Christopher Selig macht die besten Ramen dieser Stadt – aus dem Antrieb heraus, immer tiefer in die Traditionen der japanischen Küche einzutauchen. Zu Besuch bei Food Technique Berlin.

Die wichtigste Zutat in der japanischen Küche von Christopher Selig? Sein Staunen. Diese unbedingte Neugier, alles über eine Küche zu erfahren, die die konzentrierteste dieser Welt ist, und auch die philosophischste. Die japanische Küche gleicht der viel zitierten Sisyphusarbeit. Nicht nur, weil man an der Perfektion japanischer Meister zunächst einmal scheitern muss. Es ist gewissermaßen auch der Kern der japanischen Küche, immer wieder das Gleiche zu machen.
In Japan gibt es Kneipen, also Izakayas, und Restaurants, Ryōteis, die seit zehn oder dreißig Jahren nur eine kleine Auswahl der immer gleichen Gerichte anbieten. Christopher Selig ist diese Idee nahe. Wenngleich er seine köstlichen Suppen immer wieder um einen neuen Einfall ergänzt. So konnte man beispielsweise als Add-on hausgemachte Wan Tans ordern, mit Krebs gefüllte Teigtaschen mit einem herrlich frischen und intensiven Geschmack.
Ein paar Jahre ist es her, da wollte Christopher Selig vor allem etwas anders machen. Der Wahlberliner arbeitete als Projektmanager in einem Start-up, vermarktete kulinarische Weltreisen. Doch Selig reiste lieber mit dem eigenen Gaumen und dem eigenen Kopf. Die private Küche wurde sein Labor: das ganze Universum in einer Dashi-Brühe. Er trainierte sich in der Kunst der Reduktion, die ja vor allem eines ist: die radikale Verdichtung des Geschmacks. „Allerdings war meine Frau gerade schwanger und deshalb keine Freundin einer Wohnung, in der es permanent umami riecht.“
Selig ist deshalb umgezogen, in eine Produktionsküche im Friedrichshainer Samariterkiez. Zu dritt produzieren sie dort donnerstags bis samstags die Ramen-Kits von Food Technique Berlin. Der Name von Seligers kulinarischer Unternehmung ist dabei auch eine Hommage an die Präzision und das tiefe Wissen, die das Fundament, der Fond, der japanischen Küche sind.
Das Besondere an seinen Ramen ist ihr komplexer, dabei aber fast leiser, feiner Geschmack. Er wisse auch nicht, so Christopher Selig, warum japanische Ramen in Berlin immer eher scharf und vor allem umami seien: „Vielleicht gibt es da immer noch diese Klischees der asiatischen und japanischen Küche, und natürlich ist es auch einfacher, einen krassen Geschmack rauszuhauen.“
Ist das kulturelle Aneignung?
Ob ihm schon der Verdacht der kulturellen Aneignung begegnet sei? Er, die Kartoffel, maße sich an, ein japanisches Nationalgericht zu perfektionieren. „Ich verstehe diese Debatten und kann sie absolut nachvollziehen, tatsächlich ist mir dieser Vorwurf aber noch nicht begegnet.“ In Berlin begeistert ihn der zupackende Habitus von The Duc Ngo und die präzise Küche von Dylan Watson-Brawn, die sich beide ja auch von außen in die japanische Küche verliebt haben.
Christopher Selig wird seine Ramen bald in Tokio servieren. Die beiden weltweit gefeierten Ramen-Meister Hiromitsu Mizuhara und Chikara Iyama haben ihn eingeladen. Als Gegenbesuch eines gemeinsamen Ramen-Pop-ups in der Chipperfield Kantine in Berlin-Mitte in diesem Oktober. Zwei- bis dreimal im Jahr will er seine Ramen auch künftig in solchen temporären Restaurants servieren. Kerngeschäft aber bleibt Food Technique Berlin, sein Take-away, für dessen Präsentation er auch in Japan inspiriert worden ist: Immer, wenn im Baum vor der Chipperfield Kantine ein roter Eimer hängt, können seine Suppen abgeholt werden.
- Food Technique Berlin Ramen-Kit (auch vegan) 16 Euro. Brühe aufkochen, Nudeln circa eine Minute kochen, alle übrigen Zutaten werden durch die Brühe erwärmt. Bestellung via Instagram oder den Newsletter. Abholung Do–Sa 15.30–17 Uhr, Schreinerstr. 60, Friedrichshain; 18.30–20 Uhr, Joachimstr. 11, Mitte (Chipperfield Kantine), Website
Noch mehr Tipps gibt es hier: Gute Berliner Ramen-Restaurants. In der Reichenberger Straße hat Joe Parenti ein Sandwich-Paradies eröffnet: Smooches bringt Sandwich-Liebe nach Kreuzberg. Dort stimmt alles: Warum die Bottega Seppel der neue Laden in Charlottenburg ist, erfahrt ihr hier. Frittierte Coolness: Birds in the Kitchen machen herrliche Fried-Chicken-Burger. Ein Ort für alle: Desi Diner in Neukölln. Unkompliziert und umami: Zu Besuch beim Candyman.