Kleine Karte, klare Linien, Mut, Kreativität: Im Kanal 61 am Erkelenzdamm arbeiten zwei ehrgeizige Unternehmer gemeinsam mit ihrem Team dafür, dass guter Geschmack eine Selbstverständlichkeit wird.
Kanal 61: Beständigkeit trifft auf Mut zur Veränderung
Schon seltsam, dass dieses charismatische Ladenlokal in einem der schönsten Gewerbehöfe des gründerzeitlichen Erkelenzdamms so lange leer stand. Und um so schöner, wie Jacques Voß und Daniel Eckmann an diesen Ort gekommen sind: Der Besitzer der Immobilie isst, eine Straßenecke weiter, gerne Sabich-Sandwichs im Goldadelux. Und fragte deshalb einfach dort, ob die beiden israelischen Betreiber nicht auch ein Restaurant eröffnen wollten.
Wollten sie nicht: Aber sie hatten zwei Freunde, die genau das vorhatten. Jacques Voß und Daniel Eckman hatten sich, nach Stationen in der zeitgenössischen europäischen Gastronomie, im Café Frida am Helmholtzplatz kennengelernt, wo Voß Serviceleiter und Eckman Küchenchef war. Aus diversen Gründen war schnell klar: Sie wollen etwas Eigenes machen. Ein Lokal, das bei aller Zeitgenossenschaft und dem Wissen um das Handwerk und den guten Produkten immer auch zugänglich bleibt. Cool aber nicht unterkühlt. Eine engagierte Küche, die dennoch, oder gerade deswegen, auch alltäglich sein soll. Die Teller im Kanal 61 kosten zwischen 5 und 26 Euro. Oft steht ein Produkt, das Kalbsbries etwa, zwar für zwei, drei Wochen auf der Karte. Es wird aber nach zwei oder drei Abenden schon wieder neu und anders zubereitet und serviert.
Eine neue Selbstverständlichkeit
Überhaupt ist das etwas, das Daniel Eckmann an Deutschland erst verstehen musste: „Hier sagen die Leute gerne, heute gehe ich mal richtig gut essen! Da frage ich mich, wie sie sonst essen? Schlecht? Ich komme aus Tel Aviv, wo selbst das Sandwich und der Humus in der Mittagspause hervorragend sind. Diese Selbstverständlichkeit wollen wir mit dem Kanal 61 leben.“
Und diese Selbstverständlichkeit treibt den jungen Koch zweimal in der Woche frühmorgens auf den Charlottenburger Carl-August-Platz, dem, wie nicht nur er findet, besten Wochenmarkt der Stadt. Diese Zusammenarbeit mit kleinen, oft lokalen Produzenten, exemplarisch sei etwa Wilmars Gaerten genannt, prägt die Küche des Kanal 61. Genauso die damit verbundene oft mikrosaisonale Verfügbarkeit. Was vielleicht neu ist: Jacques Voß und Daniel Eckmann machen daraus kein Dogma, sie inszenieren ihr Lokal im Gegenteil als einen legeren, stets neugierigen Ort, der mit den bekannten Protagonisten der Neuen Berliner Küche allerdings das gemeinsam hat: Jeder Teller fokussiert sich auf ein, allenfalls zwei Hauptzutaten. Den unbedingten Willen zum vollmundigen Geschmack wiederum, den hat Daniel Eckmann vermutlich aus seiner Heimatstadt Tel Aviv mitgebracht.
Auffallend ist, wie breit, und ebenfalls undogmatisch, das Wein- und Getränkethema gespielt wird. Und das bei gleichzeitig angenehm kleiner Karte. Exemplarisch erwähnt seien die Bottled Drinks vom Freimeisterkollektiv, das sich mit dem Kanal 61 die Adresse teilt. Und der Risotto-Reis-Sake vom Weddinger Kollektiv Reigen. Man ist also gut vernetzt, ohne mit diesem Kennertum hausieren zu gehen. Noch ein weiteres charmantes Argument für dieses tolle, kleine Lokal.
- Kanal 61 Erkelenzdamm 61, Kreuzberg, Do–So, ab 18 Uhr, Tel. 030/42 08 51 60, online
Orte der Entspannung: Es gibt zwei ruhige Restaurants auf der lauten Hermannstraße, die wir derzeit lieben. Taco-Kompetenz am Rande des Bergmannkiezes: Das Mama Rosas am Mehringdamm zaubert bei jedem Wetter südamerikanische Sonne auf den Teller. Altes, neues Ballhaus: Das frisch sanierte Clärchen ist zurück und hat an Zauber gewonnen. Italienisches Lebensgefühl in Schöneberg: Das botanische Bistro Talea überzeugt mit einem grünen Daumen und ganz viel Herzlichkeit. Noch mehr Neueröffnungen, Empfehlungen und Bestenlisten findet ihr in unserer Rubrik „Restaurants“.