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Interview

Florida Eis: Chef Höhn interessiert Eis „fast gar nicht mehr“

Olaf Höhn steht als Chef von Florida Eis nicht nur für handgemachte Kalt-Köstlichkeiten, sondern auch für konsequenten Umweltschutz. Ein Gespräch über E-Transporter, smarte Kühltruhen und das Eis der Saison

Olaf Höhn ist der Meister der Eiscreme: der Unternehmer leitet die Berliner Traditionsmanufaktur Florida Eis. Foto: F. Anthea Schaap

Florida-Eis-Chef: Eiscafés haben bei der jungen Generation „allgemein verloren“

Ein windig-regnerischer Dienstagnachmittag am Sitz der Florida Eis Manufaktur in Staaken. Mini-Yorkshire-Hündin Coco wuselt durchs Chefzimmer. „Ein klassischer Bürohund, man wird automatisch zum Vegetarier“, sagt Olaf Höhn, „weil man die Wurst verfüttert und das Brötchen halt so füttert“. Mitten im Gespräch wird sich auch Co-Chefin Simone Gürgen dazu setzen.

tipBerlin Herr Höhn, Sie werden dieses Jahr 72. Keine Lust auf die Rente?

Olaf Höhn Ich würde im Garten sitzen, meine Grashalme zählen. Und wenn ich alle durchgezählt habe, würde ich sagen: Jetzt reicht’s! So gesehen mache ich weiter, bis man mich rausträgt. Oder sagt: Komm, du wirst langsam senil.

tipBerlin Wie ist Florida Eis bisher durch die Pandemie gekommen?

Olaf Höhn Die beiden Cafés sind eine Katastrophe. Ich habe eine Mitarbeiterin verloren, die seit 30 Jahren in der Firma war, in meinem ersten Eiscafé in der Klosterstraße.

tipBerlin 1985 übernahmen Sie das Eiscafé in Spandau, die Tradition des Ladens reicht bis ins Jahr 1927 zurück.

Olaf Höhn Die Frau, die ich als erstes einstellte, als ich vor 37 Jahren mit dem Eiscafé anfing, beschäftige ich immer noch. Aber Eiscafés haben ja allgemein verloren, die Generation zwischen 15 und 35 geht zu Fastfood, Soul Food, Fingerfood, Slow Food.

tipBerlin „Eiscafé“ klingt ja auch sehr nach Spaghetti- Eis in den 80er Jahren.

Olaf Höhn Richtig. Deswegen habe ich 350.000 Euro in das eine Café gesteckt, mit eigener Küche, und vegan. Dann kam die Pandemie. Im Herbst hatten wir drei Wochen auf. Dann wieder zu. Ich habe dort zwei Köche, immer noch. Ich bin nämlich ein Grundoptimist. Pessimismus kann ich gar nicht.

tipBerlin Hauptsächlich beliefern Sie aber Tiefkühlregale im Handel.

Olaf Höhn Da haben wir prozentual zweistellig zugelegt. Wir beliefern landesweit 2.000 Kunden. Überwiegend Supermärkte. Insofern bin ich ein Gewinner der Pandemie. Wir machen weit über zehn Millionen Euro Umsatz.

Olaf Höhne von Florida Eis: „Bei Fridays for Future war ich mit einem Plakat dabei“

tipBerlin Wie haben Sie es überhaupt mit Ihren handgemachten Produkten zwischen die Industrie-Eissorten in die Supermärkte geschafft?

Olaf Höhn Damals stand ich noch an der Klosterstraße in meiner Eisdiele, ich war ja sieben, acht Jahre lang sieben Tage die Woche hinter der Theke. Da fragte ein Kunde: „Herr Höhn, wollen Sie nicht mal eine Filiale von uns beliefern?“ Dann habe ich einen Becher entwickelt. Und ein Etikett. Fünf Minuten später war das Gewerbeamt da, weil das Etikett natürlich nicht den Richtlinien entsprach. Ich hatte ja keine Ahnung. Innerhalb weniger Monate haben wir die ganze Kette beliefert, Lkws gekauft. Eine Hektik! Alles ist schief gegangen. Heute sind wir Profis.

tipBerlin Ihre CO2-neutrale Eisproduktion ist mindestens deutschlandweit einmalig. Ist so etwas nicht irre teuer?

Olaf Höhn Ja, sie kostet. Aber sie bringt auch mehr. Ich sehe, dass wir weiter wachsen. Aufgrund der CO2-Neutralität, des Handwerks, der Qualität. Und nach Corona wird Umweltschutz das Hauptthema werden. Bei der großen Fridays-for-Future-Demonstration vor zwei Jahren war ich mit einem Plakat dabei.

tipBerlin Wie wurden Sie zum Umweltschützer?

