Berlin verstehen

Berlins berühmte Straßen: Der Stadtgeschichte auf der Spur

Wer die Stadt verstehen will, sollte sich auf jeden Fall mit Berlins berühmten Straßen auseinandersetzen. Sie haben spannende Geschichten zu erzählen und stehen oft beispielhaft für alles, was der Stadt widerfahren ist. Anfänge in der Kaiserzeit oder lange vorher, tiefgreifenden Wandel und wofür die Straßen heute stehen – das findet ihr in unserer Übersicht. Die wichtigsten Straßen haben wir für euch ergründet, als Sammelstelle für Geschichte, Geschichten und Spaziergänge in die Vergangenheit der Stadt.


DDR-Prestige und Gentrifizierung: Die Karl-Marx-Allee

Die Karl-Marx-Allee ist eine der berühmtesten Straßen in Berlin. Foto: Imago/ZUMA Press

Sie hatte viele Namen, war einst als Große Frankfurter Straße bekannt, glorifizierte dann unter dem Namen Stalin den Sowjet-Diktator, bis sie den Namen des Philosophen Karl Marx erhielt. Schon während der 1848er-Revolution kämpften die Menschen hier auf Barrikaden, 1918/19 wiederholte sich dies in den revolutionären Wirren nach dem Ersten Weltkrieg. Der markante Prachtboulevard, wie wir ihn heute kennen, entstand aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die SED ließ markante, klassizistisch angehauchte Bauten entstehen – als Kulisse für Militärparaden und als Wohnraum für Eliten in der Hauptstadt der DDR. Nach der Wende hingegen wurde die Straße zum Sinnbild für den Ausverkauf der Stadt, die steigenden Mieten machen keinen Bogen um die Häuser zwischen Frankfurter Tor und Alexanderplatz. Die wichtigsten Stationen der Geschichte der Karl-Marx-Allee haben wir hier für euch.


Der Kurfürstendamm entwickelt sich vom Dammweg zum Boulevard

Die zerstörte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche um 1958, noch ohne den Neubau, der sie heute zur Sehenswürdigkeit macht. Foto: Imago/Gerhard Leber

Der Kurfürstendamm ist eine der beliebtesten Shopping-Meilen in Berlin, wenn auch vieles vom früheren Glanz verflogen ist. Allerdings: Wer ganz weit zurückschaut, der findet ohnehin erst einmal so gar keinen Glanz. Dort, wo heute der Ku’damm ist, wurde 1542 ein schlichter Dammweg angelegt mit dem Zweck, das Berliner Stadtschloss und das Jagdschloss Grunewald zu verbinden. Der älteste Beleg für den Weg findet sich im „Plan géométral de Berlin et des environs“ des Ingenieurs La Vigne von 1685. Rund ein Jahrhundert später wurde die Strecke erstmals „Churfürsten Damm“ genannt. Offizieller Geburtstag ist jedoch 1886. Warum, und was ihr sonst noch über den Kurfürstendamm wissen solltet, erfahrt ihr hier.


Unter den Linden: Der Touristen-Highway mit der spannenden Vergangenheit

Berliner Schloss mit Schlossbrücke an Unter den Linden. Foto: Imago/teutopress

Kaum ein Durchschnittstourist, der noch keinen Fuß auf die Prachtstraße Unter den Linden gesetzt hat. Am einen Ende das Brandenburger Tor, am anderen Berliner Dom und Schloss – und auch dazwischen eine Menge zu sehen, von Lustgarten über Staatsoper bis zum „Alten Fritz“, wie das Reiterdenkmal für Friedrich den Großem gemeinhin genannt wird. Im Zweiten Weltkrieg war es verhüllt, zu DDR-Zeiten wurde es nach Potsdam ausgelagert und erst 1980 an seinen Ursprungsort zurückgebracht. Ein Beispiel, wie viel Geschichte hier in 1,5 Kilometern steckt. Was als Reitweg vom Stadtschloss nach Spandau begann und bis 1734 schlicht Lindenstraße hieß, ist heute einer der wichtigsten Boulevards Berlins. 12 Dinge, die ihr über Unter den Linden wissen solltet.


Die Friedrichstraße: Die Geschichte Berlins auf 3,3 Kilometern

Berlins berühmte Straßen: Friedrichstraße in Berlin: Grenzkontrollpunkt Friedrichstraße, 13. Dezember 1961.
Grenzkontrollpunkt Friedrichstraße, 13. Dezember 1961. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-88832-0004/Stöhr/CC-BY-SA 3.0

Schon zur Kaiserzeit hatte die Friedrichstraße eine besondere Bedeutung, im Laufe der Geschichte sollte sie immer wieder wichtige Rollen einnehmen. Benannt nach Friedrich I., König in Preußen, war sie stets eine Schlagader der – zwischenzeitlich auch geteilten – Stadt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Friedrichstraße die urbane Bühne einer modernen Großstadt, die (auch sexuellen) Ausschweifungen hatten mit der Machtergreifung der Nazis ein jähes Ende. Viele Bomben schlugen hier ein – nach dem Krieg begannen die Wiederaufbauarbeiten, die Friedrichstraße wurde Grenzgebiet. Der Checkpoint Charlie gehört noch immer zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Unsere umfangreiche Zeitreise zu den Anfängen der Friedrichstraße bis heute findet ihr hier.


