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Indie-Rock

Die Editors im Gespräch zum Berliner Konzert: „Plötzlich hast du hohe Klickzahlen. So ’ne Scheiße!“

Was in den USA The National, sind in Europa die Editors: die Band, die das Stadion so melancholisch wie nur möglich rockt. Vor 15 Jahren kam das erste Album. Zeit für eine besinnlich schmetternde Party!

Foto: Nadav Kander

Die Editors haben sich 2003 in Birmingham gegründet. Düstere Gitarren und Synthies dominieren ihren Sound – sowie der Bariton von Tom Smith. Das zweite und dritte Album, „An End Has a Start“ (2007) und „In This Light and on This Evening“ (2009), schossen in Großbritannien auf die Nr. 1 der Charts. Wir haben mit Tom Smith (Mitte) und Keyboarder/Gitarrist Elliott Williams (links) gesprochen.

tip Ihr hattet mindestens drei andere Namen, als es mit der Band 2003 losging.

Tom Smith Mindestens!

tip Wolltet ihr niemals „The Editors“ statt nur irgendwelche „Editors“ sein?

Tom Smith Nein, niemals, nicht mal zur Zeit der The-Bands! Als der Plattenvertrag winkte und wir ja fast noch Teenager waren, hatten wir keinen Namen, den wir mochten. Unser Name war Snowfield, und das Bild dahinter war falsch.

tip Inwiefern falsch?

Tom Smith Es fühlte sich zu hübsch an. Wir hatten damals schon Düsternis in unsere Lieder gespritzt. Zur Hölle mit dem Schneefeld!

tip Ihr wart Support-Band von Franz Ferdinand. Nun bespielt ihr die größeren Läden.

Tom Smith Manchmal schon (lacht)! Aber auch nicht überall. Wir sehen das nicht als Wettbewerb.

tip Wie hätte wohl dein früheres College-Ich reagiert, Tom, wenn man ihm erzählt hätte, dass ihr mal das Wembley-Stadion füllt?

Tom Smith Scheiße, keine Ahnung, was ich wohl gesagt hätte (lacht). Ich hatte aber immer an die Band geglaubt. Schon als wir „Bullets“ und „Munich“ schrieben. Wir waren an was dran.

tip Jetzt spielt ihr also in Stadien. Kann eine Band eigentlich zu groß werden?

„Man trifft dort nicht Kate Moss und die Glamour-Schickeria“ (Elliot Williams)

Tom Smith Nun, was unsere Band angeht: 90 Prozent unseres Publikums kommt aus Europa. Und es hängt sehr vom Territorium ab: An einem Abend spielen wir in Holland oder Belgien vor tausenden von Leuten. Woanders sind es vielleicht nur hunderte, und das ist auch cool so. Unser Selbstbild ist nicht, dass wir eine großmächtige Band wären.

tip Jetzt bitte keine falsche Bescheidenheit.

Elliott Williams Meistens sind wir ja bloß zu fünft, hängen rum und machen Musik. Das fühlt sich eher klein an.

tip Wo hängt ihr eigentlich rum?

Tom Smith Birmingham ist die Heimatstadt der Band. Obwohl nur unser Bassist Russell wirklich dort wohnt. Birmingham liegt mitten in England, das hilft. Unsere meisten Instrumente liegen da rum. Und Proberäume sind da halt viel billiger als in London. Ich mag, dass man uns als Band aus Birmingham betrachtet. Die Leute dort sind cool und multikulturell.

Elliott Williams Und die Leute sind geradeaus, die labern nicht drumherum. Man trifft dort nicht Kate Moss und die Glamour-Schickeria. Sondern einfach normale Leute im Pub.

tip Gibt es in Birmingham die Orte noch, in denen ihr eure Karriere begonnen habt, und in denen früher auch Oasis und Blur gespielt haben?

Tom Smith Die meisten sind geschlossen worden, leider. Das Jug of Ale verschwand vor Jahren. Dem Flapper & Firkin ergeht es wohl auch bald so. Auf Tour spielen wir diesmal dort gegenüber, in der Arena. Und dann gibt’s das Flapper wohl schon nicht mehr. Traurig!

tip Ihr bespielt die größten Locations eurer Karriere. Auf der anderen Seite gibt es auf CD 2 eures neuen Best-of-Albums „Black Gold“ Akustik-Versionen. Werdet ihr die denn spielen können im Stadionkontext?

