Berlins Beste

Schnitzel-Essen in Berlin: Last Night a Schnitzel saved my life

Die österreichische Küche hat ihren festen Platz in Berlin. Bisweilen hat man den Eindruck, es mangle ihr an Innovation. Will man sie aber jung, frisch und funky aufziehen, verschlägt es glatt den Traditionalist:innen den Appetit. Kurzum: Es ist ein Fluch mit ihr, aber einer der geschmacksintensivsten der Welt. Eine Reise durch die Berliner Schnitzel-Küchen, aufgeschrieben von Jochen Overbeck.

Ein Klassiker, klassisch angerichtet (und sehr, sehr gut): Wiener Schnitzel im Österelli. Österelli Wienerschnitzel, Krenschnitzel

Das Wiener Schnitzel: Echt nur aus der Kalbskeule

Da liegt es also vor einem. Die Panade golden, im Idealfall so souffliert, dass sie an ein Mittelgebirge erinnert. Manchmal lappt es über den Tellerrand; daran, ob das wirklich nötig ist oder es vielleicht im Gegenteil auf ein möglicherweise ZU dünn geklopftes Stück Fleisch hinweist, scheiden sich die Geister. Dazu ein Salat, der entweder aus der Kartoffel, der Gurke oder aus beidem besteht und bisweilen lauwarm ist; häufig dient das Schnitzel als eine Art zusätzliche Heizdecke. Die klassische Garnitur: eine Zitronenscheibe mit einer Kaper, die in ein Sardellenfilet eingewickelt wird, was angeblich historische Gründe hat: Die Säure und der starke Sardellengeschmack verdeckten in Zeiten, in denen es noch keine Kühlschränke gab, so heißt es, eventuelle Alterungserscheinungen beim Fleisch.

Das Wiener Schnitzel ist für jeden, der gerne Essen geht (und der kein Vegetarier ist) tief in der eigenen kulinarischen Biografie verankert: Die Schnitzelsemmel in der Schulzeit. Später „Wiener Art“ oder „Wiener Schnitzel vom Schwein“ genannte Günstig-Varianten in Studierendenkneipen. Auf dem Weg in den Urlaub fragwürdige Pressfleisch-Ableger an der Raststätte. Oft wird all dies in der Rezeption vermischt, dieses Vorgehen ist grob unzulässig. Das echte Wiener Schnitzel wird aus Kalbsfleisch aus der Keule hergestellt – und ist ein Gericht, das deshalb seinen Preis hat, seinen Preis haben darf.

Wie man ein Schnitzel ver(z)ehrt

In Berlin haben sich über die Jahre drei verschiedene Arten von Gastronomien herauskristallisiert, in denen man ein ordentliches bis gutes Wiener Schnitzel bekommt. Da sind zunächst die gereiften Klassiker. Sie atmen jene österreichische Luft, die in den Wiener Bezirken steht, in die sich nur wenige Touristen verirren. Bei der Einrichtung dieser Lokale spielt oft Holz eine Rolle, bisweilen auch eine deutlich erkennbare, aber gesunde Patina. Das Austria und das nicht verwandt oder verschwägerte Felix Austria in der Kreuzberger Bergmannstraße – hier schmieren die Bedienungen zudem hervorragende Wurstsemmeln zum Mitnehmen, Kren und Essiggurke inklusive und wie zu Kindertagen in Alufolie eingewickelt – sind da zu nennen, am interessantesten ist indes ein Restaurant, das nur selten in den einschlägigen Publikationen auftaucht: Im Schweighofer’s in der Weimarer Straße finden es, das legen die Internet-Bewertungen nahe, Besucher:innen großartig oder fürchterlich, womöglich auch aufgrund der sehr rustikalen, an ein ländliches Wohnzimmer in den Frühachtzigern erinnernden Dekoration.

Wir stellen bei unserem Besuch fest: Die Wahrheit liegt in der Mitte, das Pendel schlägt aber Richtung Güte aus, eine Überraschung erwartet uns bei der Vorspeise: Die Kaspressknödel sind hervorragend.

