Gastrotipp

Ägäis: Türkische Fischgerichte in Neukölln

Unsere Food-Kolumnistin Jane Silver hat genug von der aufgeregten Food-Szene und will es 2022 etwas unaufgeregter angehen – statt in Restaurants mit großen Visionen geht sie öfter mal in welche mit Herz und guter Küche. Das Ägäis in Neukölln ist so eins – und unsere Kolumnistin begeistert.

Der unglaubliche Salat im türkischen Fischrestaurant Ägäis. Foto: Jane Silber
Der unglaubliche Salat im türkischen Fischrestaurant Ägäis. Foto: Jane Silber

„Weg vom Restaurant-Hype, wenn auch nur ab und zu.“

Während ihr ins neue Jahr startet und fleißig dabei seid eure ehrgeizigen Vorsätze in die Tat umzusetzen, macht ihr euch vielleicht auch Gedanken über eine Veränderung eurer Essgewohnheiten. Möglicherweise habt ihr euch dieses Jahr vorgenommen, endlich eurer Essen selber zu kochen, oder aufzuhören, Geld für Fast-Food-Gerichte auszugeben, an die ihr euch später nur noch halb erinnern könnt? Ihr wollt lernen, wie man Brot backt, Bohnen einweicht oder den Einkauf vom Bauernmarkt aufbraucht, bevor er im Kühlschrank verrottet? 

Zumindest sind das meine Vorsätze in diesem Jahr. Als semiprofessionelle Food-Liebhaberin ergänze ich meine Liste allerdings noch um einen weiteren Punkt: Weg vom Restaurant-Hype, wenn auch nur ab und zu. Wenn man lange genug durch Pressemitteilungen und Instagram-Posts scrollt, vergisst man, dass die meisten Berliner:innen sich nicht wirklich für Farm-to-Table-Weinbars oder Fermentationslabore interessieren. Tatsächlich verbringen viele ihr ganzes Leben damit, ohne ein Gericht mit Kommasätzen wie „Hirschsteak, Rübe, Bottarga“ zu essen oder zu wissen, was „Nduja“ ist.

Deshalb möchte ich das kommende Jahr damit verbringen, der Foodie-Szene weniger skeptisch gegenüberzustehen und die Welt außerhalb dieser mehr zu schätzen. Ich beginne mit: einem Salat.

Ägäis: Das neue türkische Fischrestaurant in Neukölln

Nicht nur irgendein Salat. Ein üppiger Wald aus Kopfsalat, Rucola, Minze und Dill, gesprenkelt mit dem festlichen Rot von Tomaten, Radieschen, Paprika und Granatapfelkernen, angemacht mit einem süß-säuerlichen Spritzer Granatapfelsirup. Es gäbe den perfekten Einstieg für Veganuary-Träume her, wenn es nicht das einzige vegane Gericht in einem türkischen Fischrestaurant wäre.

Das Ägäis, das vor einigen Monaten auf dem kargen Kanalstreifen zwischen Neukölln und Treptow eröffnet wurde, wo übrigens schon viele Gastro-Unternehmer:innen ihr Glück versucht haben und gescheitert sind (erinnert ihr euch an Cabslam?), hat keine Website und ein nur sporadisch gepflegtes Instagram-Profil. Ich hätte nie davon erfahren, wenn nicht der Besuch eines Freundes eines Freundes, der ursprünglich aus Istanbul stammt, es von einigen türkischen Kontakten vor Ort empfohlen bekommen hat. Später fand ich jedoch heraus, dass der Koch und Inhaber Temir zuvor in Ergüns Fischbude in Moabit gearbeitet hatte. Ihr wisst schon, diese nicht ganz so geheime Taverne unter den S-Bahn-Gleisen, die vom Boden bis zur Decke mit handgeschriebenen Notizen verliebter Kunden tapeziert ist.

Im Nachhinein ergibt das Sinn. Das Ägäis tauscht Ergüns fröhliches Chaos gegen ein erwachsenes, reduziertes Ambiente ein, das sehr gut zum Kiez passt. Der Salat aber bleibt derselbe. Das gilt auch für das Menü mit gegrilltem und gebratenem Fisch aus dem Mittelmeer und Schwarzen Meer, der einfach gewürzt und nur mit einer Zitronenspalte serviert wird. Aber, und das sage ich als Ergün’s-Fan, Ägäis ist besser.

Dorade, Mezze & Raki im erwachsenen Ambiente des Ägäis

Die ganze Dorade und ihre gesalzene Haut. Foto: Jane Silver
Wirklich köstlich: Die im Ägäis servierte Dorade und ihre gesalzene Haut. Foto: Jane Silver

Ich empfehle die ganze Dorade, deren Haut perfekt mit Salz, Kräutern und Feuer umhüllt ist und deren Inneres feuchter ist als alles, was ich bei Ergün’s probiert habe. Oder die sardinengroße Rotbarbe (Barbunya), die in einer leichten Maismehlkruste gebraten wird und so köstlich ist, dass der Teller im Handumdrehen zu einem Friedhof von Fischköpfen wird. Ihr werdet hier keine spontanen Bauchtanzvorführungen erleben, aber ihr könnt bei einem trüben Glas Raki und einem Teller Mezze – frisch zubereitete Dips, Meeresfrüchtesalate, Schafskäse und Oliven, einzeln aufgeführt, aber fast immer als Kombination bestellbar und serviert – so lange verweilen, wie ihr möchtet.

Die gestiegene Qualität könnte mit den etwas höheren Preisen zusammenhängen: Alles ist zwei bis drei Euro teurer als in Moabit, aber Abendessen und Getränke kosten immer noch weniger als 40 Euro pro Person. Es könnte aber auch an der geringeren Anzahl der Gäste liegen oder daran, dass Temir froh ist, nach 15 Jahren in Berlin ein eigenes Lokal zu haben. Ich kann euch nur raten, hierher zu kommen, und zwar schnell. Trotz des mangelnden Hypes kann ich mir nicht vorstellen, dass ein so gutes Lokal lange unter dem Radar bleiben wird.

  • Ägäis Fischrestaurant Weigandufer 35, Neukölln, Mo-So 15-24 Uhr, Tel. 030/68082626, Instagram

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