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Perfekte Ramen oder Pasta in Berlin? Nur eine Instagram-DM entfernt

Mein Kontakt ist ein junger Mann in einem grauen Kapuzenpulli, der unauffällig neben einem Supermarkt in Mitte herumlungert. Ich gehe auf ihn zu, ein bisschen Geld wechselt den Besitzer, und er gibt mir eine unmarkierte Papiertüte. Zu Hause angekommen, öffne ich sie und entdecke die Ware: selbstgemachte Nudeln, ein Plastikbecher mit ölig-zitroniger Hühnerbrühe, eine butterweiche Scheibe Schweinebauch, ein in Soja mariniertes, hartgekochtes Ei, in Scheiben geschnittene Mu-Err-Pilze (Wolkenohrpilze) und Frühlingszwiebeln. Die perfekte Schüssel Ramen, nur eine Instagram-DM entfernt.

Nam verlor sich während des Lockdowns im Frühjahr 2020 in der Welt der Ramen. Fast ein Jahr später nimmt er alle zwei Wochen bis zu 40 Vorbestellungen über Instagram entgegen. Foto: foodie.t.ramen
Nam verlor sich während des Lockdowns im Frühjahr 2020 in der Welt der Ramen. Fast ein Jahr später nimmt er alle zwei Wochen bis zu 40 Vorbestellungen über Instagram entgegen. Foto: foodie.t.ramen

Die meistdiskutierten Gerichte serviert kein Restaurant

Willkommen in der wilden Berliner Food-Landschaft des Jahres 2021, in der einige der meistdiskutierten Gerichte nicht in Restaurants, sondern von Hobbyköch:innen mit viel Zeit und Social-Media-Kenntnissen zubereitet werden – von denen viele ihre Berufung nie gefunden hätten, wenn es nicht eine gewisse Pandemie gegeben hätte.

Zum Beispiel Nam alias @foodie.t.ramen. Der in Berlin geborene Student der Lebensmitteltechnologie und Restaurant-Blogger hatte sich schon immer fürs Kochen interessiert, vor allem für „hochtechnische Rezepte, wo viel Theorie im Spiel ist“. Doch erst im Frühjahr 2020 verlor er sich in der Welt der Ramen. Es begann mit einem Chicken-Paitan-Rezept von der Website „Serious Eats“: zwei volle Tage Knochen kochen, Schweinebauch schmoren und Nudelteig anrühren. Am Ende „dachte ich: Verdammt, das ist besser als manche Ramen, die ich in Restaurants gegessen habe, obwohl ich sie zum ersten Mal gemacht habe! Und von da an wurde ich wirklich süchtig.“

Von Ramen-Foren auf Reddit bis zum eigenen Pop-up

Er entdeckte Ramen-Reddit und die Anleitung von Mike „Ramen Lord“ Satinover, einem Amateurkoch aus Chicago, der sich im englischsprachigen Internet als führende Autorität in Sachen Ramen etabliert hatte. Er experimentierte mit Tapioka- und Dinkelmehl, schwarzer Sesampaste, Sardinenpulver und geräucherter Sojasauce. Er lernte auch Michael Heiden von The Bird Barbecue kennen, der ihm übrig gebliebene Knochen und Garnituren anbot – und im Oktober sein erstes Pop-up.

Der Rummel um diese Veranstaltung sowie die 4600 Follower:innen seines Accounts für Restaurantbewertungen auf Instagram garantierten ihm einen stetigen Strom von Kund:innen, als der Lockdown wieder verschärft wurde. Er begann, Ramen-Sets online zu verkaufen. Heute nimmt er etwa alle zwei Wochen bis zu 40 Vorbestellungen über Instagram entgegen, verbringt ein paar Tage damit, in seiner kleinen Köpenicker Küche Nudeln, Toppings und verschiedene Brühen zuzubereiten, und macht sich auf den Weg nach Mitte, um die Ware auszuliefern.

Für den Ramen-Nerd kann das auch frustrierend sein

Das System ist nicht perfekt. Dass die Kund:innen die Suppe zu Hause zubereiten, bedeutet weniger Kontrolle über das fertige Produkt, was für einen Ramen-Nerd „sehr, sehr frustrierend ist! Viele Leute erhitzen ihre Schüssel wahrscheinlich nicht vor, weil sie faul sind oder meine Anweisungen nicht gelesen haben. Wenn also die heiße Suppe hineingeht, fällt die Temperatur sofort um ein paar Grad, und von da an ist das Erlebnis ein völlig anderes.“

Und dann ist da noch die lästige Frage der Legalität: In Deutschland ist es angehenden Gastronom:innen untersagt, selbst hergestellte Speisen zu verkaufen. Eine weitere Zusammenarbeit mit Heiden, der demnächst ein neues Grilllokal im Prenzlauer Berg eröffnet und Nam bereits angeboten hat, seine Küche für künftige Pop-ups zu nutzen, sollte beide Probleme auf einmal lösen (hoffentlich bevor irgendwelche Ordnungsamtsmitarbeiter:innen diesen Artikel lesen).

