Achtung, heiß und fettig! Die Fritteuse ist zurück in vielen Berliner Restaurants, aber auch Foodtrucks und Bars. Wegen der Pandemie, den Kindheitserinnerungen und dem fettigen Crunch. Letzterer sorgte dafür, dass viele die Zubereitung in literweise siedendem Öl ächteten. Schlägt auf die Hüften, sprengt Cholesterinspiegel, macht träge, riecht etwas zu sehr. Viele Argumente, die dagegen sprechen. Dabei kann das Essen aus der Fritteuse in Maßen befriedigend sein, sogar beruhigend. Über eine zwischenzeitlich geächtete Zubereitungsform, die plötzlich wieder in aller Munde ist.
Achtung, heiß und fettig!
Heiß und fettig, soweit die ewige Kernkompetenz der Fritteuse. Und es ist noch nicht allzu lange her, da war sie allenfalls noch eine Option für jene, die entweder keine Zeit fürs oder keine Ahnung vom Essen hatten. Der Zeitgeist speiste Avocados und rohköstliche Bowls. Jetzt schlägt das heiße Ölgerät mit voller Kraft zurück.
Und nein: es ist nicht die Rede vom kleinen Bruder der Fritteuse: dem Airfryer, der das mit dem Frittieren angeblich nur mit heißer Luft hinbekommt (ist nicht vielmehr der Hype um den Airfryer nichts weiter als heiße Luft?). Wir sprechen von Fett, von viel Fett. Wir sprechen von Fettfingern, Fettflecken, vom Fastfood-Himmel. Und genauso von einigen sehr feinen Speiselokalen, die genauso auf das Frittieren schwören.
Wer jetzt meint, es ginge um die Klassiker wie Fish’n’Chips und Fritten. Unter anderem. Und natürlich müssen wir an dieser Stelle die Frittenfanatiker von Goldies in der Oranienstraße erwähnen, die die Lücke zwischen der Hoch- und der Bordsteinküche vor sechs Jahren mit aller Wucht geschlossen haben. Eine Schale Fritten, mit handgeschlagener Mayonnaise und Périgord-Trüffel, darauf muss man erstmal kommen. Es geht auch etwas weniger nobel, dafür ebenso knusprig, wie diese Berliner Läden und ihre Pommes zeigen.
Aber erstmal ganz grundsätzlich: Warum fahren die Menschen überhaupt wieder so sehr auf Frittiertes ab?
Nicola Henning vom Kreuzberger Marktlokal sieht mindestens eine Antwort auf diese Frage im pandemischen Ausnahmezustand der vergangenen Jahre: „Im Lockdown sind viele Dinge, die uns Freude bereiten, weggefallen. Leckeres Essen – zumindest zum Mitnehmen – war eine der wenigen schönen und genussvollen Dinge, die geblieben sind“, sagt sie im Gespräch mit tipBerlin. „Wir haben gemerkt, dass die Leute nach Comfort Food gesucht haben, nach Wohlfühlaromen und Kindheitserinnerungen.“
Also haben sie im Marktlokal portionsweise Trost serviert: das womöglich beste Fish’n’Chips der Stadt, mit Kabeljau vom Fish Klub und doppelt fritierten Fritten. Es lief so gut, dass daraus bereits ein Signature-Dish des Marktlokals geworden ist, serviert immer samstags zum Lunch.
Eigentlich war ohnehin immer klar: Wir Menschen sind vom Frittieren besessen. Das heiße Öl lässt uns nicht los. Es macht knusprig, es macht röstig, es hat den (sich in der Kleidung festsetzenden) Hauch des Verbotenen. Und dann der Biss hinein: ordentlich crunch, fettige Lippen, über die man mit der Zunge leckt, und dieser buttrige Geschmack. Die Fritteuse ist der Porno der Küche. Ihre Wiederauferstehung hängt allerdings auch damit zusammen, dass wir gelernt haben, die Fritteuse in Maßen zu genießen.
Die Dosis macht das Gift
Dass das heiße Lustgerät indes nicht unbedingt zur feinen Küche passt, lernen wir von Max Strohe. Nicht, dass der Küchenchef des formidablen Tulus Lotrek in der Fichtestraße nicht auch für manch kulinarisch grellen Spaß zu haben wäre – die gastronomischen Fritteusenauflagen sind in Deutschland einfach strenger als gedacht. Darüber hinaus verortet der Sternekoch die Ursprünge des neuerlichen Frittier-Hypes in der Street-Food-Kultur der 2010er-Jahre. Elitäre Grenzen des vermeintlich guten Geschmacks seien zunehmend obsolet geworden. Überhaupt ergäbe Ausgebackenes auch in der Spitzengastronomie sehr viel Sinn – woher sonst der fettige Crunch?