Olaf Höhn Ich bin Ur-Berliner, wurde in Mitte geboren, bin in Neukölln aufgewachsen. Meine Eltern hatten eine kleine Bäckerei. Mein Vater war Motorsport-mäßig engagiert. Dann habe ich auch das gemacht. Abgase! Rizinusöl als Motoröl! Ah!

tipBerlin Auch Rennen gefahren?

Olaf Höhn Ich habe einen Schrank voller Pokale, war auch mal schnellster Berliner. Hatte dicke Autos, der Motor konnte nicht groß genug sein. Heute fahre ich elektrisch. Ich habe noch einen dicken Oldtimer in der Garage, der steht da auch schon seit Jahren.

Florida Eis verwendet für die Eisherstellung traditionelle Eismaschinenmodelle, welche von anderen Herstellern kaum noch benutzt werden. Diese traditionelle Eisherstellung ist das Erfolgsrezept des seit 40 Jahren selbstständigen Unternehmers Olaf Höhn. Florida Eis verfolgt eine CO2-neutrale Eisherstellung. Umweltbewusstsein und Unternehmensführung ist für Florida Eis kein Widerspruch. Die neue Florida Eisproduktion am Zeppelinpark in Berlin-Spandau ist keine Standardproduktion für Speiseeis.
Handgemacht: Hier wird Florida Eis zubereitet und verpackt – von Hand! Foto: F. Anthea Schaap

tipBerlin Hat es einen Öko-Aha-Effekt für Sie gegeben?

Olaf Höhn Ja. Mein Sohn ist Hydrogeologe. Der hielt einen Vortrag über die Wasserentwicklung. Ich sagte: „Stimmt das wirklich so, dass es irgendwann kein Wasser mehr gibt in vielen Regionen?“ Und er: „Ja.“ Dann baute ich hier neu.

tipBerlin Der Produktionsstandort, an dem wir gerade sitzen, wurde 2013 fertig.

Olaf Höhn Ich bin ja von Beruf Ingenieur, mache vieles alleine, bin der typische Autodidakt. Da habe ich mir eine Photovoltaik-Anlage ausgesucht, eine Viertelmillion hat die gekostet. Und ich sagte mir: Du musst mehr machen.

Florida Eis: Nachhaltig und Unternehmertum gehören zusammen

tipBerlin Der Fußboden der Produktionshalle besteht aus Glasschaumschotter.

Olaf Höhn Beim Bau kam der Bauleiter mit einem Studenten von der Hochschule Detmold, der sagte: Tiefkühlzellen haben eine Fußbodenheizung drin, die hält zwei, drei Grad plus, damit der Boden nicht reißt. Glasschaum aber kann Kälte wie Wärme speichern. Ist auch noch billig, das stellt eine Firma in Brandenburg her. Der Fußboden sieht heute, nach acht Jahren, noch aus wie neu. Ich muss den nicht beheizen, habe da keine Energiekosten.

tipBerlin Und Ihre Lieferwagen fahren elektrisch.

Olaf Höhn Ich habe die einzigen Tiefkühl-Lkws der Welt, die mit Tiefkühlung und E-Antrieb funktionieren. Da habe ich gerade fünf Stück nachbestellt. Habe ich nicht erfunden. Sondern einfach Komponenten gekauft. Geht doch. Funktioniert super. Kann man nachmachen. Ich halte ja Vorträge, wo ich die Komponenten kaufe.

tipBerlin Mit der Politik reden Sie auch viel und gern.

Olaf Höhn Ich diskutiere mit allen. Mit Michael Müller kann ich gut, obwohl ich bei ihm nicht mein Kreuz mache. Die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop war schon hier. Und neulich Franziska Giffey.

tipBerlin Frau Giffey will im September Michael Müller als Regierende Bürgermeisterin nachfolgen. Was beredet man da so?

Olaf Höhn Ich habe gesagt: Frau Giffey, ich beschäftige hier gut 100 Mitarbeiter. Die brauchen Wohnungen. Mietendeckel, ja, tolle Sache, hat aber eben nicht funktioniert. Fangt doch mal an, euch von Bauregeln zu trennen, macht ein anderes Konzept, 40-Quadratmeter- Wohnungen für 10 Euro den Quadratmeter, das kann jeder noch zahlen. Auch meine Leute, Hilfsarbeiter mit einem Stundenlohn um die elf Euro. Mein Problem ist: Ich kriege keine Leute mehr.

tipBerlin Weil die keine Wohnung finden?

Olaf Höhn Ja. Wir haben voriges Jahr zwei wirklich gute Frauen verloren, denen wurde die Wohnung gekündigt. Nächste Woche soll es 29 Grad werden. Mir fehlen 30 Mitarbeiter hier in der Produktion, mindestens. Ich habe Angst vor dem Sommer, wenn die Produktion wieder anzieht.