Die Sonnenallee entwickelt sich vom Feldweg zum Schmelztiegel

Junge Menschen in Ost-Berlin: Der Film "Sonnenallee" machte diese Berliner Straße berühmt. Foto: Imago/United Archives
Junge Menschen in Ost-Berlin: Der Film „Sonnenallee“ machte diese Berliner Straße berühmt. Foto: Imago/United Archives

Die Sonnenallee gehört zu den berühmtesten Straßen Berlins – nicht nur wegen des gleichnamigen Films über jenen kurzen Abschnitt, der in der DDR lag. Das Partyvolk fand und findet hier angesagte Locations, die vielen kleinen Lebensmittelgeschäfte erfüllen auch außergewöhnliche Wünsche. Vom Hermannplatz bis zum Baumschulenweg sind es knapp fünf Kilometer – angefangen hat alles ganz klein: 1880 auf dem sumpfigen Gebiet des damals eigenständigen Rixdorfs mit dem schlichten Namen Straße 84. Die Geschichte dieser berühmten Straße Berlins erzählt die Geschichte der Stadt, sogar des Landes. Wir haben die Sonnenallee ausführlich betrachtet – vom Feldweg zum Schmelztiegel.


Spannend bis zur Gentrifizierung: Die Bergmannstraße in Kreuzberg

Berlins berühmte Straßen: Die Marheineke Markthalle im Jahr 1925. Foto: Archiv
Die Marheineke-Markthalle an der Bergmannstraße im Jahr 1925. Foto: Archiv

Die Kreuzberger Bergmannstraße gilt heute vor allem als komplett durchgentrifiziert. Überteuerter Wohnraum für Menschen, die von Waschmittel bis Butterstollen alles vegan und bio wollen – zumindest ist das das Vorurteil. Mag was dran sein, vor allem ist die Bergmannstraße aber geschichtlich spannend: In der Kaiserzeit war sie bereits Geschäftsstraße, heute ist die Marheinke-Markthalle eine der wenigen Berliner Markthallen, die überlebt haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier ein populärer Schwarzmarkt des amerikanischen Sektors, in den 1970er-Jahren schritt die Politisierung voran, die Bergmannstraße war as Herz eines linken Kiezes. So wie drüben in Kreuzberg 36 wurden auch hier Häuser besetzt, Schlüsselfiguren der linken Szene verkehrten in den Bars und Kneipen dieser berühmten Straße Berlins – der Mythos Kreuzberg entstand. Die Geschichte der Bergmannstraße als geschäftige Meile könnt ihr hier ausführlich nachlesen.


Früh angelegt, bis heute beliebt: Die Kastanienallee

Kreuzung Schönhauser Allee/ Danziger Str./ Kastanienallee, Aufnahme um 1970.
Kreuzung Schönhauser Allee/ Danziger Str./ Kastanienallee, Aufnahme um 1970. Foto: Imago/Gerhard Leber

Im 19. Jahrhundert ließ der Grundbesitzer Wilhelm Griebneow diese berühmte Berliner Straße als Verlängerung des Weinbergwegs anlegen – zwei Reihen Rostkastanien waren namengebend. Heute ist die Kastanienallee in Prenzlauer Berg Sinnbild des Aufstiegs des Quartiers nach dem Mauerfall: Investoren und Hausbesitzer:innen machten aus dem leicht maroden Arbeiterviertel ein Wohlfühlparadies für gutbetuchte Akademiker:innen. Aber Schlendern kostet ja nichts, und die vielen kleinen Geschäfte und Restaurants sind definitiv empfehlenswert. Zudem gibt es hier den Prater, eine Biergarten-Institution. Eine Zeitreise von den Anfängen über DEFA-Filmtheater und sozialistischen Wohnungsbau bis heute – die Geschichte der Kastanienallee ist unbedingt lesenswert.


Die Potsdamer Straße ist eine der spannendsten der Stadt

Die Potsdamer Brücke samt Potsdamer Straße um ca. 1899. Foto: imago/imagebroker
Die Potsdamer Brücke samt Potsdamer Straße um ca. 1899. Foto: Imago/imagebroker

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ließ König Friedrich Willhelm II. die Landstraße zwischen Berlin und Potsdam zu der befestigen Potsdamer Chausee ausbauen – 1841 wurde sie zur Potsdamer Straße. Ab Ende des 19. Jahrhunderts zog sie Künstler:innen und Intellektuelle an. Die Entwicklung hatte ein jähes Ende: 1926 wurde hier die Berliner SA gegründet, und nach der Machtergreifung errichteten die Nationalsozialisten am Kleistpark zahlreiche Verwaltungsgebäude. Deutlich später war die Straße als Rotlichtmeile bekannt, sie wurde zum sozialen Brennpunkt. Es ist viel passiert in dieser berühmten Straße Berlins. Von den Anfängen bis heute: Ein geschichtlicher Ausflug auf die Potsdamer Straße.


