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Der leise König von Kreuzberg: Atalay Aktaş hat das Bateau Ivre übernommen

Atalay Aktaş aus der Schwarzen Traube im Wrangelkiez hat das Bateau Ivre übernommen. Die Institution am Heinrichplatz darf das Gesellschaftslokal für alle bleiben

Die Stammgäste sind geblieben: Kreuzberger Szene vor dem Bateau Ivre, Foto: F. Anthea Schaap

Wenn man das Bateau Ivre betritt, dieses Gesellschaftslokal für alle, ist irgendetwas anders. Die Gesichter im Service und hinter den Tresen sind noch die selben, an den Tischen sitzen wie immer Stammgäste mit Zeitung, Touristen mit Einkaufstüten vom Voo Store, Kreuzberger Hipster mit Kater. Was ist also anders? Eine ganze Menge – und doch gar nicht so viel. Im März erst hat Atalay Aktaş, sonst bekannt als ebenso leiser wie versierter Barkeeper und Gastgeber in der Schwarze Traube in der nahen Wrangelstraße, das Bateau von seinem Gründer Laurent Vivienne übernommen. „Für mich war es eine Sache von Respekt“ sagt Aktaş. Laurent Vivienne hatte ihn persönlich gefragt. Und obwohl andere ein Vielfaches boten, wollte Vivienne nur ihn.

So übernahm Aktaş mit seinen beiden Geschäftspartnern den Betrieb: 30 Mitarbeiter, Öffnungszeiten von morgens früh bis spät in die Nacht, eine durchgehende Küche. Nicht zu vergleichen mit dem sehr besonderen Nachtschattenexistenz einer Bar. „Dieser Laden ist ein enormer Kraftakt“, sagt Aktaş. Ein Kraftakt, der nur über zwei Wege zu bestehen ist: Ausbeutung – oder eben ­Kooperation. Die alten Mitarbeiter sind dabei geblieben, sie wachsen in den Laden rein, übernehmen neue Verantwortung. Und es wurde kräftig aufgeräumt. Neu gestrichen. Neue, alte Bilder reingehängt, vom selben Maler, aber eine andere Serie. Und vor ­allem wurde die Karte gestrafft. Raus mit koffeinfreiem Kaffee und rein mit hausgemachter Limo und Matcha-Tee. Zudem wird wieder selbst eingekauft. Bessere Zutaten, bessere Resultate. Die schmeckt man auf der weiterhin großzügigen Käseplatte zum Frühstück, mittags gibt es ein paar ausgesuchte ­Gerichte, zum Feierabend Tapas, dazu ­Kuchen, Kaffee, Drinks, ein paar legere Wein und sowieso Bier. Alles wie immer also. Nur noch besser. Und was sagen die Stammgäste dazu? Aktaş grinst: „Tja. Sie sind alle noch da.“

Während der Kiez rund um den Heinrichplatz nämlich eines der wohl am heftigsten von Gentrifizierung und Verdrängung ­betroffenen Viertel ist, passiert hier etwas ganz und gar Unübliches: Die Preise sind nicht nur nicht gestiegen – sie sind sogar gefallen. Das trunkene Schiff, wie sich der Name übersetzen lässt, hat jetzt sogar noch mehr Platz für alle. Der Bezirk mag sich verändern, aber das Bateau hält auf dem stürmischen Gewässer der Kreuzberger Verdrängungswelle Kurs. Alleine dafür sollte jeder, der hier vorbeikommt, und das kommt zumindest in Kreuzberg eigentlich jeder, auf ein Bier oder einen Kaffee bleiben.

Bateau Ivre Oranienstr. 18, Kreuzberg, Sa–Mi 9–3 Uhr, Do+Fr 9–4 Uhr

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