Im Adot Kitchen serviert ein junges Ehepaar äthiopische Traditionen. Rahel Teklehaymanot und Eskinder Mamo bringen Kaffeekultur und äthiopische Gastfreundschaft nach Neukölln. Ohne Ethnokitsch, aber dafür mit lässiger Coolness.
Adot Kitchen: Weihrauch und traditionell äthiopischer Brunch
Wer die traditionelle äthiopische Kaffeezeremonie bestellt, muss Geduld mitbringen: Die Tongefäße werden langsam erhitzt, der grüne Kaffee wird geröstet und gemahlen, Popcorn dazu geröstet. Kaffee, das ist hier nicht einfach nur ein Konsumprodukt, es ist Kultur, es ist Kommunikation, es ist eine Kunstform. Und es ist ein Weg, jemandem zu sagen: Ich schätze dich, ich schätze deine Anwesenheit, ich möchte Zeit mit dir verbringen.
Es ist keine Überraschung, dass Kaffee so einen hohen Stellenwert in Ostafrika hat. Zwar ist nicht bekannt, wer genau zum ersten Mal die Idee hatte, die süßen Früchte des Kaffeebaums zu rösten, aber klar ist: Die Wiege der Kaffeekultur liegt im heutigen Äthiopien. Dort fiel der Legende nach einem Ziegenhirten erstmals auf, wie fidel die Herde nach dem Genuss der roten Kaffeekirschen war. Und dort liegen auch die familiären Wurzeln von Rahel Teklehaymanot und Eskinder Mamo, die das Kulturcafé in der Friedelstraße für drei Tage in der Woche in ihr äthiopisches Kaffee- und Frühstückslokal Adot verwandeln.
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Gastronomie ist für die beiden eine neue Erfahrung: Mamo arbeitet eigentlich im Tech-Bereich, Teklehaymanot kommt aus der Mode. Aber Kochen und vor allem Gastgeben, das war immer ihre Leidenschaft. „Meine Freund:innen wollen nie in Restaurants, sie wollen immer nur, dass ich koche“, erzählt sie lachend. Essen ist ein wichtiger Teil der äthiopischen Kultur, genauso wie der Kaffee – und beides ist untrennbar miteinander verbunden. Kurz vor der Pandemie kam das Paar nach Berlin, Mamos alte Heimat. Eigentlich sollte es nur eine kurze Reise werden, doch aufgrund von internationalen Lockdowns verlängerte sich der Aufenthalt erst um Wochen, dann um Monate – und nun sind sie beide hier zuhause.
Adot Kitchen begann mit einem Picknick
Schnell kam die Idee auf, es doch mal mit der Gastronomie zu versuchen. „Aber wir bauen es auf wie bei einem Start-up: ein Schritt nach dem anderen“, erklärt Mamo. Nichts überstürzen war das Motto: Erst organisierten sie ein Picknick, bewarben sich dann auf einen Stand in der Markthalle Neun und organisierten Pop-ups. „Bei jedem Schritt war das Feedback so positiv und überwältigend“, erinnern sie sich. Schnell kam die Idee auf, sich mit einem anderen Café oder Lokal Küche und Gastraum zu teilen. „Und wirklich viele hatten Lust darauf“, berichtet Mamo, „wir mussten uns nur für eines entscheiden.“
Als Teklehaymanot und Mamo dann das KulturCafé auf der Friedelstraße besichtigten, war für sie die Entscheidung klar: dieser Ort oder keiner. „Eskinder hat sich in den Raum verliebt“, erzählt Teklehaymanot, „aber ich habe nur die kleine Küche gesehen und dachte: wie soll das funktionieren?“ Es sollte funktionieren: In einer größeren Küche bereitet sie die einzelnen Komponenten vor, vor Ort wird fertiggestellt. Eine Herausforderung ist die kleine Küche trotzdem, aber es funktioniert.
Auch, weil sich das Duo auf ein kleines Menü spezialisiert: vier Gerichte und zwei Kombo-Platten, künftig soll noch Gebäck aus dem Mehl der Hirsepflanze Teff hinzukommen. „Außerdem können wir so auch die für uns wichtige Qualität garantieren“, erzählt das Unternehmerpaar. Die Karte ist vielleicht klein, die Aromenvielfalt dafür aber umso umwerfender: das fluffige Rührei in lange gekochter, hocharomatischer Berberésauce und geklärter Butter ist ein Erlebnis, das Injera – aus reinem Teffmehl fermentiert – ist das beste in Berlin, nicht allzu sauer, herrlich samtig und weich genug, um auf Besteck zu verzichten und das Brot als köstliches Utensil zu verwenden. Eigentlich heißt es, dass reines Teffmehl sich unter den hiesigen klimatischen Bedingungen nicht fermentieren lässt – sogar Teklehaymanots in Berlin lebende Schwiegermutter war dieser Ansicht. Aber sie beweist, dass es geht. Ihr Geheimnis? „Wenn man mit ganzem Herzen dabei ist, funktioniert es eben.“
Selbstimportierte Zutaten und viel Leidenschaft
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie ihre Zutaten, allen voran das Teffmehl und die Gewürze, aber auch ihre Kaffeebohnen (die man übrigens auch für den Hausgebrauch kaufen kann), selbst aus Äthiopien importieren. „In Äthiopien geht man nicht einfach zum Supermarkt – ich benutze die Gewürze, die ich von meiner Familie bekomme“, erklärt die autodidaktische Köchin. „Ich war immer umgeben von starken Frauen, deswegen auch der Name: Adot, das heißt auf Äthiopisch Mutter – und hier soll es so gut schmecken wie sonst nur bei Mama.“ Auch wenn ihr nach der Namensgebung eine Freundin erzählte, dass sie der Name abschrecke – ihre Mutter habe gar nicht kochen können, erinnert sie sich und grinst.
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Wer nun ins Adot kommt, kann auch einfach nur eine kurze Pause einlegen wie in anderen Cafés: für Eilige gibt es eine Auswahl von äthiopischen Tees, aber auch Kaffeeklassikern, die übrigens auch mit den selbstimportierten und selbstgerösteten Bohnen zubereitet werden, die aufwendig von wilden Kaffeesträuchern gepflückt werden und einen ganz eigenen Geschmack haben. Aber viel empfehlenswerter ist es, mit etwas Zeit vorbei zu kommen und sich mindestens auf die traditionelle äthiopische Kaffeezeremonie und ihre ganz eigene Geschmackswelt einzulassen. Denn wenn dann das Tablett mit duftendem Weihrauch, Popcorn und geklärter Gewürzbutter den Tisch erreicht und der Rauch die Luft erfüllt, ist man für einige Minuten ganz weit weg vom wuseligen Neukölln.
- Adot Kitchen im Oyoun, Lucy-Lameck-Straße 32, Neukölln, Sa–Mo 10–18 Uhr, online
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