Interview

Koreanisch-spanisch: Die Betreiber:innen des Kochu Karu im Gespräch

Dass Prenzlauer Berg wieder zu einem gastronomisch relevanten Bezirk geworden ist, hat viel mit dem 2012 eröffneten Kochu Karu zu tun. Mit Bini Lee, José Miranda Morillo und ihrer mit den Jahren immer fokussierteren koreanisch-spanischen Produktküche. Ein Gespräch über Bibimbap, Energiebilanzen und den 38. Breitengrad, mit der Frage: „Was heißt denn überhaupt authentisch?“

Synergetische Beziehung: Bini Lee und José Miranda Morillo im Kochu Karu. Foto: Kunalum Lee

Kuchu Karu: Bibimbap, Energiebilanzen und der 38. Breitengrad

tipBerlin Bini Lee, José Miranda Morillo, Sie kommen biografisch aus kulinarischen Traditionen, die in Berlin so präsent wie gleichzeitig klischeebeladen sind. Wie haben Sie Korea und Spanien zusammengebracht?

José Miranda Morillo Ein paar Parallelen gibt es da schon. Mittlerweile weiß man ja selbst in Berlin: Die koreanische und die spanische Küche lieben kleine Teller und sie lieben Speisen zum Teilen.

Bini Lee Durch Cádiz, die Heimatstadt von José, und durch meine Heimat in Korea verläuft der 38. Breitengrad. Zudem sind beide Länder von drei Seiten von Meer umschlossen, was beide Küchen prägt.

tipBerlin Das Kochu Karu steht für eine entschlossene Produktküche. Nennen Sie bitte ein Beispiel für ein Produkt, dass in beiden Ländern eine kulinarische Tradition hat und das sich auch bei Ihnen auf der Karte findet.

Bini Lee Die Klettenwurzel!

José Miranda Morillo Ich war fasziniert, als ich zum ersten Mal von Binis Mutter in Korea einen Tee aus der Klettenwurzel bekommen hatte. Der wirkte so tonisierend, so belebend. Gleichzeitig wird die Distel, also die Klette, in Spanien als typisches Wintergemüse zubereitet. Zu uns kam sie aber über einen biodynamischen Landwirt aus Niedersachsen, der im Rahmen seiner Fruchtfolge auch Kletten angebaut hatte. Er fragte, ob wir damit etwas anfangen könnten.

Bini Lee Und wir nur: Na klar!

Wie authentisch kann ein koreanisch-spanisch Mix mit regionalen Produkten sein?

tipBerlin Jetzt wird es kompliziert: eine koreanische Küche, die gleichzeitig eine spanische ist, gekocht aus regionalen Zutaten. Kennen Sie den Vorwurf, dass das, was Sie machen, ja nicht authentisch sei?

Bini Lee Was heißt das überhaupt: Authentizität? Korea, und damit die koreanische Küche, gibt es seit mehr als 5.000 Jahren. Wir können gar nicht wissen, wie diese Wurzel oder jene Frucht vor 5.000 Jahren gekocht wurden.

José Miranda Morillo Das ist sicher ein debattenfähiges Thema. Aber ich findes es in diesen Tagen viel interessanter zu fragen, wie energieintensiv eine Küche arbeitet. Was heißt etwa Slow Cooking? Wenn ich 80 Stunden lang einen Ofen laufen lasse, um ein Stück Fleisch zart zu bekommen, dann spielt es beinahe keine Rolle mehr, wie glücklich das Kalb war, ich habe einfach zuviel Energie verfeuert. Wir arbeiten deshalb sehr viel mit natürlichen Trocknungs- und Fermentationsverfahren. Wir schauen uns die Reisewege unsere Produkte genau an und versuchen mit unseren Landwirten bereits die Saat zu planen, was in der guten spanischen Küche übrigens schon lange üblich ist.

tipBerlin Deshalb die enge Zusammenarbeit mit kleinen regionalen Betrieben?

José Miranda Morillo Aber nicht nur. Wenn ich einen großen Lieferanten habe, der mit einem mittelgroßen Produzenten zusammenarbeitet – mein Zander kommt von den Müritzfischern und über Havelland Express nach Berlin –, dann ist die Logistik straffer und damit ökologisicher, als wenn jeder kleine Betreib seine drei Kisten Gemüse nach Berlin fährt.

Kaltgebeizte Forelle von 25 Teiche aus dem Fläming, dazu Chipotle und Bachkresse. Foto: Kunalum Lee

tipBerlin Müssen Sie Gästen noch erklären, dass das Kochu Karo kein typisches koreanisches Restaurant ist?

Bini Lee Immer seltener. Viele Stammgäste sind ja mit uns gewachsen. Bibimbab, Bulgogi, die typischen Erwartungen an eine koreanische Küche, wie sie von ein paar Krankenschwestern nach Deutschland gebracht worden war, haben mich einfach gelangweilt. Hinzu kommt, dass die zweite Generation der Koreaner:innen, die in Deutschland geboren wurden, kulinarisch noch konservativer war, weil sie von den Traditonen ihrer Heimat abgeschnitten waren. Das ist mit jeder zweiten Generation so.

José Miranda Morillo Ich habe ja diese Biografie in der Hochküche, ich habe in Paris gekocht, im Ritz Carlton oder hier in Berlin im Das Stue. Das so genannte Fine Dining musste noch bis vor wenigen Jahren aus der französischen Tradition kommen, vielleicht noch aus der Molekular- und Avantgardeküche. Erst die New Nordic Cuisine mit ihrem Bezug auf das Regionale und Saisonale hat das aufgebrochen. Es ist also noch eine recht junge Entwicklung, die ein Restaurant wie unseres überhaupt möglich gemacht hat.

  • Kochu Karu Eberswalder Str. 35, Prenzlauer Berg,  Di–Sa ab 18 Uhr, frei zusammenstellbares Menükonzept mit „kleinen“ und „nicht so kleinen“ Tellern ab 59 €. www.kochukaru.de

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In der Rubrik Food gibt es noch mehr Tipps und Empfehlungen aus der Berliner Gatro-Welt. Wer sich bei dem riesigen Angebot an Essen und Trinken in Berlin kaum entscheiden kann, findet mit der Berlin Food App von tipBerlin immer das passende Restaurant. Ihr nutzt die App bereits? Hier erfahrt ihr, was sich in der Berlin Food App ändert.

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