Vor 15 Jahren hat Ariel Schiff sein erstes Amano Hotel eröffnet. Und seitdem immer wieder Orte geschaffen, an denen auch Berlin gerne zu Gast ist. Ein Tresengespräch.
Ariel Schiff wurde in Berlin geboren. Er ist in Spanien aufgewachsen, und im Nachtclub seiner Eltern auf dem Kurfürstendamm. Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung in den Berliner Steigenberger Hotels. Die Aussicht, erstmal als Portier zu enden, führte ihn aber doch in die Immobilienbranche. Dort wäre Ariel Schiff vermutlich auch geblieben, wäre da nicht dieses Grundstück in der Rosenthaler, Ecke Auguststraße, gewesen, mit dem damals, Mitte der Nullerjahre, niemand etwas anzufangen wusste. „Büroetagen standen reihenweise leer und die Wohnungsmieten waren so günstig, dass Neubau unrentabel war.“ Also entwickelte Schiff ein radikal urbanes Hotelkonzept. Und musste es am Ende selbst betreiben.
15 Jahre ist es jetzt her, dass das Amano Hotel die Berliner Nacht verändert hat: Plötzlich war es also cool, bis zum Morgengrauen an einer Hotelbar zu versacken. Und bald begeisterte sich Berlin für die Restaurants in den Hotels der Amano Gruppe, für das Mani, das Joseph oder zuletzt das Amigo Cohen. Ariel Schiff hatte neue Aromen und mehr noch eine sehr gesellige Esskultur aus Tel Aviv importiert. Ein Gespräch über die Nacht, die Stadt und das Leben als Jude in Berlin.
Das Amano Hotel öffnete vor 15 Jahren – und der Bartresen war zunächst sehr leer
tipBerlin Ariel Schiff, wir sitzen hier an der Bar des Amano Hotels in der Auguststraße. Haben Sie früh geahnt, dass das ein stilprägender Ort für Berlin werden könnte?
Ein Grundstück zwischen Hackeschem Markt und Rosenthaler Platz war in den Nullerjahren quasi unvermittelbar.
Ariel Schiff
Ariel Schiff Die Ironie der Geschichte ist ja: Ich wollte das Hotel gar nicht selbst betreiben. Ich bin mit dem fertigen Konzept über die ITB getigert und habe das spätere Amano Hotel zehn der größten europäischen Hotelgruppen vorgestellt. Eine einzige hat sich die Baustelle angeguckt und nur gemeint: „Herr Schiff, wenn sie mal eine wirklich gute Lage haben, können sie sich gerne wieder melden.“ Ein Grundstück zwischen Hackeschem Markt und Rosenthaler Platz war in den Nullerjahren quasi unvermittelbar.
tipBerlin Sie wurden nicht nur Hotelier, sie haben dieses Hotel auch zu einem Ort gemacht, der plötzlich voll von Berliner:innen war.
Ariel Schiff Ganz so schnell ging es nicht. Tatsächlich war der Tresen zunächst sehr, sehr leer. Selbst gute Freunde haben ja zu mir gesagt: „Ariel, wir mögen dich wirklich sehr, aber in eine Hotelbar gehen wir einfach nicht.“ Hotels und die Hotelgastronomie wurden von den Locals regelrecht gemieden. Ich habe dann meine Kontakte in die Berliner Nacht genutzt und mit Leuten aus der Clubszene, allen voran Mario Grünfelder aus der Bar Tausend, einen komplett neuen Ort geschaffen. Vor allem: einen Berliner Ort.
Fünf Monate später hatten sich die Vorzeichen umgekehrt. Das Problem war nun eher, dass ich morgens um sieben einen Anruf von der Rezeption bekam, weil das Foyer noch immer voll von Nachtschwärmern war und dass sich die Schlange hoch zur Dachterrasse bis auf die Straße zog. Dachterrassen waren ja auch so ein Ding, das es in Berlin bis dahin gar nicht gab.
tipBerlin Noch etwas, das es in Berlin nicht gab: zeitgenössische israelische Küche.
Ariel Schiff Levante wäre auch ohne mich in Berlin passiert. Dass ich damit so früh dran war, lag daran, dass ich oft in Tel Aviv bin. Bis in die Nullerjahre war Tel Aviv, wie Berlin, eine Stadt, in der man kaum gut essen konnte. Es gab Fleischspieße, das war‘s. Plötzlich aber poppten wöchentlich neue spannende Restaurants auf. Den Spaß an Küche habe ich in Tel Aviv entdeckt. Was mir an dieser Art zu essen auch so gut gefallen hat, war das Gemeinschaftliche, Gesellige. Das Essen wird zum Fest.
In Deutschland, in Berlin ist das mit den Clubs irgendwann vorbei. Aber die Lust zur Ekstase ist ja noch da. Warum also nicht das Restaurant zum Club erweitern?
Ariel Schiff
tipBerlin Sie zelebrieren es mit ihrer Partyreihe Isramani: Erst wird diniert und später, buchstäblich, auf den Tischen getanzt.
Ariel Schiff Ich bin in Spanien aufgewachsen. Dort gehen auch Siebzigjährige selbstverständlich in die Clubs. In Deutschland, in Berlin ist das mit den Clubs irgendwann vorbei. Aber die Lust zur Ekstase ist ja noch da. Warum also nicht das Restaurant zum Club erweitern? Im Amano Eastside am Ostbahnhof fangen wir damit schon am Samstagnachmittag an. Daydrinking, Daydancing – es wurde ein voller Erfolg. Wenn die Kinder ins Bett müssen, ist man wieder zuhause.
tipBerlin Hat es Sie nie gereizt, sich in der Liga der Berliner Luxushotels zu probieren?
