Die aus Tel Aviv importierte Bellboy Bar wirkt bereits berauschend, bevor man überhaupt etwas getrunken hat. Schon das Interieur hat einen mystisch opulenten Flair und unterinszeniert ist hier höchstens der Old Fashioned – ausnahmsweise! Herzlich, lecker und immer für eine Überraschung gut.
Bellboy Bar: Abende voller Eskapismus und Exzellenz
Betritt man die jüngst eröffnete Bellboy Bar in der Mohrenstraße, fällt man sodann wie durch ein Loch aus der Zeit. Die abgehängten Fenster entkoppeln den Raum effektiv vom immer etwas zu geschäftigen Mittegefühl, zumindest in dieser Ecke von Mitte. Im atmosphärisch mystischen Raum mit warmem Kerzenlicht, opulenten Sofas, Sesseln und Samtkissen, zwischen Toten- und Puppenköpfen entfaltet Trockeneisnebel sein optisch beeindruckendes Dampfwolkenpotential. Und spätestens auf der Suche nach dem hinter einer Geheimtür verborgenen zweiten Gastraum oder auf dem Weg zu den Toiletten, der sich als Labyrinth durch mehrere Türen, vorbei an seltsam retrofuturistischen Schaltpulten mit sehr, sehr vielen Knöpfen entpuppt, wird klar: Alles in dieser Bar ist als Erlebnis konzipiert. Und das wirkt nicht aufgesetzt inszeniert, sondern (Spoiler) funktioniert!
Was weniger überrascht, hat man sich erst einmal mit Ariel Leizgold beschäftigt. Leizgold hat in Tel Aviv ein kleines Imperium aus immer sehr bildstarken kulinarischen und atmosphärischen Orten geschaffen. Restaurants und Bars, die keineswegs um den dramatischen Auftritt verlegen sind.
What about the drinks at Bellboy Bar?
Noch vor zwei, drei Jahren hätte das kaum nach Berlin gepasst. An der Spree war ein betonroher Minimalismus lange stilbildend für das Design des Abends und der Nacht. Aber erstens trinken wir hier gerade in den Ausläufern einer Pandemie. Und zweitens ist die Bar ja immer auch ein eskapistischer Ort. Und so allumfassend entführt wie die Bellboy Bar hat uns eine Neueröffnung schon lange nicht mehr.
Was auch ganz menschliche Gründe hat: Mit Barmanagerin Peggy Knuth aus dem Curtain Club im Ritz Carlton begrüßt uns in der Bellboy Bar nicht nur ein bekanntes Berliner Gesicht, sondern auch eine der versiertesten und herzlichsten Mixologinnen dieser Stadt.
Also, what about the drinks (10–18 Euro)? Die sind ziemlich einmalig. Angefangen bei ihren Gefäßen. Es werden Keramikzähne, Badewannen, Flachmänner in Bananenform oder faustgroße Meeresmuscheln an die Tische getragen. Aus ihnen zischt und sprudelt es, man reicht eine Zahnbürste mit Pfeffi-Zahnpasta zur Toothfairy mit Bellboy Maté Pisco, Terereé Sirup, Limette, Minze und Absinth, es fliegen kleine Klumpen Wannenschaum vom einen Tischende zu anderen und ein Stückchen Blauschimmelkäse fällt in ein mohnbedecktes Glas Josephin’s Pet.
Essen geht in der Bellboy auch – so richtig gut
Satt wird man übrigens auch. Von kleinen Tellern zu Beginn, Salatherzen auf einem Eisbett, Austern verkleidet mit einem Topping aus Cashewaioli, roten Zwiebeln und Pistazien über zartschmelzende Kartoffelnocken mit Zucchinispiralen und Tsatsikisoße bis zu einer vanilligen Creme in Buddhaform auf Sesambrittle, Basilikum und konzentriertem Umami in Form von Misokaramell. Die Küche ist eine Mischung aus allem, aber niemals zu viel.
Unmöglich alleine, diesen Abend auf einen knappen Nenner zu bringen: vielfältig die Nuancen der Geschmäcker, beeindruckend die optische Präsentation, klug und einfühlsam der Service und das Gefühl, hinter jedem Knöpfchen und Gegenstand könnte der nächste Geheimraum zum Vorschein kommen. Mehr bleibt nicht zu sagen, die Bellboy Bar mischt auf.
- Bellboy Bar Mohrenstr. 30, Mitte, Di–So 18–2, Do–Sa bis 3 Uhr, Tel. 030/20 07 70 70, www.bellboybar.com
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