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Das Ostkreuz: Unscheinbarer Transitort – aber ungemein wichtig

Das Berliner Ostkreuz kennen viele eigentlich nur aus Umstiegsszenarien. Oder als Dauerbaustelle. Oder, weil sie bei Zalando arbeiteten, dessen Zentrale bis zum Umzug im Jahr 2019 noch dort lag. Hier kreuzt die Ost-West-Achse der S-Bahn die Ringbahn. Historisch korrekt müsste man sagen: Die Schlesische und die Preußische Ostbahn kreuzen die Ringbahn. Seit 2015 halten hier auch wieder Regionalbahnen.

Das Berliner Ostkreuz ist vor allem auch als Dauerbaustelle berühmt – mehr als zwei Jahrzehnte sind schon rum. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Lange galt der Verkehrsknotenpunkt zumindest als bautechnischer Schandfleck, der vor sich hinmoderte. Inzwischen ist es eine Mischung aus bahnhofstypischem Zweckbau und Dauerbaustelle. Kurzum, ein klassischer Transitort: Schnell dort, schnell fort.

Dabei fällt allerdings unter den Tisch, dass das Ostkreuz verkehrstechnisch durchaus besonders ist: Mit täglich mehr als 1500 Zughalten und etwa 250.000 um- und zusteigenden Menschen ist es tatsächlich der geschäftigste Bahnhof in Berlins S-Bahn-Netz und einer der meistfrequentierten Bahnhöfe Deutschlands.

Wo Stadt- und Regionalverkehr sich treffen: Die Geschichte des Ostkreuz

Der Hundertjährige Bahnhof: Das Ostkreuz 1990. Bis es zum Umbau kam, sollten weitere 15 Jahre vergehen. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Geschichte: Mit der Entstehung der Ringbahn im Jahr 1871 entstand im Bereich Stralau-Rummelsburg die Eisenbahnkreuzung, die heute als Ostkreuz bekannt ist. Ursprünglich war dort allerdings kein Halt vorgesehen, erst im Jahr 1882 eröffnete nach umfangreichen Umbauten der Gleisanlagen der Bahnhof Stralau-Rummelsburg, namentlich an die beiden anliegenden Dörfer angelehnt.

Der Bahnhof verband die Ringbahn, die Niederschlesisch-Märkische Bahn und die Ostbahn, die vorher getrennte Stationen hatten. Um 1900 gab es noch einmal einen umfassenden Umbau der Station, in dessen Gestalt sie weitestgehend bis ins 21. Jahrhundert verblieb.

Wie aus der Zeit gefallen: Das Ostkreuz im Jahr 2000. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Mit den nationalsozialistischen Plänen Berlin zur „Welthauptstadt Germania“ umzubauen, kamen Umstrukturierungen und Umbenennungen – korrespondierend zum Westkreuz wurde der Bahnhof in Ostkreuz umbenannt. Zum Ende des zweiten Weltkriegs wurde der Betrieb durch Bombenschäden stark eingeschränkt. Mit der Trennung Berlins im kalten Krieg gewann der Bahnhof an Bedeutung als Umsteigestation.

Das Erscheinungsbild des Ostkreuz: Lange historisch, heute modern

Umbaupläne der wohlwollend historisch zu bezeichnenden Station gab es lange, die jedoch immer wieder aus Furcht vor den Kosten liegen gelassen wurden. 2006 startete dann der Umbau des Ostkreuzes im laufenden Betrieb. Große Teile des Baus sind inzwischen abgeschlossen, das Gelände aber bleibt in provisorischem Zustand – mehr dazu unter Kontroversen.

2011: Die neue Ringbahnhalle nimmt Gestalt an. Foto: Imago/PEMAX

Architektur: Die aktuelle Ringbahnhalle wurde 2012 fertiggestellt und wurde von Architekturbüro Gdp geplant und errichtet, das in Berlin unter anderem für den neuen Flughafen BER, den Bahnhof Südkreuz, die Mercedes-Benz-Arena und das Soho House verantwortlich ist. 

Der Bau erinnert in seinen ausladenden Dimensionen etwas an einen Hangar, die schwebende Glas- und Stahlkonstruktion nennt sich, Bahngleise kreuzend, in der Fachsprache Turm- oder Etagenbahnhof. Der Stil ist technokratisch, erinnert an die moderne Zweckarchitektur zahlreicher anderer Bahnhöfe in Berlin.

Neues in alter Optik: Die Eingangshalle und die Fußgängerbrücke erscheinen in hisorischem Gewand. Foto: Imago/PEMAX

Haupthalle und Bahnsteige sind Neubauten, auch die Fußgängerbrücke und das Empfangsgebäude, wenn auch nach historischen Vorbildern errichtet. Lediglich die Beamtenwohnhäuser und der Wasserturm sind noch erhalten – letzterer ist verkauft und soll eventuell eines Tages Erlebnisgastronomie beherbergen, die Häuser liegen brach. 

Vom Rostkreuz zur Dauerbaustelle: Boomender Bahnhof, ewig vernachlässigt

Kontroversen: Bereits in den 1950er Jahren der Bahnhof bedurfte der Bahnhof einer Renovierung. Der Umbau wurde jedoch stets verschoben, zuletzt verkündete Honecker den Umbau im Jahr 1986, der dann doch nicht erfolgte. Das Ostkreuz trug in seiner zunehmend verwahrlosten Erscheinung den Kosenamen „Rostkreuz“.

