Die „Rindssuppe vom Tafelspitz mit Grießnockerln“ schmeckt ausgezeichnet, gar fürstlich, wie von Frau Hassfurther prophezeit. Dennoch ist das Alt Wien insgesamt eher schlicht. Holzverkleidete Wände, robuste Holztische und ein authentischer Schanktisch lassen zwangsläufig an Beisl denken, die typischen Gasthäuser in Wien. Ebenso geschmacksintensiv wie die Suppe ist der „Vogerlsalat mit geröstetem Speck“, auch ohne Knoblauchtoast (ist aus). Leider bietet der Kellner keine Alternative an. Doch schon zum Hauptgang versöhnt ein zarter Tafelspitz mit frisch geriebenem Kren (Meerrettich), gerösteten Erdäpfeln (Kartoffeln) und Wurzelgemüse. Noch üppiger sind die Schnitzel im goldig glänzenden Panademantel mit Erdäpfelsalat, die sogar neidische Blicke von Passanten auf sich ziehen. Mittlerweile sind alle Tische belegt, im Gastraum erinnert die lebhafte Szene an Stoßzeiten in einer Skihütte. Alemannische, schwäbische und andere Dialekte vermischen sich zu einem geräuschvollen Stimmengewirr, Kinder spielen im Gang vor der Küche. Trotz minimalistischem Interieur kommt österreichische Gemütlichkeit auf. Derweil gibt man sich im Separee genüsslich Esterhazy-Palatschinken (Eierpfannkuchen gefüllt mit Haselnusscreme) und köstlichem Kaiserschmarrn hin. Der Nebenraum, zwar nicht akustisch, aber doch optisch abgetrennt, hat wiederum den Nachteil, dass der Kellner nur selten vorbeischaut und der fruchtige „Grüne Veltliner“ nicht nachgeschenkt wird. Das Alt Wien wird sich sozial eng mit seinem Grätzl (Kiez) verbinden – unter einer Voraussetzung allerdings: Der Service zieht noch ein bisschen an.
Text: Sandy J. Bossier
Foto: Mary-Ann Weber/HIPI
tip-Bewertung: Empfehlenswert
Gasthaus Alt Wien Hufelandstraße 22, Prenzlauer Berg, Tel. 70 12 96 10; Bus 200, Tram M4; Di-Sa 18-24 Uhr, So 12-24 Uhr; Speisen 8,50 bis 16,50 Ђ, Softdrinks ab 1,90 Ђ, Bier (0,3 l) ab 2,40 Ђ, Wein (0,25 l) ab 3,80 Ђ, Fl. Wein (0,75 l) ab 19 Ђ; Rauchen: draußen
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