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Küchenchef Arne Anker: Die Krise hat „für klare Verhältnisse gesorgt“

Einer der talentiertesten Küchenchefs der Stadt hat inmitten der Pandemie sein eigenes Restaurant Brikz eröffnet. Arne Anker hofft jetzt auf einen langen Sommer in der Grolmanstraße – und darauf, dass sich in seiner Branche nun wirklich etwas tut.

"Ich kam an den Punkt, so gar keine Lust mehr auf diese Branche zu haben", sagt Arne Anker, Küchenchef des Restaurants Brikz. Foto: Jonathan Mortimer
„Ich kam an den Punkt, so gar keine Lust mehr auf diese Branche zu haben“, sagt Arne Anker, Küchenchef des Restaurants Brikz. Foto: Jonathan Mortimer

Als Arne Anker, frisch aus der Drei-Sterne-Schule des Belgiers Sergio Herman gekommen, 2015 in den Pauly Saal gewechselt war, galt seine handwerklich aufwendige und unglaublich geschmackvolle Küche als eine der kulinarischen Entdeckungen der Stadt.  So cool hatte noch kaum einer die hohe Kochkunst mit der großen Bühne eines Gesellschaftslokals kombiniert. Sechs Jahre und eine Pandemie später sitzt Anker in seinem eigenen Restaurant Brikz am Savignyplatz, das vielleicht so groß ist, wie es damals seine Küche war, und vakuumiert die Beutel seines Takeaway-Menüs. Der 35-Jährige wirkt, wenn nicht zufrieden, so doch tatenhungrig. Ein Gespräch über die Veränderung.

„Freaky, oder?“ – Brikz begann nur für Takeaway

tipBerlin Arne Anker, mitten in der größten Krise der Gastronomie haben Sie Ihr eigenes Lokal erstmal als reines Takeaway eröffnet …

Arne Anker … freaky, oder?

tipBerlin Sie sind selbst überrascht?

Arne Anker Ich bin aus dem Pauly Saal ja schon mit dem Bewusstsein rausgegangen, jetzt mein eigenes Ding zu machen. Es gab auch ein konkretes Projekt. Zudem habe ich Gespräche mit hochrangigen Gastronomen geführt und Konzepte entwickelt. Die Konzepte existieren noch immer, nur ich war irgendwann raus.

tipBerlin Es stimmt also auch für die Gastronomie, dass die Pandemie nette Menschen netter und egoistische egoistischer gemacht hat?

Arne Anker Es stimmt vor allem für die Gastronomie mit ihrer ausgeprägten Ellenbogenmentalität. Covid hat da für überraschend klare Verhältnisse gesorgt. Ich kam an den Punkt, so gar keine Lust mehr auf diese Branche zu haben.

tipBerlin Lustlos wirken Sie gerade keineswegs.

Arne Anker Weil ich dann einfach beschlossen habe, alles komplett alleine zu machen. Ich habe ein Konzept geschrieben, bin zur Bank gegangen, habe eine Location und mein Team gesucht. Ich habe von ganz unten neu angefangen. 

Brikz-Chef: Für 8,50 Euro gibt es kein vernünftiges Schnitzel

tipBerlin Glauben Sie, dass Sie Ihr Restaurant Brikz nun in einem veränderten kulinarischen Zeitgeist hinein eröffnen wird?

Arne Anker Ich glaube schon, dass die Krise einen Wandel anstoßen kann und dass auch die Gäste ein neues Bewusstsein entwickeln. Sie werden vielleicht nicht mehr so selbstverständlich 150 oder 200 Euro pro Menü ausgegeben. Umgekehrt ist aber hoffentlich auch die Vorstellung passé, dass es ein vernünftiges Schnitzel bereits für 8,50 Euro geben kann. 

tipBerlin Im Brikz wird das Viergangmenü 80 Euro kosten. Was erwartet den Gast?

Arne Anker Meine Küche wird sich schon verändern, nicht mehr wie im Pauly Saal mit 30 oder 40 Handgriffen pro Teller. Ich habe ja keine 14 Leute mehr im Rücken. Wir sind zu dritt in der Küche, und überhaupt nur zu fünft im Restaurant. Also werde ich den Fokus ganz auf die Qualität der Produkte legen. Wir werden reduziertere, konzentriertere Gerichte machen. Das kann eine Beurre noisette sein, dazu ein Stör von 25 Teiche aus Brandenburg.

tipBerlin Der Koch ist also nicht mehr der unbestrittene Star seines Menüs?

„Also werden wir in Zukunft alle bewusster kochen“

Arne Anker Zumindest werden wir alle mehr auf die Produkte eingehen müssen, auf Saisonalität und Verfügbarkeit. Die Vermeidung von Food Waste ist ja längst auch bei den Zulieferern ein Thema. Die werden ihre Lager auch nicht mehr zubomben mit Ware und alles immerzu verfügbar halten. Also werden wir in Zukunft alle bewusster kochen. Und das für Gäste, die während des Lockdowns noch einmal ein Stück mehr gelernt haben, was gute Lebensmittel sind.

tipBerlin Vorbei die Zeiten der dekadenten Völlerei?

Arne Anker Ich glaube schon auch, dass es dieses klassische Luxussegment immer geben wird. Leute, die ihre Foie Gras essen wollen, den Sechs-Kilo-Steinbutt und danach ein Wagyu-Rind. Nur ist das nicht mehr die Küche, die mich oder die überhaupt interessiert.

tipBerlin Wie halten Sie es mit den Ritualen des Fine Dinings, etwa dem Amuse-Bouche?

Arne Anker Wir werden Grüße aus der Küche schicken. Schon deshalb, weil wir Lebensmittel in Gänze verarbeiten wollen. Wenn du eh eine Kalbsschwanzjus kochst, kannst du daraus noch wunderbar eine Praline fürs Amuse machen. 

Das Auge isst noch immer mit, und doch guckt Brikz-Chef Arne Anker heute anders auf seine Teller: „Hundert Kühe, die für mich sterben, das hat bei mir einen Schalter umgelegt.“ Foto: Sabine Panzer
Das Auge isst noch immer mit, und doch guckt Brikz-Chef Arne Anker heute anders auf seine Teller: „Hundert Kühe, die für mich sterben, das hat bei mir einen Schalter umgelegt.“ Foto: Sabine Panzer

tipBerlin Wann haben Sie gemerkt, dass Sie anders arbeiten, anders kochen wollen?

Arne Anker Als Küchenchef im Pauly Saal. Ich habe Rind bestellt, vier ganze Filets pro Abend. Plötzlich verhandelst du mit deinem Bauern über den Preis des Filets und vergisst beinahe, dass dahinter eine ganze Kuh steht. Wenn so ein Gericht acht Wochen auf der Karte steht, sind das zweihundert Filets. Hundert Kühe, die für dich sterben – das hat bei mir einen Schalter umgelegt. Wenn wir im Brikz stattdessen ganze Tiere kaufen, bekommen 20 Gäste Filet oder das Entrecôte und die nächsten 20 ein Stück aus der Schulter, schmeckt ja auch toll.

  • Brikz Grolmanstraße 53/54, Charlottenburg, zum Pfingstwochenende liefert man ein gemeinsames Menü mit dem Kreuzberger Restaurant Tante Fichte, außerdem Di.–Sa. Fried-Chicken-Sandwiches auf die Hand, Vorbestellung unter Tel. 030/31 80 37 80, www.restaurantbrikz.com

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