Gastrotipp

Midye 47 am Kottbusser Damm: Endlich Miesmuscheln als Streetfood

Das Midye 47 am Kottbusser Damm serviert das vielleicht populärste Streetfood Istanbuls: Midye Dolma, also Muscheln, mit Reis und Gewürzen gefüllt und kalt mit einem Schnitz Zitrone serviert. Unsere Autorin hat die Köstlichkeit an der Muscheltheke im Restaurant Mardin probiert – und ein Stück Bosporus am Hermannplatz gefunden.

Miesmuscheln im Midye 47: ein Stück Bosporus am Hermannplatz. Foto: Alexander Meyer

Muscheln bei Midye 47: Bosporus in Berlin

Lichter, Menschen, Essensstände. Wer schon mal in Istanbul nachts über den Taksim-Platz und die Einkaufsstraße Istiklal spaziert ist, weiß: so richtig kommt die Stadt zu ihrem kulinarischen Selbst erst bei Einbruch der Nacht. Wenn sich die Anzahl der Streetfoodstände und -wägelchen plötzlich wie aus dem Nichts vervielfacht. Und vor allem, wenn die Muschelhändler:innen auftauchen, die bis spät am Abend oder – je nach Perspektive – eben früh am Morgen rakitrunkene Nachtschwärmer:innen mit ihrer proteinreichen Ware versorgen. Muscheln sind für den Bosporus, was die Auster für die Bretagne ist, oder die Côte d’Azur.

Midye Dolma heißt diese Spezialität mit durchaus bewegter Geschichte. Midye Dolma sind Miesmuscheln, die mit Reis, Gewürzen und natürlich dem eigenen Muschelfleisch gefüllt, gekocht und dann kalt mit einem Schnitz Zitrone als Meze, zum Apéro oder eben als Straßensnack verkauft werden. Erfunden wurde diese Istanbuler Ikone von Armenier:innen im Osmanischen Reich, also schon vor einer kleinen Weile. Heute dominieren die Straßen von Istanbul Händler:innen mit Wurzeln in der anatolischen Provinz Mardin.

Nach dieser Provinz hat sich das Kreuzberger Grillrestaurant Mardin benannt. Es dürfte also kein Zufall sein, dass das Mardin nun auch das Zuhause der ersten Midye-Theke der Stadt ist.

Midye 47: Single-Dish-Restaurant

Unter dem Namen „Midye 47“ (worauf sich die 47 bezieht, bleibt auch auf Nachfrage unklar – vielleicht die Postleitzahl der gegenüberliegenden Neuköllner Straßenseite?) werden täglich von Hand hunderte Muscheln gefüllt, das Fleisch thront wie ein Juwel auf einem gewölbten, leicht scharfen Reishappen. Aber weil die Spree nicht das Mittelmeer ist und die Kottbusser Brücke nicht die von Galata, gibt es mit Çigköfte-Häppchen natürlich auch eine vegane Alternative für all jene, die sich nicht mit Meeresfrüchten anfreunden können oder wollen.

Willkommen an Kreuzbergs erster Miesmuscheltheke. Foto: Alexander Meyer

Restaurants, Imbisse und Stände, die ihr Angebot extrem zuspitzen und – wie im Falle des Midye 47 – nur noch eine oder zwei, dafür aber nahezu perfekt ausgeführte Spezialitäten servieren, sind ein Phänomen, das bislang eher auf den kulinarischen Landkarten von Bangkok und New York, London oder Beijing zu finden war. Noch ist es selten in Berlin. Ausnahmen bislang: die Broiler-Institution Henne am Leuschnerdamm  und Berliner Dönerspezialisten wie etwa Imrin oder Mustafa’s Gemüse Döner, die es sich leisten, nicht noch zusätzlich Schnitzel, Eintopf und Pizza anzubieten.

Mit dem ersten Hype um Streetfood vor fast zehn Jahren und dem Erfolg von Lokalen wie Chungking Noodles in Kreuzberg, eins der besten chinesischen Restaurants in Berlin, oder Weng Cheng in Prenzlauer Berg und den vielen neapolitanischen Pizzabäckerereien sickert die Idee, auf endlose Menüs zu verzichten, breiter in die Stadt. Und eben an den Kottbusser Damm zum Midye 47.

Wenn man nun in wärmeren Spätsommernächten beide Augen zusammenkneift, sieht der Hermannplatz zwar immer noch nicht aus wie der Bosporus – aber es schmeckt immerhin so. Ist doch auch etwas.

  • Midye 47 in Mardin, Kottbusser Damm 36, Kreuzberg, tgl. 12–2 Uhr, bei Instagram

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