Tom Smith Auf dieser Tour vielleicht nicht, obwohl wir ein Cello mit dabei haben, aber wir denken über eine Akustik-Tour nach – mit noch mehr Verbindung zum Publikum. Die kommt ja manchmal bei einer gigantischen Rockshow zu kurz. Uns waren aber immer auch die stilleren Nummern wichtig. Wir erkunden auch sehr gern diese sensible Seite der Band.

tip Was fordert euch bei Rockshows heraus?

Elliott Williams Technisch ist das schwer. Und das Publikum in diesen großen Räumen an dich zu fesseln. Man muss halt echt eine Show liefern, eine Feier! Jeden Abend würde mich das wohl auch nerven. Es gibt schon diesen Reiz, auch wieder im Club zu spielen.

tip Die meisten Songs komponierst du ja am Klavier und auf Gitarre, Tom. Sind die Akustik-Versionen nah an den ersten Demos?

Tom Smith Viele schon. Im Studio beschleunigen wir ja oft so, dass es in die Eingeweide geht. Aber wenn man die Songs dann wieder runterstrippt und sie in ihrer Simplizität immer noch Bestand haben, spricht das für die Songs.

„Manche Alben werden nun beschissen lang“ (Tom Smith)

tip Dann kann man sich nicht mehr hinter dem Produktionsbrimborium verstecken.

Tom Smith Ganz genau! Alles ist offensichtlich, jeder Fehler fällt sofort auf.

tip Was haltet ihr eigentlich von Streaming?

Tom Smith Manche Alben werden nun beschissen lang. Das hat wohl mit Algorithmen zu tun, die ich nicht schnalle. Alben haben plötzlich über 18 Tracks. Was zur Hölle ist da los?

Elliott Williams Es hat wohl was mit der Masse an Songs zu tun, die man raushaut und potentiell gestreamt werden können. Leute klicken sich dann womöglich durch das ganze Album, und plötzlich hast du hohe Klickzahlen. So ’ne Scheiße! Das macht die Alben schwächer.

tip Wie habt ihr denn die 16 Tracks für CD1 eures Best-of-Albums ausgesucht?

Tom Smith Wir wollten einen Einstiegspunkt für Leute bauen.

tip Also eher für Leute, die eure Musik noch nicht für sich entdeckt haben?

Elliott Williams Ja, wenn man jetzt ein Teenager ist: Wo fängt man dann an mit unseren Songs, dieser massiven Kollektion? Das Album soll ein Einstiegspunkt sein.

Editors – Frankenstein (Official Video)

tip Und doch muss die Auswahl schwer gewesen sein nach sechs Studio-Alben.

Tom Smith Wir haben uns nicht drum gekloppt, aber klar gab es Diskussionen. Wir wollten was von jedem Album draufhaben. Auf den ersten Alben hatten wir mehr Hit-Singles, einige Songs gingen fast Richtung Mainstream. Doch als unsere Karriere weiterging, gab’s eher Songs wie „Sugar“ und „No Harm“. Richtig wichtige Editors-Songs, die auch wichtige Teile unserer Live-Shows wurden. Obwohl sie nicht nach traditionellen Radio-Singles klingen. Beim Song „Sugar“ kamen wir damals mit der neuen Band-Besetzung, Chris war raus. Das war eine unheimliche Zeit für die Band. Wir haben an unseren Fähigkeiten gezweifelt.

tip Euren Kumpel und Gitarrist Chris Urbanowicz habt ihr damals aus der Band gekickt. War da Groll im Spiel?

Tom Smith Groll liegt mir fern. Als wir das vierte Album machten und es schief lief mit Chris… die Proben gingen ja über ein Jahr lang, und über die Monate hinweg haben wir gemerkt, dass wir als Band nicht dort hinkommen, wo wir hinwollten. Groll war es nicht. Frustration und Traurigkeit schon. Angst auch: Scheiße, wir packen das nicht. Uns wurde klar, entweder wir machen es ohne Chris – oder wir packen komplett ein. Das Schwierigste war es natürlich, Chris das zu gestehen. Eine harte, düstere, angsteinflößende Zeit, die man nicht vorhersieht, wenn man mit seinen Kumpels loslegt, Musik zu machen.

Velodrom Paul-Heyse-Str. 26, Prenzlauer Berg, Mo 3.2., 20 Uhr, VVK 46 € zzgl. Gebühren

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