die Sondernutzung der Parkfläche zu genehmigen.

Die Urmärchenhütte, die blaue Hütte, steht jetzt auf dem Gelände der Späth’schen Baumschulen, Foto: Daniela Incoronato

Die Gründer dieser „Märchenhütten und Monbijoutheater gGmbH“ sind alte Bekannte. Denn überraschend haben sich die zerstrittenen Theaterchefs Christian Schulz und David Regehr wieder zusammengetan und gemeinsam mit Roger Jahnke vom Hexenberg-Ensemble im Sommer die neue Firma gegründet. Bühnenbildner Regehr, langjähriger Partner von Schulz, hatte vor einem Jahr das gemeinsame Unternehmen im Streit verlassen. Mit ihm gingen der Regisseur Maurici Farré und der Schauspieler Matthias Horn. Die drei erhielten mit ihrer neugegründeten Theater an der Museumsinsel gGmbH (TadM) vom Bezirk und der Humboldt-Uni den Mietvertrag für die Sommerbespielung.

Diese glich dann aber eher einem Notspielplan und war auch künstlerisch dürftig. Matthias Horn sieht einen Großteil der Schuld dafür bei Regehr, der Zusagen nicht eingehalten habe. Denn obwohl Regehr und Schulz sich öffentlich lautstark beharkten, verließ dieser seine neuen Partner noch im Juni und gründete mit Schulz und Jahnke die neue gGmbH.

Die erhielt von der Humboldt-Uni nun den Nutzungsvertrag für das Bunkerdach. Gleichzeitig gab die Uni aber auch dem TadM von Horn und Farré einen Vertrag für das Areal daneben. Die wollen darauf nun die „Märchenscheune“ errichten, ein „fliegender Bau auf Zeltbasis“, und darin mit einem neuen Ensemble die von ihnen in den vergangenen Jahren in der Märchenhütte inszenierten Märchen spielen. „Im Gegensatz zur Märchenhütte haben wir alle Genehmigungen für den Bau“, sagt Horn.

Tatsächlich haben die Hütten keine baurechtliche Erlaubnis, hatten sie noch nie, sie wurden vom Bezirk in den vergangenen 12 Jahren aber immer geduldet. Diese Duldung will der zuständige Bezirksstadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), den Hütten aber nun nicht mehr geben, wie er in der RBB-Abendschau sagte. Vorsichtshalber will er sich aber noch das Votum der BVV einholen.

Dass die urigen Hütten womöglich abgerissen werden könnten, ist auch der Grund, warum das Hexenberg-Ensemble nun wieder dort spielt. „Wir wollen sie retten helfen“, sagen sowohl Jan Zimmermann als auch sein Schauspielstar Vlad Chiriac. Ihre Heimat sei zwar längst der Glaspalast. Aber dass die Originalhütten vom Ordnungsamt geschlossen werden, das soll nicht passieren.

Über 17.000 Menschen sehen das genauso und unterschrieben die Petition „Rettet die Märchenhütten“. Angesichts der Bedrohung und der Nachahmer könnte man genregemäß aber auch fragen: „Knusper, knusper Knäuschen, wer knabbert an den Märchenhäuschen?“

Glaspalast im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, bis 31.1., 15, erm. 12, bis 12 J. 7 €, www.hexenberg-ensemble.de

Märchenhütte, Monbijoustr. 3b, Mitte, 22.11. – 31.12., 13-15, Kids 5 €,
www.maerchenhuette.de

Märchenscheune, Monbijoustr. 3, Mitte, 28.11.–31.12., 12, Kids 6 €,
www.maerchenscheune-berlin.de

Märchenhütte in den Späth’schen Baumschulen, Späthstr. 80/81, Treptow, Fr 22.11.–20.12. 17+19.30 Uhr, 15, erm. 10 €, www.spaethsche-baumschulen.de

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