Eine Tagesbar, Grilled-Cheese-Sandwich zum fermentierten Gemüse, Waffeln, Granola, ein paar Naturweine und sehr guter Kaffee: Wie das Lotta, die kleine Schwester des Lovis, aus diesen Neuberliner Lieblingszutaten einen geradezu zauberhaften Ort geschaffen hat.
Lotta ist eine Tagesbar – und kann alles sein
Berlin liegt nicht in Italien. Immer noch nicht. Weshalb wir Berliner:innen all die Jahre ohne diesen sehr italienischen Ort ausgekommen sind: die Tagesbar. Eine Tagesbar ist kein Café und keine Kantine, keine Kneipe, keine Bar und auch kein Imbisslokal. Oder besser gesagt: Die Tagesbar kann all das auch sein. Die gemeinsame Klammer ist dabei das glückliche und genauso selbstverständliche Gefühl, an diesem Ort zu sein, zu (fast) jeder Tageszeit.
Jeder Marktplatz in Italien kennt so einen Ort. Und neuerdings auch die Pestalozzistraße in einer der ruhigeren Ecken von Charlottenburg. Was kulinarisch betrachtet allerdings so gar nicht stimmt: Mit der Königsberger Marzipanmanufaktur Wald und mit Blomeyers Käse liegen gleich zwei ikonische Orte eben in der Pestalozzistraße. Mindestens über letzteren wird noch zu reden sein.
Erst einmal reden wir aber über das Lotta, die kleine Schwester des regional-saisonalen Produktküchenrestaurants Lovis, einmal quer über den (Gefängnis-)Hof. Vor rund zwei Jahren eröffnete das Lovis im ehemaligen Frauengefängnis an der Kantstraße. Letzeres wurde vom Berliner Architektenpaar Armand Grüntuch und Almut Grüntuch-Ernst mit ruhiger Hand und kühnem Blick zum vielleicht schönsten Hotel der Stadt, dem Wilmina, umgebaut. Im Lovis kocht die wunderbare Sophia Rudolph.
Ordnung und Atmosphäre
Da der ehemalige Gefängnishof zur Pestalozzistraße hin, über all die West-Berliner Jahre nur mit einigen Garagen bebaut war, ist dort zudem ein Neubau mit einer charmant gefalteten Sichtbetonfassade entstanden: das Carlotta. Möbliert wohnen kann man dort, über kürzer oder länger. Und weil Armand Grüntuch und Almut Grüntuch-Ernst vermutlich gar nicht anders können, haben sie im Erdgeschoss eben die Tagesbar Lotta realisiert, ein sehr leises, sehr pures und ausnehmend schönes Lokal. Eine lange Theke, ein paar Pflanzen, ein Regalsystem von Dieter Rams. Und dann diese Terrasse mitten in Charlottenburg und doch ganz weit draußen aus der Stadt. Ein Rückzugsort, tatsächlich. Nebenan auf der Kantstraße wird die Lovis-Lotta-Wilmina-Familie zudem bald eine eigene Sauerteigbäckerei eröffnen.
Lotta bietet ein Grilled-Cheese-Sandwich, wie es besser nicht schmecken könnte
Das Brot spielt jetzt schon eine Hauptrolle im Lotta, etwa in der feinen und dennoch handfesten Interpretation eines Croque Monsieur – mit eingelegten Kimchi-Zwiebeln und (Ziegen-)Käse von Fritz Blomeyer gleich nebenan. Ein Grilled-Cheese-Sandwich, wie es besser nicht schmecken könnte.
Entwickelt wurde das kulinarische Konzept für das Lotta von Heide Pucher. Sie steht für eine konsequente Handwerklichkeit. Pucher, geboren in der Steiermark, hat nicht zuletzt mit Wenzel Pankratz in dessen Forsthaus Strelitz gearbeitet und teilt dessen Ehrgeiz, wirklich alles selbst zu machen: Die Marmeladen, die Nusscreme, die Limonade, sowieso das fermentierte Gemüse und auch das Erbsenmash, das, regional-saisonal, die notorische Avocado ersetzt.
Was nicht selbstgemacht wird, kommt von ausgesuchten Lieferanten, von der Neuköllner Blutwurstmanufaktur, der Brauerei Berliner Berg oder vom Wein- und Sektgut Harkamp in der Südsteiermark, dessen maischevergorener Pet-Nat mit angenehm wenig Alkohol, ein ziemlich perfekter Sommerwein ist. Überhaupt ist die kleine, zeitgenössische Weinauswahl grandios. Weswegen ich das Lotta (neben dem Lunch und dem Frühstück) ganz unbedingt zum Apéro empfehle. Noch so eine Sache, die wir uns dringend aus Italien abgucken sollten.
- Lotta Tagesbar Pestalozzistr. 55a, Charlottenburg, tgl. 11–18 Uhr (bald hoffentlich auch länger),
Website
Was haben guter Geschmack und Koordinatenkreuze miteinander zu tun? Das erfahrt ihr in der Lovis Bar. Hungrig in der City West? Von schick bis bodenständig: Unsere Lieblingsrestaurants in Charlottenburg. Nach dem Essen gemeinsam aufs leben anstoßen könnt ihr in diesen Bars in Charlottenburg: von luxuriös bis kultig. Die Renaissance der Speisekneipe: Gute Gastro-Pubs in Berlin zeigen wir euch hier. Besonders gut: BRLO Charlottenburg.
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