Torten

Commie Cakes: Politik mit Buttercreme und Zuckerguss

Als „Commie Cakes“ backt eine junge Berliner Mutter extravagante Torten für Menschen, die sich sonst keine leisten können. Die Kreationen der kommunistischen Konditorin kommen oft genug mit politischen Botschaften daher und können es mit Versionen professioneller Berliner Pâtisserie aufnehmen. Bloß kaufen kann man sie nicht, sondern nur geschenkt bekommen.

Die junge Mutter hinter „Commie Cakes“ macht Politik mit Buttercrème und Zuckerguss. Hier im Cafe Datscha im Prenzlauer Berg. Foto: Lena Ganssmann

Commie Cakes: Kommunistische Konditorei

Eine beige Torte mit Erdbeeren und einer Karl-Marx-Skulptur aus Blütenpaste. Ein blauer Kuchen mit Bananendekor, Beerenfüllung, gekrönt von einem Äffchen aus Zuckerpaste. Ein Törtchen zur Einschulung, eine Torte um eine bewilligte Aufenthaltserlaubnis zu feiern.

Scrollt man durch die Instagramseite „commie_cakes“, stehen aufwendige Torten mit politischen Botschaften direkt neben traumhaft schönen Kreationen für Kindergeburtstage, Kuchen zur Einschulung neben Törtchen, die die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ bewerben. Der Name ist Programm: Die Gründerin, eine junge Berliner Mutter, versteht sich als Kommunistin – und ist passionierte Hobbykonditorin. Ihre Torten, die es mit den Versionen professioneller Berliner Pâtisserie aufnehmen können, kann man allerdings nicht kaufen. Sondern nur geschenkt bekommen. Wie bitte?

Armutsrisiko Alleinerziehend

„Meine persönliche Geschichte ist ziemlich eng mit dieser Idee verknüpft“, erzählt „Commie“, die Gründerin des Projekts. Ihren Namen möchte sie nicht nennen, denn das Internet kann ziemlich gnadenlos mit Menschen sein, die sich politisch klar links verorten. Commie ist der Spitzname, mit dem sie auch ihre Freund:innen rufen. Gebacken hat sie schon immer gerne, aber vor zehn Jahren wurde es noch wichtiger in ihrem Leben: „Ich war ziemlich allein und ziemlich alleinerziehend“, erinnert sie sich, „für Alleinerziehende in Deutschland sind finanzielle Ressourcen knapp bemessen, das war für mich auch so. Torten backen war etwas, wo ich mich kreativ äußern konnte und es hat mir das Gefühl gegeben, meinem Kind etwas bieten zu können, was ich finanziell nicht konnte.“

In Berlin lebt nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie jedes dritte Kind in Armut. Und viel zu oft ist immer noch der Status als Alleinerziehende für viele Menschen, zumeist Frauen, daran mitschuldig. Für Commie war diese Erfahrung zentral in ihrer Politisierung und gleichsam der Grund, der sie zum Ofen trieb. „Eine schöne Torte und so eine richtige Party war für uns das Zeichen, dass wir es wieder ein Jahr geschafft haben in einer Welt, die es uns nicht immer einfach macht“, erzählt sie.

Commie Cakes macht Torten für alle

​Die Tortenwünsche ihres Kindes wurden immer aufwendiger, ihre Backkünste immer professioneller, und so wurden sogenannte „fancy cakes“ zu ihrem Hobby, das sie auch noch beibehielt, als sie längst wieder in einer Partnerschaft lebte und einen Job in der politischen Kommunikation antrat. Erst ein privates, bis sie anfing, ihre Torten öffentlich auf Twitter zu posten, ihre Geschichte zu erzählen und nachzufragen, ob es vielleicht nicht eine andere vielleicht alleinerziehende Person in Berlin gäbe, denen sie mit einer Torte eine Freude machen könnte.

Die Resonanz war überwältigend – vor allem von Menschen, die anboten, die Aktion finanziell zu unterstützen. „Es sind dann so viele Spenden reingekommen, dass ich auf jeden Fall viele Torten davon machen konnte und ich dachte, das muss ich irgendwie verstetigen.“ So wurde aus einer einmaligen Situation „Commie Cakes“.

