Kunststadt Berlin

Der Preis der Nationalgalerie 2019

Neue Welten: Der Preis der Nationalgalerie feiert sein zehntes Jubiläum, medienübergreifender als je zuvor

Katja Novitskova: „If Only You Could See What I’ve Seen With Your Eyes“. Copyright: Anu Vahtra / Courtesy Katja Novitskova, Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin

Es sind die Kinder der 80er Jahre, die auf der Shortlist des alle zwei Jahre vergebenen Preis der Nationalgalerie stehen – Simon Fujiwara, Pauline Curnier Jardin, Flaka Haliti und Katja Novitskova. Und alle vier Nominierten haben noch eine weitere Gemeinsamkeit, sie werden Installationen zeigen. Was sie eint: dass sie Töchter und Söhne der Globalisierung sind, groß geworden auf verschiedenen Kontinenten, vernetzt mit der Welt über die Gesprächsräume des Internets, überall und nirgendwo.

Wie das genau aussieht, wird man in der Ausstellung des Quartetts sehen, die ab 16. August im Hamburger Bahnhof startet. Doch das Prinzip der Präsentation ist bereits klar, wie Kuratorin Kuratorin Dorothée Brill erklärt: „Die vier Nominierten zeigen nicht einfach eine Zusammenstellung ihrer Werke in den gegebenen Räumlichkeiten, sondern schaffen eigene Welten oder Atmosphären. Es entstehen neue Räume, mal theatralisch, mal futuristisch, mal nüchtern.“

Von den vier Künstlerinnen und Künstlern dürfte der in Berlin lebende, 1982 in London geborene Simon Fujiwara der bekannteste sein, denn er besitzt bereits ein gutes Ausstellungsportfolio. Pauline Curnier Jardin aus Marseille, Jahrgang 1980, lebt heute ebenfalls in Berlin. Flaka Haliti wohnt in München und wurde 1982 in Pristina geboren, Katja Novitskova, Jahrgang 1984 und aus Tallinn, pendelt zwischen Berlin und Amsterdam. Wohnort und Alter sind an dieser Stelle wichtig, denn Bedingung des Preises ist, dass die Nominierten in Deutschland leben und noch keine 40 Jahre alt sind. Am 12. September wird eine Jury dann den oder die Gewinnerin wählen. Im Rahmen dieser Preisvergabe wird zudem – in Kooperation mit der Deutschen Filmakademie – zum fünften Mal der Förderpreis für Filmkunst vergeben.

Wer sich die Ausstellungs­viten der nominierten Künstler­innen genauer angeschaut, sieht: Es wird medienübergreifender gearbeitet als je zuvor – und eine (gesellschafts-)politische Ausrichtung weisen eigentlich alle Arbeiten in unterschiedlichen Perspektiven aus. Vor Simon Fujiwara, der in Berlin mit seinem „The Happy Museum“ auf der Berlin Biennale vor drei Jahren bekannt wurde, muss man sich hüten, sonst ist man schnell Teil seiner Raumensembles, die mit der Identität spielen. Seine eigene spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Da baut er schon mal die alte Bar des Hotels seiner Eltern auf.

Installationsansicht aus „Fußnoten eines Krieges“, Kulturtage Festival, 2014 | Courtesy Pauline Curnier Jardin and Ellen de Brujne Projects, Amsterdam

Auch Pauline Curnier Jardin hantiert mit wechselnden Medien, ihr Fokus liegt auf dem Film. Dabei balanciert sie gerne auf dem Seil des Abgründigen, immer gemischt mit einer guten Portion Humor. Mancher Horror-Trash erinnert an Filme von David Lynch. Auf der letzten Biennale in Venedig war sie genauso vertreten wie Flaka Haliti. Die Kosovo-Albanerin hat wie viele ihrer Landsleute die Flucht erlebt. Zuerst kam sie in einem Camp unter, dann bei Verwandten in Mazedonien. Studiert hat sie an der Städelschule in Frankfurt. Kaum verwunderlich, dass sich ihre Raumskulpturen mit Migration und den Grenzen Europas beschäftigen. Ihre Requisiten findet sie häufig auf Militärflohmärkten. Ihre Werkserie „Is it you, Joe?“ wird im Hamburger Bahnhof zu sehen sein.

Als „Digital Native“ frickelt Katja Novitskova Assemblagen aus Werbung und anderen Fundstücken aus dem Netz zusammen. Die meiste Zeit sitzt sie also vor dem Computer. Vor allem Themen der künstlerischen Intelligenz liegen ihr am Herzen. Ihre digitalen Entdeckungen transformiert sie in dreidimensionale Objekte.

Zum 10. Geburtstag des Preises hat man – nach einiger Kritik im letzten Jahr – am Format geschraubt. Der Festakt am 12. September soll schlicht ausfallen, die vier Künstlerinnen werden als „Hauptdarsteller“ gleich zu Beginn auf der Bühne vorgestellt, nicht erst am Schluss. Ein Rahmenprogramm entfällt, die Moderation ebenso.

Bis 2013 zählte der Preis der Nationalgalerie zu den höchst dotierten Kunstauszeichnungen im Lande. Das Preisgeld von 50.000 Euro floss zur Hälfte mit 25.000 Euro in den Ankauf eines Werkes. Dann war Schluss mit Barem: Stattdessen sorgt nun eine Einzelschau der Prämierten in einem der Häuser der Nationalgalerie für musealen Mehrwert. Hinzu kommt eine Publikation, nicht ganz unwichtig, mit ihr können junge Künstler gut an ihrer Karriere feilen. Das sei ein größeres Commitment als ein Geldpreis, so die Begründung der Jury. Mit Euros sei schließlich eine Schau in einer bekannten Institution wie dem Hamburger Bahnhof nicht aufzuwiegen. Eine Katalogproduktion liegt bei 30.000 bis 40.000 Euro, eine kuratierte Schau weit darüber. Davor war es oft so, dass die Künstler mit ihrem Preis zwar auf den Zug in Richtung internationaler Kunstbetrieb aufspringen konnten, doch in Berlin wenig präsent waren. Die Einzelschau hingegen ist ein wunderbares Hauptstadt-Schaufenster für die Künstler, ihre Werke im großen Rahmen vorzustellen.

2015 gewann Anne Imhof den Preis, zwei Jahre später wurde ihr der Goldene Löwe für ihre Installation im deutschen Pavillon auf der Kunst-Biennale in Venedig überreicht. Eine Blitz-Karriere, die zeigt, wie gut die Spürnasen des Berliner Preisgerichtes doch sind.

Hamburger Bahnhof Invalidenstr. 50-51, Tiergarten, Di–Fr 10–18, Do bis 20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr, 6.8.–16.2.20, 8/ erm. 4 €

Künstler*innengespräch mit den Nominierten am So 18.8., 14–15 Uhr, Hamburger Bahnhof

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