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Der Rettungs(b)engel: Troye Sivan gibt queeren Kids ihr Selbstbewusstsein zurück am 14. März spielt er im Tempodrom

Eine Rarität im Mainstream-Pop. Troye Sivan ist das musikalische Pendant zur neuen queeren Selbstverständlichkeit in jungen Streamingserien

Foto: Hedi Slimane

Zuerst sitzen seine Fans nur andächtig da, als ihnen Troye Sivan höchstpersönlich im The Grand, Nähe Alexanderplatz, ein paar Songs seines zweiten Albums „Bloom“ vorspielt. Aber aus dem Staunen kommen sie schnell heraus. Die Jugendlichen, überwiegend 14, 15 Jahre alt, beginnen, ihr Idol mit Fragen zu bombardieren. Wie denn Ariana Grande, seine Duettpartnerin bei „Dance to this“, so sei, wollen sie wissen.

Immerhin aktuell die erfolgreichste Frau der Welt auf Instagram. Oder was es mit dem Song „Seventeen“ auf sich habe. „Mit 17“, erzählt der Sänger, „konnte ich nicht länger unterdrücken, wie sehr mich Jungen anzogen. Das verwirrte mich, weil ich gar keine Schwulen kannte. Ich wünschte mir sehnlichst, normal zu sein.“ Trotzdem, daran lässt das Stück keinen Zweifel, sammelte er damals bereits erste sexuelle Erfahrungen mit Männern. Kennengelernt hat er sie über die Dating-App Grindr, das er sich mit Hilfe eines falschen Personalausweises auf sein Mobiltelefon lud: „Ich wollte endlich etwas erleben und mich selber besser kennenlernen.“

So ehrlich redet normalerweise kaum ein Musiker, der sich im Mainstream-Pop bewegt, über seine Homosexualität. Nicht mal Sam Smith. Allenfalls Olly Alexander, Sänger der Synth-Pop-Band Years & Years. Doch Troye Sivan hat da keine Hemmungen, im Gegenteil, er sieht sich als unermüdlicher Botschafter der LGBTIQ-Gemeinschaft. Deshalb macht er kein Geheimnis daraus, dass er in Los Angeles mit dem Model Jacob Bixenman zusammenwohnt: „Wir verstecken unsere Liebe nicht.“ Vor nicht allzu langer Zeit wäre das noch anders gewesen: „Als Teenager habe ich geweint, weil ich Zac Efron richtig heiß fand.“ Mit sanfter Stimme lässt der 23-Jährige diese schwierige Phase Revue passieren: „Meine Mitschüler erlebten ihre erste Liebe. Nur bei mir tat sich nichts. Ich wartete verzweifelt darauf, irgendwo einem Gleichgesinnten zu begegnen – und fühlte mich total allein.

„Ich bin 23. In diesem Alter ist Sex nun mal wichtig“

Aus diesen Erfahrungen konnte Troye Sivan natürlich schöpfen, als er das Drama „Der verlorene Sohn“ drehte, das aktuell im Kino läuft. Troye Sivan spielt den schwulen Gary, der mit anderen homosexuellen Jugendlichen in ein christliches Camp gesteckt wurde, um zu einem Heterosexuellen umerzogen zu werden. Mit repressiven Methoden. Es gibt Psychoterror und Schläge. Die Teilnehmer müssen ihre Sünden beichten. Gary mogelt sich durch das sogenannte Erneuerungsprogramm, indem er zum Schein auf alles eingeht. Nicht jeder hat allerdings die Kraft, diesem sadistischen Lager zu trotzen. Einige zerbrechen daran, ein Junge bringt sich schließlich um. Auch in der echten Welt ist das traurige Realität, dass Eltern ihre queeren Kinder ungewollt in den Tod treiben, indem sie ihnen suggerieren, repariert werden zu müssen. In Deutschland wird gerade über ein Verbot von Konversionstherapien diskutiert. Noch gibt es sie.

