Historiendrama 

„Ein königlicher Tausch“ im Kino

Ganz schnell erwachsen werden- Zweckgebundene Eheschließungen im Hochadel

Alamode Film

Philosophisch betrachtet geht die Idee der Liebesheirat auf die Epoche der Aufklärung im späten 18. Jahrhundert zurück. Die Realität sah noch lange Zeit anders aus: Erst der relative Wohlstand der vergangenen 100 Jahre ermöglichte es zumindest den Menschen der westlichen Welt, sich Liebe leisten zu können. Zuvor ­waren Eheschließungen meist zweckgebunden, es ging um Versorgung und um die Mehrung des Besitzstandes. Auf Staatsebene kam die hohe Politik dazu: Ehen untermauerten militärische Bündnisse oder wackelige Friedensverträge und sicherten generell Macht und Einfluss.

Insofern beschreibt „Ein königlicher Tausch“ eine für das frühe 18. Jahrhundert völlig normale Begebenheit. Der französische Regent Herzog Philipp von Orléans schließt einen Handel mit dem spanischen Hof ab: Der elfjährige König Ludwig XV. (Igor van Dessel) soll die vierjährige spanische Infantin Maria Anna Victoria (Juliane Lepourdeau) heiraten, während Philipps Tochter Louise-Elisabeth (Anamaria Vartolomei) mit dem spanischen Thronfolger Don Luis (Kacey Mottet-Klein) vermählt wird.
Die Übergabe der beiden Mädchen an den jeweils anderen Hof inszeniert Regisseur Marc Dugain wie einen Geiselaustausch, der es im Grunde ja auch ist: Die Mädchen müssen sich darauf einrichten, weder ihre Heimat noch ihre Eltern oder Geschwister je wieder zu sehen. Interessant wird der auf einem Roman von Chantal Thomas beruhende Film vor allem durch die sorgfältige Charakterisierung seiner vier Hauptfiguren, die ganz unterschiedlich mit den an sie gerichteten Erwartungen umgehen, jeweils Rollen auszufüllen, denen sie emotional oder intellektuell unter Umständen noch gar nicht gewachsen sind.

Die kleine Maria Anna Victoria stellt ihre Rolle nie infrage. Der pubertierende Ludwig kann mit dem kleinen Mädchen nichts anfangen, zumal sie ihrer wichtigsten Aufgabe – einen Thronerben zu gebären – frühestens in zehn Jahren nachkommen kann. Zudem hat der von dubiosen Beratern umgebene Ludwig wichtige Entscheidungen in Staatsgeschäften zu treffen – während er sich doch abends allein noch immer vor der Dunkelheit fürchtet. Hingegen hat sich Louise-Elisabeth am spanischen Hof einer Verweigerungshaltung verschrieben, denn sie hält den schüchternen Don Luis für einen Trottel. Der heranwachsende Thronfolger wiederum hat große Probleme, sich von seinen Eltern zu emanzipieren.

Das alles ist nicht nur elegant und klug inszeniert, es besitzt auch einen hintergründigen Humor, besonders in den Szenen am spanischen Hof, wo der erratisch agierende Philipp V. (Lambert Wilson) regiert. Der Film lässt den Charakteren viel Zeit zur Entwicklung und beschreibt zudem das Lebensgefühl einer Ära, in der die Menschen im Angesicht von Epidemien und geringer Lebenserwartung ein völlig anderes Verhältnis zu Tod und Religion hatten. So musste auch Ludwig XV. bereits den Tod eines Großteils seiner Verwandten durch die Pocken beklagen – nur deshalb sitzt er überhaupt auf dem Thron. Der Junge hadert mit seinem Schicksal: „Wenn sie nicht alle gestorben wären, hätte ich meine Kindheit für mich gehabt.“ Doch das war nur ein Wunschtraum. Damals musste man schnell erwachsen werden.

Ein königlicher Tausch B/F 2017, 100 Min., R: Marc Dugain, D: Lambert Wilson, Igor van Dessel, Anamaria Vartolomei, Start: 28.2., 3325

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