Pop

Die Ungreifbare: Stella Sommer und Die Heiterkeit

Niemand erzählt momentan so schön von der Sehnsucht wie Stella Sommer. Im neuen Album ihrer zum Solo-Projekt geschrumpften Band Die Heiterkeit kann man sich prima verlieren

Foto: Zoe Sanli

Sachte Klaviertupfer, die wie Wellen an einen Strand schlagen, dazu eine sonore Stimme. Sie erzählt von Sehnsucht und Zweisamkeit. Vielleicht. Denn bei Stella Sommer weiß man selten, wovon sie eigentlich spricht. Sommer mag Sätze, die Ungewöhnliches zusammenbringen, sich mitunter widersprechen: „Ich bin zwar aus Stein, aber ganz weich“, heißt es zum Beispiel, im Stück „Eine feine Linie im Sand“.

Stella Sommer ist seit 2009 die Sängerin der Band Die Heiterkeit – und gilt mit ihrem 31 Jahren schon als Grande Dame des deutschen Chanson-Pop: Große Gesten und Bilder vereint sie mit orchestralen Arrangements. Das letzte Album der Berlinerin war eine Soloplatte, die unter ihrem Namen erschienen ist: „13 Kinds Of Happiness“ gab sich düster, untersuchte das Phänomen des Glücks aus melancholischer Perspektive – und auf Englisch.

Für Die Heiterkeit, ehemals eine Band mit wechselnden Mitgliedern, schreibt Sommer seit zehn Jahren auf Deutsch. Nun ist auch die Band zum Solo-Projekt geschrumpft. Das neue Album „Was Passiert Ist“ hat Sommer im Alleingang eingespielt, im Studio war nur Produzent Moses Schneider mit dabei: „Diesmal habe ich die Demos im Proberaum alleine arrangiert und aufgenommen“, sagt Sommer. „Wir haben meist so angefangen, dass ich die Grundtöne auf Gitarre oder Klavier gespielt und dazu gesungen habe, bevor wir sie komplett wieder weggemacht haben. Und geschaut haben, in welche Richtung sich ein Song entwickelt.“

Und diese Songs entwickeln sich tatsächlich, wachsen und gedeihen in wenigen Minuten: Im eingangs erwähnten Song etwa, er trägt den Namen „Eine feine Linie im Sand“, kommt zu den sachten Klaviertupfern erst dezente Schellenkranzpercussion, dann schrauben sich Becken und Pauken wie ein Donnergrollen dazu. Es scheint, der Gesang und die Instrumentierung handeln miteinander aus, wer sich im orchestralen Ganzen behaupten kann.

Dabei hat Die Heiterkeit auch musikalisch ganz anders angefangen: Mit schrabbeliger Indiemusik aus Gitarre, Schlagzeug und Bass erschien das ursprünglich Hamburger Projekt vor fast zehn Jahren auf der Bildfläche, gegründet von drei Freundinnen in einer Bar, nur eine davon mit musikalischer Ausbildung. Anstatt zu proben, zu schreiben und abzuwarten, veröffentlichten sie direkt vier Songs auf einer EP. Dass diese drei Frauen nicht wirklich geübt hatten, bevor sie in die Öffentlichkeit traten, störte viele. „Am Anfang war das oft die einzige Info über die Band“, sagt Sommer: „Das sind Frauen und die können halt nichts.“ Bis die Band ihr erstes Konzert spielte, dauerte es. Die Heiterkeit hatte keine Lust auf das Messen mit den Erwartungen der meist männlichen Kritiker. „Es ist anders aufgefasst worden, als einfach nur ein paar Leute machen unschuldig zusammen Musik. Es war sofort ein ziemlicher Druck drauf“, beschreibt die Sängerin die Anfangstage in Hamburg. Wäre Warten eine Option gewesen? „Für mich war es immer der einzig richtige Weg, dass man alles, was man hat, auf den Tisch packt“, meint Sommer. „Ich hätte genauso gut jetzt auch mit diesem Album nochmal zehn Jahre warten können. Inzwischen habe ich aber fünf Alben veröffentlicht. Vielleicht schämt man sich für das eine oder andere auch in zehn Jahren, aber zu dem Zeitpunkt, an dem man es gemacht hat, war es ja das Bestmögliche, was man machen konnte. Perfekte Produkte interessieren doch niemanden.“

Dass das Konzept „Indie-Band“ für Die Heiterkeit heute nicht mehr passt, hatte sich schon angedeutet. Eine Entscheidung, die bei der Produktion ihres Soloalbums gereift ist. „Ich hatte schon das Gefühl, ein bisschen eingeschränkt zu sein durch diesen Band-Kontext, weil man ja auch alle beschäftigen muss. Man schreibt ein Lied – und Bass, Gitarre und Keyboard, das ist es dann erstmal.“

Diese neue Arbeitsweise gibt Sommer nun die Möglichkeit, ihr Songwriting in immer größeren Pop-Balladen zu beweisen. Im Gegensatz dazu steht ihre nonchalante, etwas beiläufige Intonation, selbst wenn sie Silben dehnt und wie für die große Bühne geschrieben ausschmückt. Dass man die Songschreiberin dennoch als Person oft nicht greifen kann, gehört zur Methode, die Größe der Songs zu erreichen. „Alles sieht groß aus, in einem kleinen Raum“, mit diesen Worten findet „Was Passiert Ist“ ein vorläufiges Ende. Doch im Epilog umspielen zarte Effekte Sommers dunkles Timbre, und sie verkündet, der Himmel sei nun ein Aschehaufen. Stella Sommer ist am Höhepunkt ihrer Kryptologie angelangt. „Was passiert ist“ ist eine große Geste in elf Songs, selten greifbar, aber wunderbar geeignet, um darin zu versinken.

Lido Cuvrystr. 7, Kreuzberg, Sa 30.3., 20 Uhr, VVK 19,90 € zzgl. Gebühren

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