Gut, aber besser: Gut Kerkow ist einer der größten Bio-Betriebe Brandenburgs. Vor allem ist es jener mit der größten Vision. Zu Besuch an einem Ort, an dem es, buchstäblich wie sprichwörtlich, um die Wurst geht.
Gut Kerkow ist eine der größten biologischen Landwirtschaften im Berliner Umland
Man könnte damit beginnen, dass das Gut Kerkow eine der größten biologischen Landwirtschaften im Berliner Umland ist. Viel wichtiger aber: Es ist die einzige. Denn wer auf die Mogelpackungen vieler Biosiegel, die etwa einen bis zu einem Tag langen Transportweg zur Schlachtung goutieren, verzichten will, findet im Berliner Umland nur diesen einen fleischverarbeitenden Betrieb. Das ist auch der Grund, warum längst viele Landwirte aus der Schorfheide und der Uckermark mit dem Biobetrieb aus dem Angermünder Ortsteil Kerkow zusammenarbeiten.
In Kerkow ist man stolz auf dieses Netzwerk, wenngleich man mit den eigenen 400 Black-Angus-Rindern, und rund 900 Hektar Land, auch schon jede Menge zu tun hat. Zudem ist gerade vieles im Werden. Das Gut Kerkow hat sich auf den Weg in die Zukunft der Landwirtschaft gemacht. Das Ehepaar Jochen und Christof Beutgen haben den bis 2021 von Sarah Wiener geführten Betrieb neu aufgestellt.
Rückschläge? Auch die gibt es. So musste der kurz vor der Pandemie gekaufte Konzertflügel erst einmal für ein paar Jahre eingemottet werden. Aber auch wenn Gut Kerkow für die Zukunft ein noch einmal ambitionierteres Kunst- und Kulturprogramm plant, gerne im Diskurs mit der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum, die erste Vernissage folgt im September. Und auch, wenn im frisch renovierten Gutshaus aus dem späten 19. Jahrhundert gerade acht Ferienwohnungen entstehen. All das passiert immer im Bewusstsein der Geschichte und mehr noch Gegenwart eines bäuerlichen Betriebes.
Gut Kerkow: Plädoyer für den Sonntagsbraten
Ferien auf dem Bauernhof – mit einer Terrassentür zur Kultur und einem Balkon mit Ausblick auf die Zukunft einer auch ethisch und sozial nachhaltigen Ernährung.
Wir müssen zurück zum Sonntagsbraten, Fleisch vielleicht zwei oder dreimal in der Woche und in überlegten Mengen, wie es für unsere Großelterngeneration noch üblich war.
Manuel Pundt, Betriebsleiter von Gut Kerkow
Aber kommt unser Fleisch in Bälde nicht ohnehin aus dem Reagenzglas oder aus Erbsenproteinen? Manuel Pundt, Betriebsleiter von Gut Kerkow, plädiert im Gegenteil für einen nachhaltigen Fleischkonsum: „Wir müssen zurück zum Sonntagsbraten, Fleisch vielleicht zwei oder dreimal in der Woche und in überlegten Mengen, wie es für unsere Großelterngeneration noch üblich war.“ Und Jörg Reuter, ein Berliner Experte der Lebensmittelkultur und seit diesem Jahr ebenfalls bei Gut Kerkow engagiert, fügt hinzu, „dass man die Qualität eines wirklich exzellenten Stück Fleischs, auf der Weide aufgezogen, sachgerecht und ruhig geschlachtet und handwerklich verarbeitet und nachgereift auf längere Zeit ohnehin noch nicht simulieren könne.“ Auch deshalb geht der Weg für Gut Kerkow auch langfristig nur in diese eine Richtung. Hin zu unbedingter Qualität.
Was nicht heißt, dass man auf Gut Kerkow nicht auch die vermeintlich ganz profanen Dinge schätzt. Einen herrlichen, ehrlichen Leberkäse beispielsweise, wie ihn Alan Micks, Küchenchef des Michelberger Hotels, gerade im neu eröffneten Lunchlokal Theke an der Seestraße serviert.
„Überhaupt“, so Jörg Reuter, „müssen wir noch immer kommunizieren, dass jedes Rind eben nur vier Kilo Filet hat – bei 350 Kilo Fleischgewicht.“ Alles vom Tier zu verarbeiten, ist indes schon ein ethisches Gebot. Ab dem Herbst soll es auf Gut Kerkow deshalb Seminare geben, in denen etwa besondere Cuts gelehrt werden: „In Australien und selbst den USA ist man da schon viel weiter und nachhaltiger. In Deutschland hat die industrielle Schlachtung da fatale Signale gesetzt. Hier werden Tiere so zerlegt, wie es für die Maschinen am effektivsten ist.“
Viele junge Betriebe sind schon in Schönheit gestorben
Gegen Effizienz hat man dabei auch in Kerkow nichts. Schließlich ist das auch ein Dilemma der kleinteiligen bäuerlichen und biologischen Landwirtschaft: Viele junge Betriebe sind schon in Schönheit gestorben. Betriebsleiter Manuel Pundt kommt zudem aus dem Bio-Einzelhandel – und weiß wohl auch deshalb um die Qualität dieser unternehmerischen Entscheidung: Bei Gut Kerkow setzt man auf die Direktvermarktung, in drei, bald fünf Bio-Metzgereien in Berlin und im vermutlich schönsten und best organisiertesten Hofladen zwischen hier und der Ostsee.
Noch ein Vorteil: Bei Gut Kerkow ist man so immer auch nahe bei den Kunden. Und hat den Raum und die Zeit, eine nachhaltige Landwirtschaft auch in gute Geschichten zu packen. Schließlich ist auch das ein Symptom unserer Gegenwart: Das Narrativ isst immer mit.
- Gut Kerkow 16278 Angermünde OT Kerkow, Greiffenberger Str. 8, Hofladen tgl. 10–18 Uhr, Website
Gut Kerkow Bio-Metzgereien
- Tucholskystr. 31, Mitte, Mo-Fr 9–19 Uhr, Sa 9–16 Uhr
- Winterfeldstr. 44, Schöneberg, Mo–Fr 9–19 Uhr, Sa 8–16 Uhr
- Grünberger Str. 54, Friedrichshain, Mo-Fr 9–19 Uhr, Sa 9–16 Uhr
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