Die Oranienstraße: Sinnbild des Wandels in Kreuzberg

Moritzplatz und Oranienstraße, Aufnahme um 1993
Moritzplatz und Oranienstraße, Aufnahme um 1993. Foto: Imago/Detlev Konnerth

Die Oranienstraße hat einen spannenden Wandel hinter sich – und vereint in ihrer Geschichte vieles, was Berlin zu der Stadt werden ließ, die sie heute ist. Knapp zwei Kilometer läuft die nach dem niederländischen Adelsgeschlecht benannte Straße durch Kreuzberg. Im 19. Jahrhundert sorgte die Industrialisierung dafür, dass hier schnell viel Wohnraum entstand. Vor dem Krieg lebten hier viele jüdische Menschen, später machten dann vor allem Hausbesetzungen Schlagzeilen. Heute zeigt sich, dass die Meile wie so viele von Berlins berühmten Straßen den bekannten Weg eingeschlagen: Erst kamen die hippen Menschen, dann das Geld und die Gentrifizierung. Aber noch immer lassen sich Spuren aller Epochen finden – die Geschichte der Oranienstraße im Detail.


Die Rykestraße als Musterbeispiel des Ausverkaufs

Ein Bastler schraubt an einem Trabant 601 in der Rykestraße 1990. Foto: Imago/Dieter Matthes

Heute ist die Rykestraße in Prenzlauer Berg eine der besten Wohnadressen – denn jahrelang wurden hier alte Bauten zu neuen Schätzen (für die Besitzer:innen). Enorme Mietanstiege prägen den Herzteil des ehemaligen DDR-Bezirks. Wer hier in den 90er-Jahren günstig gekauft hat, könnte sich hier heute auch die Mieten leisten – muss es aber nicht. Benannt ist die Straße nach Bernhard Ryke, Berliner Bürgermeister im 15. Jahrhundert. Das Wahrzeichen dieser berühmten Straße Berlins ist definitiv der wuchtige Wasserturm. Die Geschichte der Rykestraße von den Anfängen bis zur Sanierungswelle.


Die Müllerstraße im Wedding heißt nicht zufällig so

Mühle, historische Müllerstraße, Berlins berühmte Straßen
Aus heutiger Sicht kaum vorzustellen, dass die Müllerstraße mal so aussah. Foto: Wikimedia Commons/Zeichnung von Ernst Müller von Sondermühlen

Sie steht bei Berlin-Besucher:innen nicht unbedingt auf Platz eins der Ziele, die Müllerstraße im Wedding ist eben etwas speziell: trubelig, laut – so richtig Stadt eben. Früher war das etwas anders. Dort, wo heute Geschäfte und Gastronomie untergebracht sind, ließ früher der – aha! – Müller die Mühle mahlen. Richtig, vor Hunderten Jahren war der Wedding noch ein Dorf. Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte die einsetzende Industrialisierung das Straßenbild. Anders als in anderen Stadtteilen hatten Betriebe hier noch Platz, um sich niederzulassen. Wie sich das auswirkte und was ihr heute auf der Müllerstraße erleben könnt, lest ihr hier.


Wedding pur auch auf der Prinzenallee

Berlins berühmte Straßen: Prinzenallee
Das Historische Sanitätshaus Hempel in der Prinzenallee 84. Foto: Imago/Bernd Friedel

Ja, die Prinzenallee fasziniert mit oft auch rauem Charme. Die Boatengs gucken heute von einer Hauswand auf das wilde Treiben, die Prinzenallee hat aber mehr Geschichte, als diese Szenerie vermuten ließe. Ende des 19. Jahrhunderts verlegte der Berliner Braumeister Johann Christoph Groterjan die Produktion des erfolgreichen Schultheiss-Malzbiers von Prenzlauer Berg in die Prinzenallee im Wedding. Die Institution im Berliner Gesundheitswesen, das Sanitätshaus Hempel, wurde schon 1906 gegründet. Es ist eben doch nicht immer der erste Eindruck, der alles verrät. Laut, bunt, Prinzenallee: Dirty Boulevard im Wedding


Mehr Berliner Geschichte

Keine Lust auf lange Spaziergänge. Auch ein paar Plätze in Berlin haben durchaus historisch was zu bieten. Der Potsdamer Platz zum Beispiel, aber auch der Alexanderplatz hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Und das Kottbusser Tor ist definitiv ein besonderer Flecken Berlin. Immer neue Texte zum historischen Berlin findet ihr in unserer Rubrik „Geschichte“.

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