Kommentar

Berliner Stadtschloss: Das Kreuz ist ein Folterinstrument

Das Stadtschloss bekommt ein Kreuz. In Berlin wird am 29. Mai 2020 ab 15 Uhr das christliche Symbol auf die Spitze des künftigen Humboldtforums gesetzt. Das hat dort nix zu suchen. Ein Kommentar von Martin Schwarzbeck.

Das umstrittene Kreuz thront ab dem 29. Mai 2020 auf der Spitze des Stadtschlosses. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Das umstrittene Kreuz thront ab dem 29. Mai 2020 auf der Spitze des Stadtschlosses. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Wir haben uns ja mittlerweile damit abgefunden, dass einige Ewig-Gestrige in der Mitte Berlins gerade die Kaiserzeit wiederauferstehen lassen – das Schloss des Monarchen, den die Berliner*innen in der Revolution von 1918/19 abgesägt hatten, protzt da jetzt, als hätte es die Demokratisierung Deutschlands nie gegeben. Aber damit nicht genug, jetzt kommt auf die Spitze des 660-Millionen-Euro-Monarchiedenkmals auch noch ein Kreuz. Ein Kreuz! Und das in Berlin, wo gerade mal 26 Prozent der Einwohner christlich sind.

Das Kreuz auf dem Stadtschloss hat dort nix verloren

Das Kreuz ist ein Folterinstrument. Dass es Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, in seinem Freistaat in allen Behörden aufhängen lässt, scheint irgendwie passend. Doch im hedonistischen Berlin, das berühmt und beliebt für seine Offenheit gegenüber allen Religionen, Weltansichten und Lebenswandeln ist, hat das christliche Symbol auf einem derart zentralen und imposanten Gebäude nichts verloren. Es landet nun doch dort, weil das eben zur historisch korrekten Nachbildung gehört.

Dabei vergessen die Kreuz-Fans jedoch, dass an dem Bau außer seinem Aussehen und ein paar Fassadenteilen nichts historisch ist. Es handelt sich um einen Disneyland-haften Nachbau. Und seine geplante Nutzung als eine Art humanistisches Forum weist ja durchaus in die Zukunft, da wäre es doch nur angebracht, auch mit dem Symbol auf seiner Kuppel auf die Zukunftsgewandtheit und Weltoffenheit der Stadt und des Baus hinzuweisen. Wir hätten uns dort deutlich besser einen Regenbogen, ein Herz oder ein Peace-Zeichen vorstellen können.

Aber wir geben es jetzt auch auf. Das Kreuz ist Fakt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass der Inhalt des Schlosses, zu besichtigen angeblich ab Ende 2020, nicht ähnlich rückwärtsgewandt wird. Immerhin – und das ist ein kleiner Sieg der Schloss-Gegner – soll dort keine kolonialistische Beutekunst zu sehen sein.


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