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Berliner Filmszene

Christoph Hochhäusler von der DFFB über Corona, Filme und was man von Facebook lernen kann

Christoph Hochhäusler ist Filmemacher und Professor für Regie an der DFFB. Er lebt in Berlin. Ein Gespräch über den schleichenden Verlauf der Krise, was man auf Facebook darüber lernen kann, und wie man mit Frau und zwei Kindern die Zeit am besten nützen kann 

Regisseur Christoph Hochhäusler spricht über Corona, Facebook und Filme
Der Berliner Regisseur Christoph Hochhäusler, Foto: imago images / CTK Photo

tip Christoph, wir sind am Ende der ersten Woche von etwas, was noch schwer zu fassen ist. Wann ist dir klargeworden, dass etwas Außergewöhnliches beginnt? 

Christoph Hochhäusler Das fing schon früh an, nämlich, als die Maßnahmen in Wuhan so massiv wurden. Bei diesen Nachrichten, dass in China 50 Millionen Leute abgesperrt wurden, dachte ich mir: Das ist etwas anderes, als wir je erlebt haben. Ich hielt es dadurch aber auch für wahrscheinlich, dass das Virus vielleicht dort bleibt, wenn China so krass eingreift. 

tip Wann wurde an der DFFB zum ersten Mal über das Problem gesprochen? 

Christoph Hochhäusler Zum ersten Mal haben wir am 2. März darüber gesprochen, da hielt man das aber noch für übertrieben. Ab 9. März war es klar, dass etwas kommen würde, es war aber unklar, ob das der Senat entscheidet oder ob wir das Recht haben, Maßnahmen zu setzen. Es gab dann noch eine Weile Ausnahmen, zum Beispiel Zugang zu den Schneideräumen. Seit 13.3. ist der Unterricht unterbrochen. 

tip Jeden Tag muss man sich neu einstellen auf alles. 

Christoph Hochhäusler Das ist etwas, was mich momentan am meisten beschäftigt: wie sich Schritt für Schritt eine neue Normalität herstellt. Die Virologen sprechen von Durchseuchung, für Information gilt das genau so. Das kann man auf Social Media verfolgen. Dinge, die wir vor einer Woche noch kaum geglaubt hätten, sind heute schon ganz alltäglich. Es ist auch auf eine Weise toll, wie man Informationen beim Krabbeln zuschauen kann. Dass man die Verarbeitung von einem großen Problem in Echtzeit beobachten kann, das ist schon aufregend. 

tip Gibt es Aspekte an der aktuellen Situation, bei denen du den Eindruck hast, dass sie zu wenig berücksichtigt werden? 

Christoph Hochhäusler Mich wundert vor allem, wie kurzfristig die Kommunikation der Politik angelegt ist. Niemand spricht darüber, ob es auch irgendwann einen Kipppunkt geben könnte, wo diese eher altruistische Politik, die wir derzeit erleben, in eine utilitaristischere kippt. Also vereinfacht gesagt: Wann wird der Preis zu hoch? Darüber wird nicht gesprochen. Aber vielleicht ist das ganz gut so, man muss wohl so stückchenweise vorgehen. Es fällt jedenfalls auf, dass in der Öffentlichkeit meistens über zwei, drei Wochen gesprochen wird. Darüber hinaus muss sich aber doch jemand Gedanken machen. 

tip Es könnte ein Punkt kommen, an dem die Wirtschaftskrise, die sich schon abzeichnet, so groß wird, dass der hohe Aufwand zum Schutz der Verletzlichen nicht mehr allen einleuchtet? 

Christoph Hochhäusler Ja, und es könnte auch zu teuer werden in einem gesellschaftlichen Sinn. Freiheitsrechte können auch verkümmern, das ist wie ein Muskel, der bildet sich irgendwann zurück. Wie wird sich die Öffentlichkeit danach anfühlen? Ein wenig pathetisch gesagt geht es ja auch um eine Berührungskultur. Klar können wir überleben, wenn wir uns nicht berühren. Aber was, wenn das Jahre dauert, wie es das Robert Koch Institut im Grunde prognostiziert? 

tip Macht dich diese zeitliche Ungewissheit nervös? 

Christoph Hochhäusler Auf jeden Fall. Alle meine Projekte stehen total wacklig da. Ich wollte diese Woche nach Brüssel fahren, um Locations zu scouten für einen Film, den ich nächstes Jahr drehen möchte. Das ist momentan nicht so tragisch, weil wir beim Film ja sowieso permanent in so Fiktionen arbeiten. Ob das alles wirklich wird, weiß man meist erst sehr knapp vor Drehbeginn. 

tip Hattest du auch irgendwann einen Moment, an dem du dachtest: Was soll’s, da müssen wir durch, ich weiß die Zeit schon zu nützen. 

Christoph Hochhäusler Natürlich. Ich hab mir sogar extra Bücher gekauft, zum Beispiel Das Jahr 1990 freilegen, ein zeithistorischer Wälzer. Aber ich bin im Zweifel, ob ich mich da drin versenken kann, weil ich doch nicht so die Ruhe habe, um zu schauen, was vor 30 Jahren war. 

tip Und Filme schauen? 

Christoph Hochhäusler Da ist bei uns immer ein Hauen und Stechen, was wir denn anschauen. Ich wünsche mir eigentlich, dass wir Filme gemeinsam schauen. Die Kinder haben aber ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Mit meinem Sohn kann ich Western schauen, das mag er gern, die Tochter, die ein paar Jahre älter ist, ist für Komödien zu haben. Meine Frau sieht eher gern Gegenwartskino, ich lebe mit dem Kino hingegen am liebsten in den 40er Jahren. 

tip Habt ihr Grund zur Sorge um Angehörige? 

Christoph Hochhäusler Meine Eltern sind in München, und sie nehmen die ganze Sache nicht so ernst, wie ich ihnen das ans Herz gelegt habe. Sie sind natürlich genau Risikogruppe. Die Eltern meiner Frau sind in Montevideo, wo jetzt genau die Epiedemie anfängt. Uruguay ist von allen südamerikanischen Ländern vielleicht neben Kuba am besten vorbereitet, das Land ist relativ wohlhabend und ein bisschen eine Insel. Und beide Schwiegereltern waren Ärzte, die sind als im Bild. Meine Eltern können sich dagegen immer noch nicht so recht vorstellen, dass es so schlimm ist. 

tip So schlimm wie nichts davor in der Geschichte der Bundesrepublik, sagte die Kanzlerin. 

Christoph Hochhäusler Wenn Merkel das so sagt, dann ist auch klar, dass wir das ganze Ausmaß der Angelegenheit nach einer Woche mit unseren Gefühlen noch nicht eingeholt haben können. 

Christoph Hochhäusler, geb. 1972 in München, hat Architektur an der TU Berlin und Filmregie an der HFF München studiert. Er ist Verfasser zahlreicher filmpublizistischer Arbeiten, u.a. als Gründer und Mitherausgeber der Filmzeitschrift „Revolver” (1998). Er bloggt unter parallelfilm.blogspot.de


Alles zu Corona in Berlin in unserem Themen-Spezial. Die Universitäten und Hochschulen haben alles weitestgehend zurückgefahren.

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