Florida Eis
Eine von 90 Sorten im Angebot von Florida Eis. Bild: Lena Ganssmann

tipBerlin Kümmern Sie sich mehr ums Eis oder um die Umwelt?

Olaf Höhn Umweltschutz wird wohl mein Hauptthema werden. Eis interessiert mich schon fast gar nicht mehr. Dafür habe ich eine Abteilung: Frau Gürgen, meine Geschäftspartnerin, die den ganzen Tag rührt und tut. Wir beide haben das aufgebaut. Ich habe sie geschäftlich geheiratet. Sie macht das Eis. (Die Bürotür öffnet sich.) Das ist die Frau Gürgen. Komm mal rein! Ich habe gerade erzählt, dass wir verheiratet sind.

tipBerlin Herzlichen Glückwunsch nachträglich übrigens!

Olaf Höhn Frau Gürgen ist Konditorin, sie versteht ihr Handwerk. Mein Sohn sagt immer: Sie hat die feinste Zunge. Ich habe dagegen überhaupt keinen Geschmack.

Simone Gürgen Du hast im Fernsehen einmal gesagt, mein Eis schmecke schrecklich!!

Olaf Höhn Das hat sie mir nie verziehen!

Simone Gürgen Das war die Sorte „Lime-Pie“. Gibt’s nicht mehr.

tipBerlin Wie viele Sorten haben Sie im Programm?

Simone Gürgen 90 Sorten. 40 sind derzeit im Handel.

tipBerlin Was ist dieses Jahr das Eis der Saison?

Simone Gürgen Salted Caramel und Double Chocolate sind unsere neuen Sorten. Vanille Cookie läuft immer. Mango ist bei uns eine Sorte, die sehr gern gekauft wird. Jogurt, wenn es wärmer wird. Und Waldmeister.

Olaf Höhn Unser Joghurt-Eis wird aus frischem Joghurt gemacht.

tipBerlin Was haben Sie als nächstes vor?

Olaf Höhn Eine Erfindung, die ich in den nächsten zwei Wochen umsetzen werde, ist die smarte Tiefkühltruhe, daran habe ich jahrelang gearbeitet. Wenn der Inhalt der Truhe auf 25 Prozent runter ist, wird automatisch nachbestellt. Die habe ich jetzt bauen lassen und überall für die europäische Zulassung gesorgt, „Florida Eis Green“. Den Luxus habe ich mir geleistet. Und jetzt fangen wir an, eine eigene Eismaschine zu fertigen. Das macht mir Spaß als Ingenieur. Die anderen kaufen alle die Eismaschine aus der Industrie. Da ist dann viel Luft im Eis.

tipBerlin Herr Höhn, Ihr großer Traum war eine komplett CO2-freie Eisproduktion. Immer noch?

Simone Gürgen (schaut kritisch) Hm…

Olaf Höhn Geh mal raus (lacht). Ich würde gern noch eine bauen. Sie ist dagegen, weil sie sagt: „Müssen wir nicht mehr, wir kommen doch hier gut klar.“ Aber so ein kleines Denkmal kann man sich ja noch bauen

  • 1985 übernahm Olaf Höhn das Eiscafé in der Spandauer Klosterstraße, wo die Eis-Tradition bis 1927 zurückreicht. Erst kam ein zweites Eiscafé am Altstädter Ring hinzu, dann die Manufaktur in Staaken, nachdem Florida Eis begann, den Lebensmittelhandel zu beliefern. Seit 2013 ist Florida Eis ein Klimaschutz- Unternehmen, die handwerkliche Eisproduktion ist CO2-neutral. Zuletzt stieg der Umsatz der Manufaktur mit zweistelligen Zuwachsraten auf zehn Millionen Euro. Beliefert werden 2.000 Kunden deutschlandweit, vor allem Supermärkte. www.floridaeis.de
Florida Eis Florida Eis verwendet für die Eisherstellung traditionelle Eismaschinenmodelle, welche von anderen Herstellern kaum noch benutzt werden. Diese traditionelle Eisherstellung ist das Erfolgsrezept des seit 40 Jahren selbstständigen Unternehmers Olaf Höhn. Florida Eis verfolgt eine CO2-neutrale Eisherstellung. Umweltbewusstsein und Unternehmensführung ist für Florida Eis kein Widerspruch. Die neue Florida Eisproduktion am Zeppelinpark in Berlin-Spandau ist keine Standardproduktion für Speiseeis.
Bereit zum Ausliefern: Olaf Höhn träumt von einer CO2-freien Eisproduktion. Foto: F. Anthea Schaap

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