Oli, Pasta-Queen in Berlin, erzählt uns, wie sie ihre Pandemie-Leidenschaftsprojekte in Instagram-Nebenverdienste verwandelt hat. Foto: OLI
Oli, Pasta-Queen in Berlin, erzählt uns, wie sie ihre Pandemie-Leidenschaftsprojekte in Instagram-Nebenverdienste verwandelt hat. Foto: OLI

Oli hat Pasta in der DNA – und die Großküche angemietet

Für Oli (@oli_berlin), eine Italienerin, die an der toskanischen Küste aufgewachsen und 2016 nach Berlin gezogen ist, erforderte der Weg zu Nudeln kein Reddit. „Sagen wir einfach, ich habe Pasta in meiner DNA. Wo ich herkomme, ist es fast so, als ob wir mit dem Wissen des Kochens geboren werden.“ Vor Covid-19 hatte sie in der Modebranche gearbeitet. Doch als ihr Vertrag auslief und die DJ-Auftritte ihres Partners der Vergangenheit angehörten, wandte sie sich dem zu, was schon immer ihre „Therapie“ war: dicke, handgeschnittene Pappardelle ausrollen, Ravioli füllen, Bio-Tomatensauce köcheln, Focaccia backen. Zuerst kochte sie für ihre kleine Familie, dann für Freunde, dann für Freunde von Freunden … bis sie im Dezember beschloss, sich selbstständig zu machen.

Das bedeutete, ein Gewerbe anzumelden, eine Rote Karte (Hygienezertifikat) zu bekommen und vor allem, für einen Tag in der Woche eine Großküche in der Nähe ihrer Friedrichshainer Wohnung anzumieten. „Das ist alles eine Folge der Pandemie, jeder passt sich an. Dieser Typ hat die Küche für das Catering von Großveranstaltungen wie Hochzeiten und Festen genutzt, und da jetzt alles vorbei ist, hat er angefangen, sie an Leute wie mich unterzuvermieten.“

Plötzlich schickten Fremde auf Instagram Bestellungen

Ohne eine eigene Armee von Foodie-Follower:innen brauchte sie einen anderen Weg, um online auf sich aufmerksam zu machen – und sie fand ihn mit Hilfe ihrer Freundin Theresa Hatz, einer Illustratorin, die ihr ein verspieltes, Instagram-freundliches Logo und Menüzeichnungen im Tausch gegen kostenlose Pasta zur Verfügung stellte. Andere Freunde halfen mit Fotos, Likes und Shares und bevor Oli sich versah, schickten ihr Dutzende von Fremden eine DM, um Bestellungen aufzugeben.

Jetzt stellt sie das Wochenmenü montags oder dienstags ein und holt es von Donnerstag bis Samstag ab, entweder in Friedrichshain oder im Neuköllner Möbelhaus ihres Freundes (der selbst in die Innenarchitektur gewechselt ist). Die Zahl der Vorbestellungen ist auf 20 begrenzt, was es ihr ermöglicht, persönlich mit den Kunden zu sprechen. „Da war ein Typ, ein Model, der vegan und glutenfrei lebte. Gemeinsam haben wir zu Weihnachten diese Ravioli aus Dinkel und Buchweizen mit Pilz- und Kartoffelfüllung kreiert. Und sie waren wirklich gut! So etwas macht man nicht, wenn man in ein Restaurant geht – man redet nicht mit der Küche, man bekommt einfach sein Essen. Das ist also meine kleine Revolution.“

Der Traum: Vom Nudel-Instagram-Business zum Restaurant

Dennoch hätte sie nichts dagegen, sich ein wenig zu vergrößern, sobald die Corona-Pandemie abklingt. „Das Ziel ist es, einen Ort zu finden, der meine Küche sein könnte, mein Labor, mit einem Fenster, wo ich die Pasta des Tages verkaufen könnte. Oder wer weiß, vielleicht ein Restaurant mit nur zehn Plätzen…“ Das Gleiche könnte auch für Nam in Frage kommen … irgendwann: „Andere Leute sagen mir, dass ich leicht ein Restaurant eröffnen könnte, aber für meine Verhältnisse bin ich wohl noch nicht konsequent genug.“ Ramen ist schließlich eine lebenslange Reise.


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