Filmkritik

„Drei Tage und ein Leben“ von Nicolas Boukhrief

Kriminaldrama Um die Identität des Schuldigen macht der Film kein Geheimnis. Die Zuschauer werden Zeugen der Tat, sie wissen, dass es sich um einen Unglücksfall handelt; Unfälle passieren nunmal, wenn Kinder spielen oder sich streiten oder ihren Launen nachgeben, Launen, die sie ja oft nicht im Griff haben. So ist es auch hier. Nun also ist der kleine Rémi verschwunden und die EinwohnerInnen des kleinen Städtchens Olloy in den belgischen Ardennen befürchten in dem Film „Drei Tage und ein Leben“ von Nicolas Boukhrief das Schlimmste.

"Drei Tage und ein Leben" von Nicolas Boukhrief
„Drei Tage und ein Leben“ von Nicolas Boukhrief. Foto: Atlas Film

Es ist Weihnachten 1999 und die Verbrechen von Marc Dutroux sind in noch frischer Erinnerung. Was, wenn Rémi in die Hände eines Kinderschänders gefallen ist!? Die Verzweiflung ist groß, auch die des Täters.

„Drei Tage und ein Leben“ („Trois jours et une vie“) von Nicolas Boukhrief beruht auf dem gleichnamigen, 2016 erschienenen Roman von Pierre Lemaitre, der zudem die Adaption übernahm. Ein Krimi, der aber recht schnell das kriminalistische Verfahren der Verbrechensaufklärung aus den Augen lässt und stattdessen ethische Überlegungen zum Thema Schuldfähigkeit und Verantwortung aufwirft.

Beispielsweise die, ob es so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit geben kann? Oder ob es sich bei dergleichen Tauschgeschäften nicht eher um einen moralischen Kuhhandel handelt, fußend auf einer Milchmädchenrechnung, die am Ende nicht aufgeht? Im vorliegenden Fall nämlich kommt dem Täter zunächst die Natur zu Hilfe, in Gestalt eines schweren Unwetters, das die Spuren des unglückseligen Vorfalls verwischt – für längere Zeit zwar, doch nicht für immer. So dass er sich schließlich neuerlich mit seiner Gewissensschuld konfrontiert sieht, und dabei nicht lange alleine bleibt.

Moralphilosophischer Krimi: „Drei Tage und ein Leben“ von Nicolas Boukhrief

Geschickt verflicht Boukhrief die Beziehungen der Figuren zueinander mit den Eigeninteressen, die die jeweilige Figur verfolgt. Bis nicht mehr zu entscheiden ist, ob die Gründe, die der eine oder die andere für hartnäckiges Stillhalten hat(te), nun ehrenwerter oder egoistischer Natur sind. Es waren nur drei Tage, doch sie wirkten sich auf nicht nur ein Leben aus. Am Ende erweist sich „Drei Tage und ein Leben“ als moralphilosophisches Kriminalstück, das von den komplexen Implikationen von Tat und Geschehenlassen handelt; und dem es dabei obendrein noch gelingt, immer die Spannung zu halten. Alexandra Seitz

Trois jours et une vie (OT); F 2019; 120 Min.; R: Nicolas Boukhrief; D: Jeremy Senez, Pablo Pauly, Sandrine Bonnaire; Kinostart: 3. 9. 2020

Die Filmstarts vom 3. September im tip-Überblick; die Filmstarts vom 27. August; die tip-Kritik zu „Tenet“ von Christopher Nolan; die Filmstarts vom 20. August

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