Interview

Liron Schneider: Die vielen Talente des israelischen Kochs

Weil Liron Schneiders Arbeitsvisum abgelaufen war, erinnerte sich der Israeli in London an seine Talente als Koch. Das war 2016, seitdem gibt es in Berlin die Schneiderei und das Esser, zwei großartige und nur bedingt israelische Restaurants.

Liron Schneider im KaDeWe. Hier hat er das Esser eröffnet. Foto: Clemens Niedenthal

Liron Schneider eröffnete erst die Schneiderei, dann das Esser

Liron Schneider ist zweimal in seinem Leben Koch geworden. Als kaum 20-Jähriger in London,  als die Karriere als Rockstar bereits in einem sehr frühen Stadium ins Stocken geraten war. Und noch einmal gut zehn Jahre später, als er die Kamera, die er zwischenzeitlich studiert hatte, wieder gegen die Küche tauschen sollte. Und London gegen Berlin.

In Prenzlauer Berg eröffnete er dann die Schneiderei, ein vollmundiges Restaurant in der Tradition der kulinarisch ambitionierten, aber lässigen britischen Gastro-Pubs. Neuerdings hat Schneiders Talent noch eine zweite Adresse. Mit dem Esser im KaDeWe nähert er sich nun der Küche seiner Heimat Israel – und vermeidet dabei lustvoll allzu naheliegende Klischees.

„Ich weiß ja selbst nicht mal, ob es überhaupt ein israelisches Restaurant ist“

tipBerlin Liron Schneider, wir sitzen hier im Esser, ihrem neuen, zweiten Restaurant. Ist es das Los eines israelischen Kochs, irgendwann einen Levante-Laden zu machen? Humus und Shakshuka?

Liron Schneider Ich weiß ja selbst nicht mal, ob es überhaupt ein israelisches Restaurant ist. Einerseits, weil es sich genauso der libanesischen oder syrischen Küche bedient. Andererseits, weil ich gar nicht anders kann, als auch im Esser klassische Saucen und ein handwerklich ambitioniertes Causal Dining zu machen. Es gibt einen Lamm-Kebab, ja. Aber genauso gib es eine auf der Haut gegrillte Fjordforelle mit Bagna Càuda, einer Anchovis-Sauce aus dem Piemont. Zudem nutzt die israelische Küche etwa ständig getrocknete Gewürze. Ich benutze nie getrocknete Gewürze. Ich mag es frischer, mediterran.

Liron Schneiders Schneiderei: „Nur packe ich halt nicht 25 Zutaten auf einen Teller, sondern vier.“ Foto: Clemens Niedenthal

tipBerlin Wie kamen Sie ins KaDeWe?

Liron Schneider Über einen Stammgast, der Marketingdirektor des Kaufhauses war. Das KaDeWe wollte unbedingt ein israelisches Restaurant – und war dann glücklich mit meiner Interpretation, alles ein wenig vollmundiger, weltläufiger, aber auch kulinarischer – with a twist. Ein wenig wie die Musik, die im Esser läuft. Das KaDeWe wollte diese typische, eher laute israelische Atmosphäre, ich habe mich dann für recht kruden Rock und Folk aus den Siebzigern entschieden.  

tipBerlin Um sich allzu naheliegenden Zuschreibungen zu entziehen?

Liron Schneider Mit Zuschreibungen ist es tatsächlich so eine Sache. Mich vor den Ottolenghi-Karren zu spannen, weil das alle mit Israel verbinden, da mache ich nicht mit. Ein anderes Beispiel: Ich habe fünf Monate im legendären Fat Duck von Heston Blumenthal gearbeitet, drei Michelin-Sterne. Nur war das eben schon 2007. Dennoch taucht diese Referenz ständig auf.

tipBerlin Also, was haben Sie seitdem noch gemacht?

Liron Schneider Ursprünglich war ich als Musiker nach London gekommen, mit meiner Band. Wir wollten berühmt werden. Stattdessen landete ich in der Küche und dann im Fat Duck. Später habe ich Film studiert und Philosophie und habe ganz seriös für die BBC gearbeitet. 2016 hatte ich Probleme mit meinem Arbeitsvisum und deshalb im Geheimen Pop-ups veranstaltet, Causal Dining für 16 Gäste. Als das mit dem Visum gefixt war wusste ich, ich will nicht mehr filmen, ich will kochen.

tipBerlin Nur eben in Berlin?

Liron Schneider Berlin schien mir, gute Küche betreffend, noch hungrig. Ich hatte dann ein Pop-up in der Coda Dessert Bar in Neukölln, an deren Schließtagen, das ziemlich schnell in vieler Munde war. Der Start der Schneiderei in der Dunckerstraße verlief deutlich holpriger. Wir haben 2019 eröffnet, kurz vor dem Lockdown.

tipBerlin Die Schneiderei steht in die Tradition gehobener britischer Gastro-Pubs. Was ist für Sie Causal Dining?

Liron Schneider Die besten Produkte, achtsam und handwerklich verarbeitet. Über Tage köchelnde Saucen etwa. Nur packe ich halt nicht 25 Zutaten auf einen Teller, sondern vier. Ich habe kein riesiges Arsenal an Beuteln mit irgendwelchen Cremes und Schäumchen, keine Pinzette zum Anrichten.  Am Herbstmenü, das in der kommenden Woche beginnt, habe ich dennoch bereits seit dem Frühjahr getüftelt.

tipBerlin Wie kann man sich das Tüfteln vorstellen?

Liron Schneider Ich muss ein Gericht lieben, damit fängt es schon mal an. Wobei ich das Glück habe, Essen ganz generell großartig zu finden. Ich wurde in eine sehr genussvolle Familie geboren.

  • Die Schneiderei Dunckerstr. 69, Prenzlauer Berg, Tel. 030/30 34 87 76, Mi-Sa ab 18 Uhr, online
  • Esser im KaDeWe Tauentzienstr, 21–24, Schöneberg, Mo–Sa 12–20 Uhr, Fr bis 21 Uhr, mehr Infos hier

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