Commie Cakes verschenkt Torten an Streikende der Krankenhausbewegung, an linke Bewegungen – und vor allem an Familien, die sich sonst keinen ausgefallenen Geburtstagskuchen leisten können. Fotos: Commie Cakes

Die Regeln sind einfach: Die Torten sind nicht käuflich zu erwerben. Kuchenfreund:innen können sich allerdings eine wünschen und sie als Geschenk erhalten, ohne direkte Gegenleistung. Ob Pistazienfüllung oder Schokoladenbuttercrème, Himbeerfüllung oder Blattgoldverzierung, fast alles ist möglich. Und durch diese sehr personalisierten Torten entsteht auch eine Form der Nähe zwischen der Bäckerin und den Beschenkten, eine Nähe, die, nun ja, durch den Magen geht.

Berlinweiter Nachbarschaftsdienst

Wer es sich leisten kann, soll gerne eine Spende in ungefährer Höhe des Preises einer solchen Torte bei einer Konditorei spenden und somit weitere Kuchen finanzieren. Aber spenden kann auch sonst jede:r, der das Projekt für unterstützenswert hält: „Mir haben auch Menschen geschrieben, die mit Kommunismus nichts anfangen können, die Aktion aber toll finden“, berichtet die Hobbybäckerin, „ich habe es fast am liebsten, wenn ich gar nicht weiß, ob die Person, die einen Kuchen erhält, gespendet hat oder nicht.“

Die Höhe der Unterstützung ist dabei völlig egal: „Eine Zwei-Euro-Spende bedeutet, dass man vier Pakete Mehl kaufen kann“. Und vier Pakete Mehl, das ergibt ganz schön viel luftigen Tortenteig.

Nicht jede Anfrage kann sie aber annehmen: „Ich dachte anfangs, ein Kuchen macht mir Spaß, dann macht drei Kuchen machen drei mal so viel Spaß, aber ich habe schnell gemerkt, dass es nicht so funktioniert.“ Jetzt fokussiert sie sich auf, wie sie es beschreibt, politisch marginalisierte Menschen und Berliner:innen, die sonst keinen Zugang zu so einer Art Kuchen hätten. Die Reaktionen auf diese Einschränkungen waren bislang alle verständnisvoll. „Ich mache das ja nicht als Beruf, sondern als eine Art berlinweiter Nachbarschaftsdienst“, sagt sie lachend, „aber ich habe darüber viele Kontakte darüber geknüpft und viele Geschichten erzählt bekommen.“

Gründe für Torten gibt es viele

Als sie die verschiedenen Anlässe nacherzählt, steigen ihr Tränen in die Augen: eine Torte für ein Kind, das diesen Monat seine Krebstherapie abschließt, oder für Mütter aus der Community, die aufgrund von Jobverlust in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und ihren Kindern trotzdem einen schönen Geburtstag bereiten wollen. Eine Torte für eine Person, die gerade ein Verfahren gegen die Berliner Polizei gewonnen hat oder für politische Geflüchtete, die endlich ihre Familien wieder sehen können. Gründe gibt’s viele. „Ich fühle mich geehrt, dass mir Menschen diese Geschichten anvertrauen“.

Geld will sie damit nicht verdienen: „Für mich ist das wie essbare Kunst. Ich freue mich, dass ich es nicht als beruflichen Weg eingeschlagen habe und dann auf jede Arbeitsstunde und jede Fondantdekoration ein Preisschild aufzukleben. Ich kann so viel Zeit für eine Torte aufwenden wie ich will.“ Die Commiecakes sind für ihre Macherin so ein kreatives Projekt mit politischem Anspruch, ohne aber explizit politisch zu sein.

In Zukunft würde sie gerne einen Verein gründen, um die Arbeit zu verstetigen. „Letztendlich ist es ein Community-Projekt. Und alle Menschen, die spenden, sind ein Teil davon.“

  • Commie Cakes online auf Instagram, unterstützen kann man das Projekt über Paypal

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