Die üppige Tour zu unseren Lieblingsstellen für Frittiertes beginnt bei Tsu Tsu in der Gräfestraße. Hier gibt es das beste (und vielleicht auch einzige) vegane Fried Chicken der Stadt. Schon die halbe Portion mit drei Stücken ist für heute genug. Es geht noch weiter und wir hatten uns ja geeinigt: Wir sind erwachsen genug, um Fried Food in Maßen zu genießen.
Ein neues Trendgericht im Reich der Fritteuse sind Corndogs. Klingt tierisch? Kann, muss aber nicht. Die Corndogmeister:innen bei Corndog Ninjas wollen die mit Maisteig umhüllte und ausgebackene, tierische oder vegane Wurst nach Berlin bringen, nachdem sie sich in Seoul in den Corndog verliebt hatten. Aktuell suchen Mithara Bui und Pavel Silkin nach einer permanenten Location für ihren Foodtruck, damit alle in den Genuss von Honey Crunch (mit Cornflakes bedeckt) oder sweet potato Corndogs kommen können. Wir warten ungeduldig!
Auch Bitterballen, eine Art Fleischkrokette, waren ein Berliner Pandemiesnack. Heiß und fettig in dreieckigen Papiertüten serviert, waren sie bei Lode & Stijn in der Lausitzer Straße an Wochenenden innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Für alle, die sie deshalb verpasst haben: In der regional-saisonalen Produktküche des Lode & Stijn sind die Bitterballen noch immer eines der Amuses zum Start des siebengängigen Menüs. Und auch in der neu eröffneten (Naturwein-)Bar Normal gibt es die knusprigen Fleischbällchen, dort mit einem senfigem Sößchen.
Noch eines darf auf keinen Fall fehlen, wenn über Frittiertes gesprochen wird: die Pizza Fritta. Kurz zu ihrer Kulturgeschichte: Weil die Straßenverkäuferinnen im Neapel der Nachkriegsjahre natürlich keine Pizzaöfen hatten, haben sie die Calzone stattdessen in heißem Öl frittiert.
Bei Malafemmena kommt die Pizza Fritta in zwei verschiedenen Formen: entweder relativ klassisch, heißt: der Boden ist frittiert, die Pizza wird mit eingekochten süßen Cherrytomaten, Mozzarellakäse und Basilikum belegt und anschließend steht sie ein paar Minuten verlegen an der Öffnung des Kuppelofens, damit Käse schmilzt und Bodenplatte noch mehr knuspert. Zweite Variante ist das Panzerotto, auf das auch Max Strohe schwört: ein halbmondförmiges Calzonegebilde, das mit üppigen Füllungen aus Käsekombinationen und einer vollfrittierten Hülle auftrumpft. Beide genau richtig für ausklingende Winterabende, an denen noch gefroren wird, aber der Frühling schleicht sich schon an.
Zum Abschluss noch was Süßes: Nibs Cacao in Charlottenburg. Hier frittiert Mercedes Moraiz die frischesten Churros der Stadt. Ein Wölkchen Zimt und Zucker, ein auf den ersten Blick zu großer Becher dickflüssige Schokolade und es wird eingetunkt. Wer dachte, die Portion Schoki sei zu viel für vier Teigstangen: Stimmt! Aber sie lässt sich hervorragend pur genießen. Schokobart inklusive.
- Corndog Ninjas Foodtruck Termine und Location via Instagram: corndogninjas
- Bar Normal Oderberger Str. 7, Prenzlauer Berg, Do–So 18.30–23.30 Uhr, Tel. 0172/708 62 97, weitere Infos hier
- Goldies Oranienstr. 6, Kreuzberg, Di–So 12.30–22 Uhr, Tel. 030/74 78 03 20, weitere Infos hier
- Lode & Stijn Lausitzer Str. 25, Kreuzberg, Mi–Sa 19–22 Uhr, Tel. 030/65 21 45 07, weitere Infos hier
- Malafemmena Hauptstr. 85, Schöneberg, Mo, Mi–Fr 16–23 Uhr, Sa–So 12–23 Uhr, Tel. 030/84 18 31 82, weitere Infos hier
- Marktlokal Pücklerstr. 34, Kreuzberg, Di–Do 18–24 Uhr, Fr 18–02 Uhr, Sa 12–02 Uhr, Tel. 030/28 66 51 22, weitere Infos hier
- Nibs Cacao Bleibtreustr. 46, Charlottenburg, Mo–Sa 11–20 Uhr, So 13–19 Uhr, Tel. 030/34 72 63 00, weitere Infos hier
- Tsu Tsu Gräfestr. 2, Kreuzberg, Mo–So 12–22 Uhr, Tel. 030/25 73 66 01, weitere Infos hier
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