Das Schnitzel als Grenzgänger

Die zweite Möglichkeit, ein Schnitzel zu verzehren, ist die etwas vornehmere. Hier sind die Grenzen in andere Länderküchen offen, so ist das Wiener Schnitzel eine feste Säule der Borchardt-Karte, das Borchardt aber kein Österreicher. Viele Besucher nehmen das Schnitzel in dem Restaurant in der Französischen Straße vermutlich auch deshalb zu sich, weil man dort angeblich gut Promis beobachten kann. Dazu sei gesagt: Promis beobachten ist ein bisschen wie Whalewatching: Meistens sieht man gar keine, der Trip war am Ende trotzdem nett, wenn man die richtige Begleitung hatte.

Nationalfarbig: Rote-Beete-Knödel im Österelli. Foto: Österelli

Eine arrivierte österreichische Küche serviert das Ottenthal in der Kantstraße. Der Dress der Bedienung ist hier ebenso perfekt wie der Service, Klassiker der österreichischen Küche werden von Gerichten begleitet, die durchaus auch andere Traditionen aufnehmen: Vorspeise der Wahl sollte stets das Carpaccio vom Jungbullen- und Büffelfilet sein: Das kommt nämlich nicht mit der öden Vinaigrette, die sich über die Jahre bei diesem Gericht durchgesetzt hat und häufig den Fleischgeschmack übertüncht, sondern mit der ursprünglich servierten Mayonnaise.  Und weil ja auch Menschen im Norden der Stadt leben, sei noch das patinöse Alt-Wien im Bötzowviertel genannt.

Dann gab es, im ersten Sommer der Pandemie, ja noch das kurze Glück, dass Sebastian Frank und sein von immerhin von zwei Michelin-Sternen beschienenes Restaurant Horváth Wiener Schnitzel servierten. Ganz unaufgeregt und ganz hervorragend, zum Mitnehmen sogar in der handgefalteten Kaisersemmel.

Schnitzel aus den Gaststuben der jungen Coolen

Das dritte Habitat des Wiener Schnitzels ist schließlich in den Gaststuben der jungen Coolen. Da gehört das Österelli dazu, aber auch das Mutzenbacher in Friedrichshain, das sich selbst den Namen „Schnitzelpuff“ gegeben hat. Und vielleicht noch das Alte Europa in der Gipsstraße am Hackeschen Markt, eine Kneipe zugegeben – aber mit einem ehrlich guten Schnitzel.

Zu nennen ist hier auch ein Seitenstrang: Fantastische Käsekrainer macht The Sausage Man Never Sleeps in der Markthalle Neun. Ohnehin ist das ein Kreuz mit dem Schnitzel: Es erinnert manchmal an das Familienmitglied, das auf Fotos immer in der Mitte stehen möchte; sich in letzter Sekunde direktemang vor die zarteren Familienmitglieder drängelt. Geben Sie auch der Verwandtschaft eine Chance!

  • Austria Bergmannstr. 30, Kreuzberg, Mo-Fr 16-22, Sa+So 12-22.30 Uhr, Tel. 030/694 44 40, www.austria-berlin.de
  • Felix Austria Bergmannstr. 26, Kreuzberg, tgl. 12-0 Uhr, Tel. 030/61 67 54 51, www.felixaustria.de
  • Schweighofer‘s Weimarer Str. 12, Charlottenburg, Mi-So 17-22.30 Uhr, Tel. 030/313 01 27, www.schweighofers.de
  • Clärchens Auguststraße 245, Mitte, Di-Fr 17-22 Uhr, Sa+So 14-22 Uhr, Tel. 030/555 785 440
  • Borchardt Französische Str. 47, Mitte, tgl. 11.30-0 Uhr, Tel. 030/81 88 62 62, www.borchardt-restaurant.de
  • Ottenthal Kantstr. 153, Charlottenburg, So-Do 17-22, Fr+Sa 17-23 Uhr, Tel. 030/313 31 62, www.ottenthal.com
  • Alt-Wien Hufelandstr. 22, Prenzlauer Berg, Di-Sa 18-22, So 12-22 Uhr, Tel. 030/70 12 96 10, www.alt-wien-berlin.de
  • Horváth Paul-Lincke-Ufer 41, Kreuzberg, Di-Sa 18.30-22 Uhr, Tel. 030/61 28 99 92, www.restauarnt-horvath.de
  • Mutzenbacher Libauer Str. 11, Friedrichshain, Mo-Fr 17-23, Sa+So 12-23 Uhr, Tel. 030/95 61 67 88, www.mutzenbacher-berlin.de
  • Altes Europa Gipsstr. 11, Mitte, Di+Mi 18-0 Uhr, Tel. 030/28 09 38 40

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