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Laute Straße, leise Orte: Publix Kantine und Kedem an der Hermannstraße

Die lärmende Hermannstraße ist gesäumt von Orten der Ruhe. Fünf Friedhöfe zählt die Straße, die am trubeligen Hermannplatz anfängt und an der A100 endet. Unsere Autorin hat sich auf einen kulinarischen Spaziergang begeben und dabei die Publix Kantine und das israelische Restaurant Kedem besucht.

Neu an der Hermannstraße: die vorwiegend vegetarische Publix Kantine Foto: Marianne Rennella

Friedhöfe prägen die Hermannstraße

Friedhöfe sind wichtig für eine Stadt. Sie gelten als wohnungsnahe Orte der Trauer und Abschiednahme sowie der Erholung im Grünen. Außerdem geben sie persönlichen Schicksalen einen öffentlichen Raum, sodass Gemeinschaftlichkeit entsteht. Eine Gemeinschaftlichkeit, die auch der Gastronomie innewohnt: Gemeinsam sein mit Vertrauten und Fremden. Daher vielleicht die Wiederauferstehung der Friedhofsgastronomie. Das Café Strauß an der Bergmannstraße und das 21 Gramm in der ehemaligen Aussegnungshalle  des St. Thomas-Kirchhofs eben an der Hermannstraße, längst wurden ehemalige Friedhofsarchitekturen gastronomisch wiederbelebt.

In der Publix Kantine geht es um Gemeinschaftlichkeit

Um Gemeinschaftlichkeit geht es auch im kühnen Neubau Publix, dessen Terrasse fließend in den St. Thomas Kirchhof Friedhof übergeht. Dieser ist gleichzeitig Garten und grüner Blick des 5.000 Quadratmeter großen Baus, der Mitte September eröffnet wurde. Finanziert wurde das Projekt ebenso wie das Spore Haus direkt daneben von der Schöpflin Stiftung, Hauptaugenmerk ist die Zukunft des Journalismus beziehungsweise die Frage, wie man gesellschaftlich relevanten Themen auch in diesen krisenhaften Zeiten eine Plattform geben kann. 300 Co-Workingplätze stehen dafür zur Verfügung, außerdem ist Platz für Konferenzen, Workshops, Events und für gutes Essen. Womit wir bei der Publix Kantine wären.

Geführt wird diese von Jeremias Stüer und Daniel Kalthoff, die man aus dem Terz im Schillerkiez und dem 21 Gramm kennt – echte Hermannstraßen-Experten also. Ihnen wurde die untere Etage anvertraut, daraus gemacht haben sie eine Selbstbedienungskantine mit Vertrauenskonzept. Man tut sich selbst auf, der Preis ist fest bei rund 10 Euro. Für Auberginen, Zucchini und Sellerie in fruchtiger Tomatensoße, grünen Salat, Bulgur mit Feta, Dill und Minze sowie Tomaten-Bulgur ist das ein fairer Preis. „Im Idealfall magst du vegetarisch“, sagt Stüer, „aber es gibt auch mal Fleisch oder Fisch.“ Er selbst sei zwar Vegetarier, wolle aber den Leuten nicht vorgeben, was sie essen sollen – paradoxerweise, schließlich ist genau das das Konzept: ein Gericht pro Tag, es wird gegessen, was da ist. Glücklicherweise schafft Küchenchef Albin Adolfsson es, so gut zu kochen, dass die Leute trotz Warmhaltewannen und Selbstbedienung etwas Feines zum Mittag bekommen. Eine vegane Option haben sie immer, außer freitags, da ist Lasagnetag“, so Stüer. Mittagessen gibt es hier seit Juni zwischen 12 und 14.30 Uhr.

Kedem ist ein hinreißendes Restaurant mit toller Terrasse

Auch im Kedem fast schräg gegenüber auf der Ostseite der Hermannstraße kann man seit Juni seine Mittagspause verbringen. Das israelische Restaurant von Nir Ivniezki, Betreiber des schönen Aviv 030 in Rixdorf, und Navot Schelach befindet sich im Erdgeschoss des ebenfalls sehr gelungenen Neubaus  des Bundesverbands der Kleingartenvereine (BKD). Auch hier war mal Friedhofsgelände, auch hier kam es zu einer sogenannten Randbebauung. Friedhöfe gelangten als unbebaute Flächen in zentraler Lage in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus, also begann der Friedhofsverband, Teile seiner Flächen an Vereine, Träger oder Stiftungen zu verkaufen.

Das israelische Restaurant Kedem im Neubau des Bundesverbandes der Kleingartenvereine direkt an der Hermannstraße. Foto: Marianne Rennella

Fünf Jahre inklusive Planung dauerte es, bis das neue Gebäude des BKD diesen Sommer eröffnete, unten drin das Kedem: verglaste Wände, Trockenblumensträuße, stilvolles Holzmobiliar und eine einsehbare Küche – ein hinreißendes Restaurant mit toller Terrasse.

„Anfangs kamen hauptsächlich Leute aus der israelischen Community“ erzählt Louise Bartholomew-Günther, die General Managerin. „Es hat mich berührt zu sehen, wie ihre Gesichter zu strahlen begannen, als sie die Masabacha probierten.“ Es wird wie Hummus aus Kichererbsen, Tahini und Gewürzen hergestellt, nur dass ein Teil der Kichererbsen ganz bleibt.

Sabich-Teller im Kedem. Foto: Marianne Rennella

Aus den gleichen Zutaten entsteht dabei ein völlig anderes Gericht. „Wir würzen unsere Masabacha mit T’bile, einer Paste aus Knoblauch, Chili und Zitrone“, erklärt sie und zeigt auf ein hellgrünes Pesto. Daneben ein dunkelgrünes – „Ouzi, ein Korianderpesto, das unser Küchenchef Navot nach einem alten Nachbarn benannt hat, der ihm das Rezept gezeigt hat.“ Absolut umwerfend machen sich Hummus und die grün-grandiose Pestos auf dem Sabich-Teller zusammen mit frittierter Aubergine, Ofenkartoffel, hartgekochtem Ei und Salat.

Absolut umwerfend ist es hier insgesamt, vom nachhaltigen Ansatz bis hin zum herzlichen Team. So viele Zeilen mehr bräuchte es – doch ein Besuch an der Hermannstraße sagt mehr als tausend Worte!

  • Publix Kantine Hermannstraße 90, Neukölln, Mo–Fr 8–17 Uhr (Lunch 12–14.30 Uhr), Website
  • Kedem Hermannstraße 186, Neukölln, Mi–Mo 12–16 Uhr (bald auch abends), Website

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