Die Geschichte von „Boy Erased“ – sie beruht auf den Memoiren des Journalisten Garrard Conley – zu erzählen, war für Troye Sivan eine Herzensangelegenheit: „Ich denke, der Film zeigt den Zuschauern, dass so eine Konversionstherapie nicht bloß absurd ist, sondern wirklich gefährlich.“ Gleichwohl darf sie noch immer in 36 US-Bundesstaaten angewendet werden. Vor allem im amerikanischen Bible Belt glauben die Menschen bis heute, Homosexualität sei „heilbar“. „Leider“, grübelt Troye Sivan, „hat ,Der verlorene Sohn‘ im 21. Jahrhundert nach wie vor eine ungeheure Aktualität. Dabei zerstört man das eigene Kind, wenn man es in so ein Lager steckt.“ Die Reaktionen auf diese filmische Auseinandersetzung mit dem Anderssein geben ihm recht: „Homosexuelle erzählen uns nun von ihren eigenen Erfahrungen mit Konversionstherapien oder von den Schwierigkeiten mit ihrer Familie. Wir haben also mit diesem Stoff einen Nerv getroffen.“

Aus diesem Grund wollte Troye Sivan unbedingt auch einen Song zum Soundtrack beisteuern. Zu einer Klaviermelodie des Sigur-Rós-Frontmanns Jónsi schrieb er einen höchst berührenden Text. Das Lied „Revelation“ untermalt die Szene, in der die Hauptfigur Jared zum ersten Mal die Hand eines anderen Jungen hält. Wenn Troye Sivan dazu singt: „It’s a revelation, there is no hell in what I’ve found“, ist das wahrhaftig berührend. Der Musiker nickt. Er kann solche Emotionen nicht nur nachempfinden. Nein, er hat sie selber durchlebt: „Meine größte Angst vor meinem Coming-out war, dass meine Eltern einen schwulen Sohn nicht akzeptieren würden.“

Erfreulicherweise war diese Furcht völlig unbegründet. Weder sein Vater oder seine Mutter noch seine Freunde hatten ein Problem mit seiner Homosexualität. Das gab drei Jahre später für den gebürtigen Südafrikaner, der in Australien aufwuchs, den Ausschlag dafür, bei YouTube ein mittlerweile millionenfach angeklicktes Coming-out-Video einzustellen. Wieder bekam er überwiegend positive Reaktionen. Selbstverständlich war das nicht: „Nicht jeder hat so viel Glück wie ich. Deshalb möchte ich Leuten helfen, die ein schwierigeres Coming-out als ich haben. In meiner Musik sollen Jugendliche einen Zufluchtsort finden.“ Troye Sivan ist ein Rettungsengel für viele queere Kids, denen er zeigt, dass sie okay sind. Das ist nicht minder wichtig als die queeren Jugendserienfiguren, die zunehmend selbstverständlich bei Netflix und Co. auftauchen. Etwa in „Tote Mädchen lügen nicht“, „Riverdale“, „Sex Eduation“ oder „Elite“.

Troye Sivan ist das musikalische Pendant zu dieser neuen Selbstverständlichkeit. Zum Beispiel mit dem Video zu dem Lied „Bloom“. In diesem Clip sieht man Troye Sivan mit knallrot geschminkten Lippen und Make-up. In einigen Einstellungen trägt er ein zweiteiliges Kleid mit floralem Muster. Recht lasziv besingt er einen Liebesakt zwischen zwei Männern. „Bei meinem ersten Album war ich noch ein bisschen vorsichtiger“, sagt er. „Einfach weil ich niemanden vor den Kopf stoßen wollte. Doch jetzt habe ich keine Hemmungen mehr, ganz persönliche Geschichten zu erzählen.“

Hauptsächlich handeln seine Songs von Liebe und Sex, vom Schwulsein. „My boy like a queen… he knows how to love me better“, heißt es in dem Stück „Lucky Strike“. Troye Sivan lacht. „Hey, ich bin 23. In diesem Alter ist Sexualität nun mal immens wichtig.“ Sein Motto: Er lebt sein Leben nach seinem Geschmack – unabhängig von bürgerlichen Konventionen: „Nur wer sich von den Erwartungen anderer frei macht, kann glücklich werden.“ Teenager, meint er, sollten sich alle Zeit der Welt nehmen, um ihr wahres Ich zu finden. Eltern, nein, besser: die gesamte Gesellschaft, müssten oftmals toleranter sein: „Ich wünsche mir, dass es irgendwann vollkommen unerheblich sein wird, zu wem man sich hingezogen fühlt. Ein Coming-out bräuchten wir dann gar nicht mehr.“

Tempodrom Möckernstr. 10, Kreuzberg, Do, 14.3., 20 Uhr, VVK 39 €

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