Der Spitzname „Rostkreuz“ kam nicht von ungefähr: Blick in die alten Katakomben, die zum Ringbahngleis führen. Foto: Imago/Bernd Friedel

Nach nunmehr 16 Jahren Umbau steht zwar die neue Halle, die Baustellenatmosphäre aber bleibt – der Anschluss der Tramlinie verzögert sich weiter. Grund: Anwohner:innen sehen den Wegfall ihrer Parkplätze nicht in der besseren Verkehrsanbindung für Zehntausende Fahrgäste gerechtfertigt.

Auch ein Brandschutzkonzept gibt es nach wie vor nicht, Die Bahn verweist darauf, man befände sich noch in der Abstimmung. Die Barrierefreiheit ist oft eher theoretischer Natur; Fahrstühle und Rolltreppen, insbesondere der Hauptzubringer aufseiten der Sonntagstraße fallen regelmäßig aus, teils monatelang. Immerhin: Nach Jahrzehnten ohne eröffnete 2020 eine öffentliche Toilette, bis dahin musste das Kund:innenklo von McDonald’s herhalten.

Es geht um die Wurst: Ein kleiner Stand mit großem Ruf

Theoretisch mobil, faktisch unverrückbar: Das Wurstland. Foto: Imago/Jens Jeske

Besonderheiten: Das Ostkreuz ist ewige Baustelle, die Wegführung ändert sich je nachdem, was gerade gebaut wird. Das Wurstland aber bleibt. Seit mehr als 20 Jahren steht der mobile Imbissstand nun am Ostkreuz, teils zu drei Seiten umzäunt und immer mal wieder an anderer Stelle. Die Popularität des Stands übertrifft teils gar den Bahnhof.

Film und Fernsehen: Dafür, dass es einer der meistgenutzten Banhöfe Deutschlands ist, taucht das Ostkreuz redlich wenig in Film und Fernsehen auf – zumindest ist uns kein prominenter Auftritt bekannt. Es gibt einen Kinofilm von 1991 mit dem Namen des Bahnhofs, der sich aber nicht mit dem Bahnhof, sondern der Tristesse des kalten Krieges auseinandersetzt. Im Jahr 2000 besah der SFB den Bahnhof mit einer Dokumentation.

Einkaufsmöglichkeiten, Anfahrt, Umland: Wichtige Infos für den Besuch

Einkaufsmöglichkeiten: Trotz Knotenpunktfunktion gibt es erst seit kurzem einen Bio-Supermarkt auf dem Bahnhofsgelände. Die Denn’s-Filliale hat auch Sonntags geöffnet. Andere Berliner Supermärkte, die Sonntags offen haben, findet ihr hier.

Futtern am ostkruez: Die hiesige Filiale des globalen Systemgastronomen. Foto: Imago/PEMAX

Ansonsten finden sich hier die üblichen Backshops, ein Presseladen, ein Fahrkartenschalter und ein Asia-Imbiss. Bis zur Eröffnung des Supermarkts war vor allem die McDonalds-Filiale Reiseziel des Transitorts, vor allem für hungrige Nachtschwärmer*innen. Und: Das Wurstland. Besagtes Land ist zwar nur ein Verkaufswagen, dieser aber eine echte Instanz. Das dem Namen entsprechend fleischige Angebot ist überregional bekannt.

Anfahrt: Die S-Bahnlinien S3, S5, S7, S75 fahren auf der Ost-West-Achse, S41, S42, S8 und S85 auf den Ringbahngleisen. Busse der Linien 194, 347 und N94 halten am Ausgang Hauptstraße/Markgrafendamm. Eine Tramanbindung ist geplant, aber noch Zukunftsmusik, ebenso eine mögliche Erweiterung der U-Bahnlinie U1. Die Parkplatzsituation ist prekär, eine Anreise mit dem Auto ist nicht zu empfehlen. Im Regionalverkehr halten die Linien RE1, RE2, RE7, RB 12, RB14, RB24, RB25 und RB26 am Ostkreuz. Der Flughafenexpress FEX fährt alle 30 Minuten. Im Fernverkehr halten der EC 41, der RJ 256, der IC 2431 und der IC 2432.

Adresse:

In der Nähe:  Auch wenn das Ostkreuz Knotenpunkt und Umsteigebahnhof ist, gibt es einiges in fußläufiger Nähe: Für Spaziergänge bieten sich das malerische Viertel Victoriastadt und die Rummelsburger Bucht nebst der Halbinsel Alt-Stralau an. Auch der Treptower Park ist entweder eine Station oder etwa zehn Fußminuten entfernt. Direkt am Ausgang Hauptstraße befindet sich der Club about:blank, unweit sind außerdem die Wilde Renate und der Open-Air-Club Else. Aufseiten der Sonntagstraße lockt der Kiez mit reichlich Gastronomie und kleinen Lädchen, auch der Boxhagener Platz ist unweit entfernt und bietet regelmäßig buntes Treiben auf seinen Flohmärkten. 12 Sehenswürdigkeiten in Friedrichshain: Von East Side Gallery bis Boxi.


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Drei Kreuze, aber keins im Norden: Der Bahnhof Gesundbrunnen war nicht immer das eigentliche Nordkreuz. Ein Bahnhof verschwindet in der Bedeutungslosigkeit, aber das ist nicht nur schlecht: Am Ostbahnhof kann man ohne viel Gedränge einsteigen. Fernverkehrstechnisch ähnlich unbedeutend, aber umso geschichtsträchtiger: Der Bahnhof Zoo. Mehr zum Nahverkehr Berlins erfahrt ihr hier.

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