Ariel Schiff Fünf Sterne haben mich nie interessiert. Ich sehe Berlin auch nicht als Luxusmarkt. Erst recht nicht, wenn man sich an Gäste wendet, die Berlin erleben wollen. Diese klassischen Bewertungskriterien sind ohnehin ein Thema aus dem letzten Jahrhundert. Ich habe stattdessen nach ein einem authentischen, charakterstarken Nischenprodukt gesucht. Das ist auch die einzige Möglichkeit, den global agierenden Hotelkonzernen etwas zu erwidern. Überall auf der Welt dieselben Konzepte hochzuziehen, hat ja charmante Vorteile: Es senkt die Kosten und garantiert den Gästen einen Wiedererkennungswert.
tipBerlin Ihre Hotels, acht mit insgesamt tausend Betten gibt es allein in Berlin, unterscheiden sich hingegen sehr. Macht das die Sache nicht kompliziert?
Ariel Schiff Mag sein. Aber es hilft, die Spannung hochzuhalten, auch für mich selbst. Ich möchte mich nicht langweilen, glaube aber auch, dass diese Individualität ein wichtiger Baustein der Amano-DNA ist.
tipBerlin Amano Hotels gibt es auch in München, Leipzig, sogar in London. Wie viel Berlin haben Sie an diese Orte exportiert?
Ariel Schiff Was mir in London aufgefallen ist: Ich nehme die Dinge oft lockerer, nonchalanter als das dortige Personal. Vielleicht ist das eine Lehre aus 15 Jahren Hotellerie in Berlin: Dinge zu nehmen wie sie sind.
Berlin hat diese Leidenschaft, die Vergangenheit zu verklären und an Dingen festzuhalten. Aber jede Stadt braucht eine Entwicklung nach vorne.
Ariel Schiff
tipBerlin Es ist nicht immer einfach mit dieser Stadt?
Ariel Schiff Berlin hat diese Leidenschaft, die Vergangenheit zu verklären und an Dingen festzuhalten. Aber jede Stadt braucht eine Entwicklung nach vorne. Nach der Wende habe ich diese Aufbruchstimmung tatsächlich erlebt. Wie viele neue Stadtquartiere sind seitdem entstanden, teilweise von wirklich namhaften Architekten – und wie langweilig sieht das heute alles aus. Berlin hat viele Chancen kaputtreguliert.
Für Amano-Hotels ist die Lage das entscheidende Kriterium
tipBerlin Wie entscheiden Sie sich für ein neues Hotelprojekt?
Ariel Schiff Es gibt nur ein Kriterium: die Lage. Amano kommt aus dem Spanischen und heißt „zur Hand“ oder fußläufig. Unsere Häuser sind dort, wo Berlin passiert. Nah an den Sehenswürdigkeiten, der Kunstszene, dem Nachleben, der Gastronomie. Ich maße mir nicht an, dass die Gäste ausschließlich wegen des Designs oder der Atmosphäre unserer Häuser kommen.
Vielleicht war ich auch zu naiv, aber ich hätte nie gedacht, dass Antisemitismus noch einmal mit dieser Wucht in unser Leben tritt.
Ariel Schiff
tipBerlin Wie erleben Sie als Berliner Jude aktuell den Alltag in Berlin?
Ariel Schiff Ich würde gerne eine andere Antwort geben, aber ich muss uneingeschränkt sagen, dass es gerade sehr belastend ist. Ich habe, als Privatperson und Unternehmen, genug Drohungen bekommen, eine gewisse Anspannung ist immer da. Dass es sich inzwischen ein wenig normalisiert hat, liegt schlicht daran, dass man lernt, mit Problemen umzugehen. Vielleicht war ich auch zu naiv, aber ich hätte nie gedacht, dass Antisemitismus noch einmal mit dieser Wucht in unser Leben tritt.
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Der Himmel über Berlin
Die Bar im Amano Mitte wurde bereits im Jahr nach der Eröffnung mit dem Mixology Award ausgezeichnet. Ebenfalls preiswürdig: die Stimmung auf der Dachterrasse. Weswegen ein Rooftop-Konzept etwa auch im Amano Grand Central am Hauptbahnhof und im Zoe by Amano realisiert worden ist.
- Amano Mitte Auguststr. 43, Mitte
Die Tel-Aviv-Connection
Das gesellige Habeit shel Amano, das streetfoodige Joseph, das lässige Mani oder das um die Aromen Mexikos erweiterte Amigo Cohen: Die junge, kreative Küche Tel Avivs prägt die Kulinarik der Hotelrestaurants, denen Eindrückliches gelungen ist: Die Gäste kommen auch und vor allem aus Berlin.
- Mani Restaurant Torstraße 136, Mitte
Das Restaurant als Club
Isramani heißt die reich gedeckte Tafel, die später am Abend zum Dancefloor wird. Die Partyreihe wurde so erfolgreich, dass sie im Mani an der Torstraße inzwischen jeden Samstag zelebriert wird. Auch ein Feierbiest: das Amigo Cohen im Amano Grand Central.
- Amigo Cohen Invalidenstr. 53a, Moabit, online
Kühle Drinks auf Dachterrassen: Berlins Rooftop-Bars zeigen wir euch hier. Stilvoll schlafen: Wir zeigen euch besondere Hotels in Berlin. Die deutsche Geschichte spiegelt sich in dieser Einrichtung: Wir blicken zurück auf bewegte Zeiten im Hotel Adlon Kempinski. Das gastfreundlichste Pop-up der Stadt: Lobb im Casa Camper. Große Bühne mit Spreeblick: Darum ist das Restaurant Mina so gut.
Der Food-Guide für die Hauptstadt: Bestellt hier die tipBerlin Speisekarte. Immer neue Tipps für Restaurants in Berlin findet ihr hier.