Die Fotograf:innen Melanie Greim und Robert Schlesinger sowie der Anwalt Hinnerk Clausen
liefern mit „Faces of Gastronomy“ einen bildgewaltigen, ja, Schinken über das kulinarische Berlin. Auf 414 Seiten werden etwa Billy Wagner und Micha Schäfer (Nobelhart & Schmutzig), Sophia Rudolph (Lovis) oder Maren Thimm (Lokal) formidabel porträtiert.
Faces of Gastronomy: Der Genuss, das Rauschhafte, die Völlerei
Eine Fotografie kann man nicht schmecken. Eine banale, aber doch ziemlich entscheidende Feststellung in Zeiten, in denen das Kulinarische scheinbar zuallererst instagramable ist. Instagramable sein muss. Eine Fotografie kann man nicht schmecken. Die Aufnahmen von Robert Schlesinger aber kommen dem schon ziemlich nah. Was an diesen durchaus barocken Momenten liegt, die Schlesinger seinen andererseits immer auch sehr coolen und sehr jetzigen Bildern zugesteht. Der Genuss, das Rauschhafte, gewiss auch die Völlerei, all das findet in Aufnahmen statt, deren Inszenierung sich mal direkt bei den holländischen Meistern zu bedienen scheint, wenn sich etwa vor Ilona Scholl und Max Strohe die Blutwürste, Trauben und Kürbisse türmen. Und beide, immerhin Gastgeber:innen in einem der besten Restaurants dieser Stadt, sich scheinbar zügellos dem hingeben, was ein sehr, sehr schöner Film einmal das große Fressen genannt hat.
„Faces of Gastronomy“ blickt auf Eigenheiten von Menschen und Lokalen
Ein anderes Mal rahmt Schlesingers Kamera eine ruhige Brandenburger Landschaft, durch die ein junger, ebenfalls ruhiger Mann einen noch am Knochen reifenden Schinken trägt. Und schon hat man eine Qualität dieses 414 Seiten schweren Schinkens verstanden: „Faces of Gastronomy“ mag von einer oberflächenpolierten Werbeästhetik wissen, Fotograf Schlesinger hat auch schon Audis, Franz Beckenbauer oder die Hochzeit von Christian Lindner in Szene gesetzt. Die Hyperprofessionalität dieser Aufnahmen bildet aber ihrerseits nur den Rahmen für die Geschichten, die dann in den Bildern passieren. Und für einen Blick, wenn schon nicht in die Seele, so doch auf die Eigenheiten, den Charakter eines Menschen und seines oder ihres Restaurants.
Klares, pointiertes Layout und unglaublich guter Druck
Eine andere Qualität von „Faces of Gastronomy“ ist seine Qualität. Das klare, dennoch pointierte Layout, der unglaublich gute Druck, das pure Gewicht. Dass das Buch zudem sogar in Berlin gedruckt worden ist, zeugt auch von der Tatsache, es hier mit einem Liebhaber:innenprojekt zu tun zu haben. Autor Hinnerk Clausen, um zur dritten Qualität zu kommen, ist eigentlich Anwalt und weder Autor noch Food-Journalist.
Und er ist ein Zuhörer. Wobei man seinen Porträts – etwa von Billy Wagner und Micha Schäfer (Nobelhart & Schmutzig) , von Sophia Rudolph (Lovis, über das Restaurant lest ihr hier mehr) oder Maren Thimm (Lokal) – aufs Angenehmste anmerkt, dass ihnen lange Gespräche und eine noch längere Leidenschaft für die jeweilige Küche zugrunde liegen. Und wenn Marco Müller aus dem Rutz, Berlins einziger Drei-Sterne-Koch, in der knappen Überschrift zum „stillen Nerd“ paraphrasiert wird, ist auch das eine Zuschreibung, der wenig hinzuzufügen ist.
Kurzum: Eine so subjektive wie exemplarische Bestandsaufnahme des kulinarischen Zeitgeistes dieser vollmundigen Stadt. Und zur Hochzeit von Christian Lindner sei noch gesagt: Robert Schlesinger hat auch schon Robert Habeck fotografiert.
- Faces of Gastronomy – Berlin, Portraits, Stories & Visions, 416 S., English version, 79,95 €, erhältlich in porträtierten Restaurants und online
Er ist mit dabei: Max Strohe. Der Tulus-Lotrek-Koch hat auch ein Buch geschrieben “Kochen am offenen Herzen“. In der Cookies Cream Bar gibt’s besondere Drinks unter dem Sternerestaurant. Ebenfalls ein schöner Bildband: Anna Schönhartings „Habitat“ zeigt mondäne Charlottenburger Wohnungen.
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