Berlinale 2019

„Der goldene Handschuh“ von Fatih Akin (Wettbewerb 7)

Der Goldene Handschuh | The Golden Glove © Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.

Der Schiefe – so wird Fritz Honka in Heinz Strunks Roman „Der goldene Handschuh“ genannt. Der Schiefe raucht wie ein Schlot und trinkt literweise Fako, Fanta-Korn, Verhältnis 1:1. Das Ergebnis nennen die Experten in der Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“ Schmiersuff. Der Schiefe hat nicht nur ein Problem mit dem Alkohol, er hat auch ein Problem mit Frauen. Keine will sich von ihm einladen lassen, und wenn einmal eine mit Honka mit nach Hause geht, in seine bestialisch stinkende Dachwohnung, dann ist sie alt und hässlich und einsam. Mit so einer Frau gibt es dann Restformen eines bürgerlichen Lebens (Mahlzeiten, Feierabend), auf Dauer ist das aber nicht. Dazu säuft Honka einfach zu viel.

Das Buch von Heinz Strunk ist auf eine interessante Weise widersprüchlich: eine Einfühlung in einen modernen deutschen Quasimodo, ein Versuch, eine Figur aus ihrer Welt heraus zu verstehen, für die es eigentlich kein Verständnis geben kann. Fatih Akin geht mit seiner Verfilmung den Problemen, die sich im Kino noch stärker stellen, nicht aus dem Weg: „Der goldene Handschuh“ ist für Kiezromantik nicht geeignet, will den Frauenmörder Honka aber auch nicht dämonisieren. Das gelingt, nicht zuletzt dank einer schonungslosen Leistung von Jonas Dassler in der Hauptrolle, eigentlich ganz gut.

Die zentrale Frage bleibt schließlich: Was ist das für eine Welt, die solche Ungeheuer hervorbringt? Fritz Honka ist eine historische Figur, der Roman von Heinz Strunk spielt mit einem chronikalen Tonfall. Fatih Akin verzichtet auf eine Deutung dieses komplizierten Abbildungsverhältnisses: „Der goldene Handschuh“ ist auf eine prekäre Weise gutes Ausstattungskino, auch die Maske von Jonas Dassler sitzt perfekt. Akin hält dem Buch zu sehr die Treue, und schafft es dadurch nicht, Fritz Honka zu einer Figur der deutschen Filmgeschichte zu machen. Es hätte da, von Lorre über Fassbinder bis Karmakar, interessante Bezugspunkte gegeben. Doch in seiner professionellen Naivität fällt Fatih Akin mit „Der goldenen Handschuh“ hinter das Buch zurück, von dem im Grunde auch schon sehr unklar ist, was es eigentlich zu sagen hat.   BERT REBHANDL

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