Unter dem Pflaster liegt ja angeblich der Strand. Hinter dem Asphalt aber liegt tatsächlich ein Garten. Was Martin Höfft zu verdanken ist, der die verwucherte Brache hinter der Neuköllner Richardstraße mit zarter Hand, aber umso entschlosseneren Visionen zu seinem Gemüsegarten gemacht hat. Oder ist es nicht doch genau umgekehrt? Macht der Garten mit dem Gärtner, was er will?
Höffts Gartenphilosophie, und man sollte sie tatsächlich so nennen, ist nämlich die des Permagärtnerns. Und Permagärtnern meint mindestens zweierlei: zum einen allenfalls minimale Eingriffe in den Kreislauf der Natur, kein Düngen, kein Erdaustausch. Selbst Umgraben ist verboten. Zum anderen das kontinuierliche Gärtnern mit dem Jahreslauf. Geerntet wird mindestens täglich, in kleinen Portionen eben. Wobei der Selbstversorgergarten für die eigene Familie inzwischen auch die Tageskarte des Cafй Botanico versorgt. Als vor einigen Wochen das Ladenlokal im Vorderhaus der Richardstraße frei geworden war, dauerte es nur einen Abend bis zum Entschluss, den Garten dort auch auf den Tisch zu bringen.
Morgens vor seinem eigentlichen Dayjob als Geologe geht Martin Höfft also durch seinen Garten und sammelt in kleinen Dosen die Gaben für den Tag. Frische Blüten, krause Blätter, wilden Spinat. Oder die Knospen der Parakresse, die erst listig auf der Zungenspitze prickeln, um diese dann für einen kurzen Moment zu betäuben. Man denkt an die Tricks und Irritationen der Molekularküche. Hat aber die Natur selbst so eingerichtet.
Das Risotto, an diesem Tag mit wildem Spinat, ist schlotz-cremig und schmeckt vor allem unglaublich grün. Den Gartensalat – unter anderem Knospen, Stengel, Blätter und Blüte des Rettichs, Brunnenkresse, Giersch, Rucola – ergänzt ein Brotzeitteller mit Speck, zweierlei italienischen Schinken, einer eher milden Fenchelsalamie und einem gereiften Hartkäse, wie man ihn etwa aus den Seealpen kennt. Die Gartenlimonade ist weder zu süß noch zu sauer und so selbst gemacht wie das zusammengewürfelte Interieur irgendwo zwischen dem agitativen Wohngefühl einer Alt-Kreuzberger Kommune und der Authentizität eines mediterranen Agriturismo.
Das klingt so bunt, wie es eben auch der Gemüsegarten ist. Und es passt bestens zu einem Ort, der den sprießenden Zeitgeist des Urban Gardenings um eine nachhaltige, experimentelle und, ja, auch politische Dimension erweitert.
Text: Clemens Niedenthal
tip-Bewertung: Empfehlenswert
Cafй Botanico?, Richardstraße 100, Neukölln, ?www.cafe-botanico.de, Di–So 11–20 Uhr, ?Speisen 5 bis 10 Ђ, Kuchen und Desserts ?ab 2,50 Ђ, Softdrinks ab 2,20 Ђ
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