Literaturadaption

Bov Bjergs „Auerhaus“ kommt ins Kino

Chaotische Therapie: Junge Leute gründen in der westdeutschen Provinz der 80er-Jahre eine fragile Wohngemeinschaft

Foto: Tom Trabow

Von einer therapeutischen Wohngemeinschaft kann man im strengen Sinn eigentlich nur sprechen, wenn auch eine Person dabei ist, die etwas von Therapie versteht. Ob das bei Frieder und seinen Freunden der Fall ist, darüber können sich die Zuschauer des Films „Auerhaus“ selbst eine Meinung bilden. Frieder hat auf jeden Fall Probleme, er versucht sogar, sich das Leben zu nehmen. Weil es ihm in der psychiatrischen Klinik auch nicht so super geht, kommt sein bester Freund, den alle Höppner nennen, auf die Idee, man könnte doch zusammenziehen. In ein leerstehendes Haus in dem Provinznest, in dem „Auerhaus“ in den 80er-Jahren spielt. Höppner spielt herunter, dass er um Frieder besorgt ist. Er behauptet, er bräuchte ihn in erster Linie als Schulnachhilfe, denn Frieder ist ziemlich fix im Kopf (jedenfalls, was die Lernfächer anlangt), und Höppner wäre eher ein schlechter Schüler, wenn er nicht bei Frieder abschreiben könnte.

Das Haus ist groß genug, um auch noch zwei Mädchen aufzunehmen: die höhere Tochter Cäcilia, die Geige spielt und insgesamt am ehesten einen Plan hat, und Vera, mit der Höppner irgendwie zusammen ist, aber noch nicht geschlafen hat. Die Wohngemeinschaft könnte eine Lösung auch für dieses typische Heranwachsendenproblem bringen, und so ist es dann auch, allerdings auf eine überraschende Weise. Therapeutisch ist das Projekt Auerhaus schließlich vor allem in dem Sinn, in dem man in einem idealen Sinn von Therapie sprechen könnte: ohne Experten, sondern einfach zwischenmenschlich, und dadurch auch ein bisschen chaotisch. Man könnte sogar, vom Ende her, in Frage stellen, ob überhaupt irgendetwas sich zum Besseren wendet, aber es gibt nun einmal Dinge im Leben, für die es keine Lösung gibt. Das zu begreifen, ist dann auch ein Lernerfolg.

Der Film „Auerhaus“ von Neele Leana Vollmar folgt in den wesentlichen Zügen dem sehr erfolgreichen Roman „Auerhaus“ von Bov Bjerg. Eine Verfilmung lag aus mehreren Gründen nahe: Die 80er-Jahre waren zuletzt ziemlich in Mode, man denke nur an die Serie „Stranger Things“, aber eigentlich ist die Erinnerung an die jüngere Vergangenheit schon länger ein lohnendes Gebiet. Man kann historische Mikrokosmen sehr gut mit Hilfe von Popsongs, einschlägiger Mode und entsprechender Ausstattung heraufbeschwören.

Höppner gehört zum Beispiel einer Generation an, die noch zur Musterung musste, und dann vor der Frage stand: Bundeswehr? Zivildienst? Totalverweigerer? West-Berlin? Letztere Lösung war eine Art Totalverweigerung in einer geschützten Zone. Von „Auerhaus“ aus ist Berlin aber ungefähr so weit weg wie Vietnam von Hippie-San Francisco.
Neele Leana Vollmar hat die Rollen alle bestens besetzt. Frieder wird von Max von der Groeben gespielt, bekannt als Danger in „Fack Ju Göhte“. Damian Hardung (Höppner) kennt man aus „Das schönste Mädchen der Welt“, wie auch Luna Wedler. Vom Tonfall her legt schon der Roman von Bov Bjerg eine gewisse Distanz zum Klamauk von „Fack Ju Göhte“ nahe.

„Auerhaus“ schließt eher an neuere Klassiker des deutschen Teenagerkinos an, an „Crazy“ von Hans-Christian Schmid oder an „Tschick“ von Fatih Akin, die auch jeweils von literarischen Texten ausgingen. Der Song „Our House“, auf den der Titel des Buchs wie der des Films anspielt, stammt von der Band Madness, die mit ihrem Namen wohl andeutete, dass Popkultur an sich etwas Therapeutisches hat. Zumindest für die Menschen, deren Anliegen sich durch Lesen, Singen, Tanzen und Inskinogehen ein wenig klären lassen.

Auerhaus D 2018, 107 Min., R: Neele Leana Vollmar, ­D: Damian Hardung, Max von der Groeben, Luna Wedler, Devrim Lingnau, Start. 5.12.

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