Jetzt läuft der „Lockdown Light“ seit gut einem Monat, und es ist klar, dass es noch eine ganze Weile so weitergehen wird. Grund für uns, mal bei der Gastronomie der Stadt nachzufragen, wie sie mit der Situation umgeht und was die pandemiebedingte Schließung ihres Geschäfts für sie bedeutet.
Während manche schlechte Erfahrungen mit Lieferservicen im ersten Lockdown gemacht haben und deswegen lieber den November gar nicht mehr eröffnet haben, ist für andere schon eine Art Routine im Ausnahmezustand entstanden. Sophie und Xenia von Oswald, zum Beispiel, die Schwestern hinter dem Rocket+Basil, dessen Abendangebot wir gerade erst in der tipBerlin Speisekarte 2021 so gelobt haben, meinen: „Es war eigentlich ganz leicht, umzustellen.“ Das Wissen, das sie im Frühjahr gesammelt haben, vereinfachte einen schnellen Umbau der Arbeitsabläufe.
So erzählt es auch Laurel Kratochvila vom Fine Bagels in Friedrichshain: „Der erneute Lockdown war keine Überraschung. Ich hab sofort meine Webseite umgebaut und meinen Lieferservice wieder eingerichtet.“
„Lockdown Light“ und die Gastronomie: pandemiegerechte Menüs
Auch dem neueröffneten Two Trick Pony auf der Bergmannstraße geht es ähnlich: im Frühjahr standen die Türen in ihrem Laden erst zwei Wochen offen, schon mussten sie wieder schließen. Und so lernte das Team schnell, sein Brunch-Angebot Pandemie-gerecht umzustellen. „Wir wünschen uns natürlich, dass es wieder vorbei ist und wir wieder so, wie in den ersten zwei Wochen unseres Ladens sitzen können“, erzählen Jason Starmer und Gary Young, das Paar hinter dem Café.
Aber bis es so weit ist, haben sie eben ihr Menü umgestellt: weg von Ei-lastigen Brunchgerichten, hin zu gegrillten Sandwiches, Suppen und Eintöpfen, die man auch gut unterwegs essen kann, auf einer Parkbank oder sogar im Stehen.
Daeng Khamlao von The Pandanoodle wiederum hat den gesamten Monat geschlossen. Während dem letzten Shutdown organisierte sie schnell einen Markt in ihrem Laden, auf dem Genusshandwerker*innen aus ihrem Umfeld ihre Waren verkauften, jedes Wochenende standen Kund*innen Schlange.
Allerdings warf der Markt kaum genug ab, um den Laden weiter betreiben zu können. Doch nach Monaten des Auf und Abs brauchte die Gastronomin eine Pause und schloss The Pandanoodle fürs Erste. Drinnen allerdings laufen Umbauarbeiten, der Laden wird „kreativ und pandemiegerecht“ umgebaut, wie Daeng erzählt. „Damit wir alle wieder drinnen sitzen können, wenn es wieder geht!“
„Lockdown Light“ und die Gastronomie: Spazierengehen als Trend des Jahres
Bars trifft es noch schwerer, und jetzt wirbt auch noch eine Discounter-Kette gezielt um Gastronomie-Mitarbeiter*innen – die unter normalen Umständen schon schwer zu finden sind. Im Vergleich zu Restaurants und Cafés ist Take-Away für ihr Angebot auch schwerer zu verkaufen.
Aishah Bennet von Geist im Glas besinnt sich deswegen vor allem auf ihr Brunchangebot, das sie als Lieferservice anbietet. Und wenn man schon ein paar Pancakes, Waffeln, Sandwiches und mehr bestellt, warum dann nicht auch einen Bottled Drink dazu? Etwa einen abgefüllten Kamillen-Negroni? Oder ein Bloody-Mary-Konzentrat, dazu Garnitur und ein Liter Tomatensaft? Drinks als Take-Away für Spaziergänger*innen gibt es auch.
Überhaupt ist Spazierengehen ja der Trend des Jahres, und darauf stellen sich viele Gastronom*innen ein. Schlangen, wie man sie sonst nur vor dem Berghain kennt, vor Cafés und Bäckereien, und überall werden neue Glühweinstände aufgebaut. Im Bricole im Prenzlauer Berg hat das Team einfach Kreidekreisen auf den Platz vor dem Restaurant gemalt, in die man sich hineinstellen kann, um Abstände zu wahren.
Nicht nur die Restaurants leiden im „Lockdown Light“
Und nicht nur für die Restaurants ist es schwer: Zwar können Bierbrauer*innen, Großhändler*innen oder Weinläden eigentlich weitermachen wie bisher – doch wenn ihre größten Kunden, die vielen Gastronomiebetriebe der Stadt, wegfallen, wird es schwer. Im Vertrauen erzählt ein Bierbrauer, dass es diesmal noch schwerer ist und es nicht klar ist, ob die Brauerei überlebt.
Ein Weinhandel sorgt sich, denn solange die Gastronomie nicht öffnen kann, ist auch deren Geschäft in Gefahr, und auch Bäuer*innen wissen nicht wohin mit der Ware.
Da ist es nicht immer leicht, Zuversicht zu behalten. „Ich möchte mir vorstellen, dass es gut wird“, meint Konditormeister Josef Martin von der Neuköllner Tortenmanufaktur Martins Place, „aber wenn ich realistisch bin, glaub ich das nicht. Ich glaube, es wird nicht besser.“ Wegen Corona hätten die Leute keine Lust zu kommen, man könnte nicht mehr draußen sitzen. „Es ist nicht so einfach“, fährt er fort, „nicht so einfach.“ Auch Sophie von Oswald sieht es ähnlich: „Ich glaube, die Leute sind einfach durch.“
Innovationen, um relevant zu bleiben?
Die Pandemie nagt eben an allen, psychisch und finanziell sowieso. Da ist die Motivation, in der Kälte rauszugehen und bei den Läden in der Nachbarschaft Essen zu besorgen, wesentlich geringer. Da bleibt zu hoffen, dass die versprochenen Förderungen um Umsatzeinbußen auszugleichen, auch unkompliziert und bald kommen – sonst könnte die gerade erst so vielfältig und bunt gewordene Berliner Gastronomie großen Schaden nehmen.
Damit es gar nicht erst so weit kommt, arbeiten Xenia und Sophie von Oswald konstant an ihrem Angebot: „Wir müssen einfach immer wieder innovativ sein und neue Sachen ausprobieren, damit wir weiter relevant sind“, erzählt Sophie. Und Xenia fährt fort: „Aber es bringt Spaß! Es kann auch mühsam sein, aber ich finde es spannend, mir immer wieder neue Sachen einfallen zu lassen.“ Und wir, wir freuen uns auf all die neuen, frischen Ideen, die Berlin noch bunter, vielfältiger und vor allem: leckerer machen!
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Auch mitten im „Lockdown Light“ haben neue Läden eröffnet, wie zum Beispiel das Marktlokal in der Markthalle Neun: Handfeste Hausmannskost. Wenn schon keine Weihnachtsmärkte möglich sind, muss man sich eben etwas neues einfallen lassen, wie etwa Weihnachtsmärkte in Restaurants: Advent auf die Hand. Und auch Bars sind dabei, für Glühwein in Berlin: Adventsgefühl zum Mitnehmen.