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Clärchens Ballhaus ist zurück: Das erwartet euch

Königsberger Klopse, panierte Pilze mit Kartoffelsalat, Mettigel und dazu das atmosphärisch in den 1920er-Jahren verortete Gestaltung von Babylon-Berlin Szenenbildner Uli Hanisch: Das 111 Jahre alte Ballhaus Clärchens hat seine Magie bei der Sanierung behalten, wenn nicht sogar noch an Zauber dazugewonnen. Feine Wirtshausküche im Restaurant Luna d’Oro, getanzt wird im Spiegelsaal, erster Schwoof am 29. September. Wir sind gespannt – und haben mit Küchenchef Tobi Beck und Gastgeberin Steinbauer gesprochen.

Mettigel unter der Discokugel gibt es im Luna D’oro im Clärchens Ballhaus. Foto: Clärchens Ballhaus

tipBerlin Lieber Tobias Beck, liebe Claudia Steinbauer, das Clärchens wird in diesem Herbst 111 Jahre alt und erfindet sich zu diesem Anlass wieder mal neu. Dit is nun also Berlin?

Claudia Steinbauer Ja, das ist Berlin. Berlin, wie es hätte gewesen sein können und wie es jetzt wieder sein kann. Der Tradition verbunden, ohne daran gefesselt zu sein und, wie ich hoffe und glaube, ganz weit vorn in Fragen der Zugehörigkeit und Zugewandtheit. Ein Stück Mitte und ein Haus mit einem großen Herz.

tipBerlin Das Clärchens stand in all seinen Epochen für ein nahbares und, wie Sie es gerade genannt haben, zugewandtes Vergnügen. Passt das Haus, Stichwort Gasthaus-Revival, deshalb einmal mehr trefflich in die Gegenwart?

Claudia Steinbauer Ach, irgendwas revivalt ja immer. Wonach sich die Gegenwart sehnt? Vielleicht nach Teilhabe? Ich weiß, was wir hier können und was resonieren wird: das Alte des Ortes mit der sich immer wieder neuerfindenden Stadt. Und die Weite des Ortes mit Platz für alle, die sich darauf einlassen wollen. Ich weiß auch, dass wir mit Tobias Beck und seiner Liebe zur deutschen Alltagsküche den bestmöglichen Küchenchef gefunden haben.

Tobias Beck Das ist ja auch keine plötzliche Leidenschaft. Es ist meine Geschichte und erzählt davon, wie ich groß geworden bin. Im vergangenen Jahr habe ich meine Großeltern verloren: Auf den alten Bildern waren wieder die Kalten Buffets, die Torten-Arrangements, das Spanferkel am Drehspieß. Knacker von der Tankstelle, gegessen auf dem Schoß beim Fahren, das war meine Inspiration und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Richtig gute Wurst. Foto: Clärchens Ballhaus

tipBerlin Dabei gab es gerade in der gehobenen und feinen Küche hierzulande lange Zeit keinen Platz für einen so aufrichtigen Blick auf unsere kollektiven Abendbrottische.

Tobias Beck Vermutlich bin ich auch deshalb nicht sofort nach dem Abitur Koch geworden. Ich bin nicht mit einer kulinarischen Hochkunst groß geworden und es hat eine Zeit gebraucht, bis ich für mich begriffen hatte, dass die Dinge, die mich kulinarisch geprägt haben, überhaupt einen Wert haben.

Claudia Steinbauer Was man auch nicht vergessen darf: Dass wir normalen Menschen uns für sowas wie  Fine Dining interessieren ist ja in Deutschland noch ein junges Phänomen. Die Atmosphäre eines deutschen Spitzenrestaurants der 1990er-Jahre: Da würde doch niemand von uns gerne sitzen wollen.

tipBerlin Apropos: Was ist in einem Restaurant denn überhaupt wichtiger: die Aromen oder die Atmosphäre?

Tobias Beck Wenn man essen geht, soll es schmecken und Spaß machen – und man soll satt werden. Es ist schon komisch, dass das in dieser Stadt zwischenzeitlich gar nicht mehr so selbstverständlich war. Ich habe aber das Gefühl, dass der Trend generell wieder zum Einfachen geht. Wenige, aber gute Zutaten, mit viel Know-how verarbeitet und dabei richtig, ja, lecker – oder eben umami.

Claudia Steinbauer Verlieben entscheidet sich final über das Aroma, aber bis dahin sollte die Atmosphäre unbedingt einnehmend gewesen sein.

Die Drei für die Atmosphäre, und für die Aromen: Küchenchef Tobias Beck, Gastgeberin Claudia Steinbauer und Serviceleiterin Anh Vu. Foto: Clärchens Ballhaus

tipBerlin Was das Luna auch beweisen will: Gutes Essen kann auch günstig oder besser gesagt preiswert sein.

Tobias Beck Wenn man an ähnlich große Orte mit diesen Gästezahlen denkt, landet man meist auf konventionellen Großmärkten. Viele haben daran gezweifelt, dass wir ausschließlich Bio-Produkte verwenden werden, aber mit viel Arbeit und durch die oft langjährige Zusammenarbeit mit unseren Produzent:innen haben wir es geschafft. Die deutsche Küche, und wohl auch die deutsche Mentalität, ist aber noch immer geprägt von:  Preis für Wert. Viele unserer Hauptgänge kosten weniger als 20 Euro. Mischkalkulation und eine clevere Kartenplanung machen das möglich.

tipBerlin Der Mettigel hat alleine auf dem Pressefoto schon das Zeug zum Signature-Dish.

Tobias Beck Man muss schon auch aufpassen, das nicht alles gleich nach Kindergeburtstag aussieht. Das Gebäude und seine Geschichte haben mir dabei geholfen, diese Speisekarte zu schreiben. Hier wurde gelacht, hier wurde gefeiert, hier kam Berlin zusammen. Wir spielen mit Untersatzdeckchen, mit einfachen Garnituren. Wie gesagt: Das Essen soll Spaß machen und schmecken: Da feiert sogar die krause Petersilie ihr Comeback.

  • Luna d‘Oro im Clärchens Ballhaus, Auguststr. 24/25, Mitte, Mi–So 17–0 Uhr (Küche bis 23 Uhr), online

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