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Küche und Literatur

Max Strohe vom Tulus Lotrek schreibt Buch: „Kochen am offenen Herzen

Der talentierte Max Strohe aus dem Tulus Lotrek hat mit „Kochen am offenen Herzen“ einen furiosen Coming-of-Dry-Age-Roman geschrieben, der auch als Antithese zum leidigen Genre „Ein Koch schreibt ein Buch“ taugt – Lehr- und Wunderjahre eines Sternekochs.

Ein Roman vom Autorenkoch Max Strohe

An diesem Koch ist zum Glück kein Literat verloren gegangen: Maximilian Strohe. Foto: Robert Schlesinger

Zugegeben, ich bin voreingenommen. Denn bei Max Strohe im Tulus Lotrek in der Kreuzberger Fichtestraße habe ich begriffen, dass meine liebsten Restaurants immer jene sein werden, deren Talente sich nicht nur auf das Kulinarische, das Handwerkliche und eine wie auch immer geartete Perfektion beschränken. Dass gute Küche immer auch geistreich sein muss, eigen, mutig und reflexiv.

Autorenküche habe ich das in meinem Artikel dann genannt. Damals im Frühjahr 2015. Jetzt hat der Autorenkoch Maximilian Strohe also einen Roman geschrieben. Und was für einen. Was mit dem Leben zusammenhängt, das dieser Max Strohe zuvor gelebt hat. Und das nicht immer unbedingt so aussah, als würde sich der Schulabbrecher aus Sinzig im Rheinland einmal einen Michelin-Stern neben seine Restauranttür dübeln dürfen.

Das mit dem Dübeln hat er selbst gemacht. Wie er überhaupt alles in seinem Leben, im Guten wie im weniger Guten, selbst gemacht hat. Davon erzählt sein tatsächlich biografischer Roman, der nicht besser heißen könnte als „Kochen am offenen Herzen“.

Schreibfeder statt Kochlöffel? Max Strohe hat Witz und Talent

Der Kniff: Jener Max Strohe, dem eines der besten und atmosphärischsten Restaurants Berlins gehört, der dem Genre des Fernsehkochs („Kitchen Impossible“) Witz und Würde zurückgegeben hat und der für seine Lockdown-Initiative „Kochen für Helden“ mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, findet in „Kochen am offenen Herzen“ nicht statt. Weiter als zu einer „abgewichsten Barbourjacke“ (ohnehin ja eine Ikone der Popliteratur) und einem Lunch bei Tim Raue wird es der Antiheld dieser 256 Seiten noch nicht bringen.

Der andere Kniff: Max Strohe kann schreiben. Und er kennt die Gravitationkräfte zwischen Authentizität und Narration, die in einer biografischen Erzählung immer miteinander ringen und im besten Fall zu einer Räuberpistole von Story werden, die man dennoch glauben will und auch glauben darf. „Kochen am offenen Herzen“ ist eine solche Räuberpistole.

Wie auf dem Meeresgrund: Max Strohes Jakobsmuschel aus dem Tulus Lotrek. Foto: René Rils / Tulus Lotrek

Das Tosen selbst

Was auch an einer Person liegt, die Max Strohe erst als 16-jähriger Schulabbrecher kennenlernen sollte: den Vater, einen Antiquitätenhändler, der den rheinischen Kapitalismus mit Kunst und Krempel versorgt und sich dabei selbst jene Körperlichkeit (und den Bluthochdruck) angefressen hat, die so sinnbildlich für die alte Bundesrepublik steht. Gourmet, Lebemann, Choleriker. Und man fragt sich bald, ob der nun der Fels in der tosenden Brandung dieser frei flotierenden Jugend ist – oder doch der Sturm selbst.

Auf dem Küchenmarmor des Vaters jedenfalls hat Max Strohe sein kulinarisches Erweckungserlebnis: einen Rest Branzino mit Kartoffelpüree und bestem Olivenöl. „Mein Vater war der einzige, der dem kleinen Max Strohe gesagt hat: Hey, Koch ist doch ein cooler Beruf“, erinnert sich der größere Max Strohe beim Tatar von der norwegischen Langustine aus seinem Menü. 

Max Strohe plaudert aus dem Nähkästchen – mit Biss!

Was in „Kochen am offenen Herzen“ noch passiert? Der gescheiterte Versuch, die Küche einer Seniorenresidenz mit Kartoffelpulver zu fluten. Der genauso gescheiterte Versuch, sich im Casino von Bad Neuenahr als Callboy zu verdingen. Sex, nur eben nicht mit alten, reichen, spielsüchtigen Damen. Verkehrsuntüchtigkeit. New York, auch als Metapher. Das Kuschel-Eck am Ludwigkirchplatz, das Grill Royal und das Cookies an der Friedrichstraße. Systemgastronomie. Hannover.

Max Strohe hat ein Buch geschrieben, wie es noch kein Koch geschrieben hat. Vollmundig, umami und an manchen Stellen roh wie das Tatar von der norwegischen Langustine.

  • Kochen am offenen Herzen von Max Strohe, Erscheinungsdatum: 24.9.2022 im Tropen Verlag, 256 Seiten, 22 €
  • Buchpremiere: Mi. 5.10., 19.30 Uhr, im Bierhaus Urban, Urbanstr. 126, Kreuzberg, der Eintritt ist frei

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Bei unserem diesjährigen Food Festival wird „Kochen am offenen Herzen“ bei Podiumsdiskussion zum Thema werden: tipBerlin Food Festival 2022: Endlich zeigt Berlin wieder, wie es schmeckt. Noch mehr zu Max Strohe gibt es in einem Interview von 2021: Das Team hinter Tulus Lotrek über die Krise der Branche – und Mittagsschwips.

Alle aktuellen News und Empfehlungen aus der Berliner Gastro-Welt gibt es in der Rubrik Essen und Trinken. Immer noch hungrig in Berlin? Mit der Berlin Food App von tipBerlin ist das passende Restaurant schnell gefunden und in unserer Edition Food Berlin findet ihr, was Herz und Magen begehren.

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